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Becksmann, Rüdiger
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Freiburg im Breisgau: Münster Unserer Lieben Frau — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 2,2, Teil 1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.52840#0355

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354

MÜNSTER • HOCHGOTISCHES LANGHAUS • VERNEUUNGEN DES 16. JAHRHUNDERTS

3. VERNEUUNGEN DES 16. JAHRHUNDERTS

EHEMALS LANGHAUSFENSTER süd XXI (KONSTANZER FENSTER) (16) Fig.4io-4i3
1744 wurde das Fenster im Marienchörlein während der Belagerung der Stadt durch die Franzosen zerstört und an-
schließend blankverglast. Bereits 1819 konnte Billeisen die beiden Lanzetten wieder mit ornamentalen und figürlichen
Glasmalereien aus der Mauritius-Rotunde des Konstanzer Münsters füllen, unter anderem mit einer Kreuzigung Christi -
einem Hauptwerk der Konstanzer Kunst des dolce Stile nuovo um 1320 - sowie Darstellungen der Epiphanie und Teilen
eines Jüngsten Gerichts, die um 1430 von der Ulmer Besserer-Werkstatt für die obere Margaretenkapelle geliefert und
um 1560 in die Fenster der Mauritius-Rotunde transferiert worden waren. Daß dieser Scheibenbestand aus dem Kon-
stanzer Münster für Freiburg erworben werden konnte, war ein Glücksfall, ergänzen seine Bildthemen doch das im
Heiligen Grab veranschaulichte Heilsgeschehen (Fig. 410) auf ideale Weise. 1824 setzten die Gebrüder Heimle noch den
Erzengel Michael aus dem Dreipaß der Mauritius-Rotunde auf neuem Rautengrund in den ungleich größeren Dreipaß
des Fensters über dem Heiligen Grab ein - unter Hinzufügung eines theatralischen Vorhangs und unter Verwendung
von Rahmenborten aus den Langchorfenstern der Freiburger Dominikanerkirche. Wegen seiner gesicherten Herkunft
wurde dieser Scheibenbestand bereits 1979 unter seinem ursprünglichen Standort im ersten Teilband (s. CVMA Deutsch-
land II, 1,1979, S. 93-114, Abb. 116-140) bearbeitet369. Von der um 1260 erfolgten Erstverglasung des Fensters sind keine
Reste erhalten. Daß sie um 1516/17 von der Ropstein-Werkstatt nach Entwürfen von Hans Baldung Grien durch eine
partielle Farbverglasung ersetzt worden war, die wiederum die Passion Christi zum Thema hatte, konnte erst jüngst mit
Hilfe des Berliner Kreuzigungskartons (Fig. 413) nachgewiesen werden.
Bibliographie: Becksmann, in: Kat. Ausst. Freiburg i. Br. 2001, S. 240-243 (verbindet den Berliner Kreuzigungs-
karton auf Grund der Maße mit dem Fenster über dem Hl. Grab und erschließt so eine thematisch hierauf bezogene
Farbverglasung der Ropstein-Werkstatt aus der Zeit um 1516/17, die 1744 zerstört wurde).


369 Die seither hierzu erschienene Literatur sei an dieser Stelle nachge-
tragen: Becksmann 1990, S. 166-169 (begründet nochmals die 1976 ab-
geschlossenen Restaurierungsmaßnahmen, die die um 1820 geschaffene
Anordnung unangetastet ließen und die 1944 zerstörten Geiges’schen
Zwickel im Sinne des frühen 19. Jh. zu ergänzen versuchten); Scholz
1994, S. LVIII, 139, Taf. XXXV (bestätigt die 1979 vorgenommene
Zuweisung der Epiphanie- und Gerichtsscheiben an einen Meister der
Ulmer Werkstattgemeinschaft unter Hans von Ulm); Becksmann 1995,
S. 107!., 132 (stilgeschichtliche Würdigung des hochgotischen Scheiben-
bestandes); Parello 2000, S. 23,26, 45E, 67, 72, 76, Abb. 5, 20 (präzisiert
die Angaben zu Erwerb und Einsetzung der Konstanzer Scheiben im
Freiburger Münster); Mittmann 2005, S. 28k (Bestandsangaben mit far-
biger Gesamtaufnahme).
370 Der im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin ver-
wahrte, auf Grund einer Signatur um 1790 von dem Freiburger Maler
und Restaurator Joseph Hermann ergänzte, auf Leinen aufgezogene und
über einer Eichenholzplatte als Träger verspannte Karton trägt die Inv.
Nr. A I.83. - KdZ.4797 und hat folgende Maße: H. 189,5 cm, 136,5 cm
(Bildfeld: H. 186 cm, B. 133 cm). Bereits 1913 hatte Hermann Schmitz die
Vermutung geäußert, der Karton sei »eine nach Baldungs Skizzen ausge-
führte Visierung[!]«, wie sie die Ropstein-Werkstatt »um 1520-30 ihren
Fenstern zugrundelegte« (Schmitz 1913,1, S. 120, Abb. 202). Nach Per-
seke 1941, S. 105!., m, der den Karton offenbar nicht im Original gesehen
hat, handelt es sich dagegen um eine um 1520 in der Ropstein-Werkstatt
nach einer Visierung Baldungs angefertigte orignalgroße Werkzeichnung,
die dessen persönliche Formensprache nur bedingt widerspiegele. Vor
2001 war der bis 1990 in Ost-Berlin verwahrte Karton nur ein einziges
Mal 1983 aus Anlaß der Martin-Luther-Ehrung der DDR in einer Aus-
stellung im Alten Museum gezeigt worden. Vgl. hierzu Werner Schade,
in: Kat. Ausst. Kunst der Reformationszeit, Berlin 1983, S. 103!.
371 Im Freiburger Münster übertrifft kein Fenster dasjenige über dem
Hl. Grab hinsichtlich der Bahnbreiten. Selbst die vierbahnigen, durch
Eisenarmierungen unterteilten Seitenschiffenster im Langhaus des Straß-
burger Münster erreichen »nur« eine maximale Bahnbreite von 126 cm.
Fig. 410. Hl. Grab im Frauenchörlein. Um 1330/40. Zustand um 1920.
 
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