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Gast, Uwe; Rauch, Ivo
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.52850#0038
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KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG

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wurde in ihrer Entwicklung - im Gegensatz zu Mainz - nicht gehemmt, vielmehr gefördert, wofür insbesondere die
Privilegierung der in Handel und Geldverkehr tätigen Juden (1157) und Münzer bzw. Wechsler (1165) durch Kaiser
Friedrich I. Barbarossa spricht. Im Jahr 1184 bestätigte der Kaiser auch die bestehenden Privilegien und Rechte der
Bewohner von Worms und gewährte ihnen die volle persönliche Freiheit. Zur Zeit Friedrich I. Barbarossas - und z.T.
noch seiner Nachfolger bis Friedrich II. (Kg. 1211/12-1250, Ks. seit 1220) - hatte die Stadt zweifellos einen Gipfel ih-
rer Bedeutung erreicht, was sich nicht zuletzt in einer Vielzahl von Bauprojekten niederschlug: Der Dombau wurde
unter Bischof Konrad II. von Sternberg (1171/72-1192) vollendet (Weihe 1181) (Textabb. 4), südlich von ihm entstand
die im Jahr 1807 abgebrochene Pfarr- und Taufkirche St. Johannes, die noch bestehenden Stiftskirchen St. Andreas,
St. Martin und St. Paulus wurden alle um 1180-1230/40 mehr oder weniger umfassend aus-, um- oder neu gebaut; etwa
zur gleichen Zeit entstanden im Norden nah beieinander Männersynagoge (1174/75), Mikwe (1185/86) und Frauensyn-
agoge (1212/13); im Osten wurde die Stadt um ein ca. 650 m langes und 50-100 m breites Areal erweitert (Textabb. i)1 .
Doch gegen Ende dieser Phase des städtischen Ausbaues begann die Situation sich schnell zu verschlechtern. Das
Verhältnis zwischen Bischof und Klerus einerseits und dem letztlich um Autonomie bemühten Rat andererseits führte
in den i22o/3oer-Jahren zu einem einige Jahre andauernden Konflikt, der zwar durch die sog. Erste Rachtung von
1233 beigelegt wurde, doch in der Folge auch immer wieder aufbrach; zudem nahmen Bischof Landolf von Hoheneck
(1236-1247) und die Stadtgemeinde vor allem ab 1241/42 in ihrem zähen Festhalten an Kaiser Friedrich II. und der
rechtmäßigen Herrschaft des staufischen Hauses eine so unglückliche Haltung ein, dass sie sich zunehmend isolierte,
namentlich gegenüber dem (wieder) mächtigen Nachbarn Mainz, und ruinierte.
Der auf halber Strecke zwischen Worms und Mainz am Rhein gelegene Ort Oppenheim, anfänglich eine Forscher
Besitzung mit einem Königshof (villa), einer Kirche - der 774 und 865 bereits erwähnten, nach ihrer Zerstörung 1118
neu errichteten, schließlich 1837 niedergelegten Pfarrkirche St. Sebastian - und einem Markt (1008), wurde vermutlich
nach seinem Rückkauf von Lorsch (1147) unter den Staufern planmäßig zu einer Stadt ausgebaut (Textabb. 2)20. Hierzu
wurde der alte, zum Bistum Worms gehörende Ortskern im Süden auf ansteigendem Gelände nach Nordosten um die
sog. Neustadt erweitert, die ihrerseits im Schutz einer auf der Anhöhe errichteten Burg lag. Die in der Zeit um 1225/26
erfolgte Erhebung Oppenheims zur Stadt durch den Reichsverweser Erzbischof Engelbert von Köln im Namen Kaiser
Friedrichs II. und die Verleihung der Stadtfreiheit 1234 dürften erfolgt sein, nachdem das Ensemble von Neustadt und
Burg - für Volker Rödel das »Muster einer staufischen Stadtgründung«21 - im Wesentlichen fertiggestellt war; die
Planung schloss vielleicht auch die Errichtung einer neuen Kirche anstelle der abgelegenen Pfarrkirche St. Sebastian
mit ein, doch sind die Anfänge der Kirche St. Katharina, die als Filialkirche von St. Sebastian entstand, nicht sicher zu
datieren (s. S. 250 mit Anm. 5). In politischer Hinsicht war der Ausbau Oppenheims zu einer Groß- bzw. Stadtburg ein
Affront gegen Mainz, da die Staufer sich hier dem Erzstift bedrohlich näherten.
Überhaupt waren der Territorialmacht Mainz im Verlauf des 12./13. Jahrhunderts sowohl in Rhein- als auch in Südhes-
sen ernsthafte Konkurrenten erwachsen. An erster Stelle war dies die Pfalzgrafschaft bei Rhein, die Kaiser Friedrich I.
Barbarossa 1156 an Konrad von Staufen (* um 1134-1136, f 1195) übertragen und sowohl mit Besitz als auch diversen
Lehnshoheiten westlich des Rheins ausgestattet hatte. Mittelpunkt des Herrschaftsbereichs war zuerst der ca. 30 km
westlich von Oppenheim gelegene Ort Alzey, um den sich mit der Zeit auch ein immer größer werdendes Territorium
bildete, doch verlagerte er sich vielleicht noch unter Konrad nach Heidelberg, das im 14. Jahrhundert zum Residenzort
ausgebaut wurde. Konrad hatte 1156/57 die Vogtei über die Abtei Lorsch erlangt, dessen umfangreiche Besitzungen
die seit 1214 mit der Pfalzgrafschaft belehnten Wittelsbacher im Interesse einer geschlossenen Territorienbildung an
sich zu bringen versuchten. Sie gelangten indes an Mainz (1232), womit ein bis in die Neuzeit andauernder Konflikt
angelegt war. Östlich des Rheins stieg auch die Grafschaft Katzenelnbogen zu einer Macht auf, deren zunächst be-
scheidenes Territorium in Südhessen um Darmstadt und (Groß-)Gerau nach und nach anwuchs und sich mit Mainz
berührte. Auf der anderen Rheinseite wiederum gab es zwischen Mainz und Bingen uralte, bis in das Spätmittelalter

D Spille/Böcher 2005, S. 739L, 745-751, 753L, 756. Zur untergegan-
gen Kirche St. Johannes s. Kranzbühler 1905, S. 16-53, zuletzt, mit
weiterer Literatur, Christian Forster, in: AK Mannheim 2010, II,
S. 107.
20 Codex Laureshamensis, I, 1929, S. 283 (Nr. 7), 316 (Kap. 33), 373
(Nr. 91), 431 £. (Nr. 150). Vgl. Heinrich Büttner, Die Anfänge der
Stadt Oppenheim, in: AHG NF 24, 1952/53, S. 17-36, Ernst Stephan,

Die alte Stadt Oppenheim. Ihre Baugeschichte seit den Anfängen,
in: Der Wormsgau 3/4, 1954/55, S. 157-178, Rödel 1980, und jüngst
Julian Hanschke, Oppenheim am Rhein. Baugeschichte, Baudenk-
mäler, Stadtgestalt (Materialien zu Bauforschung und Baugeschichte
16), Karlsruhe 2010. Zur Burg Landskron s. bes. Schmid/Herrmann
1998.
21 Rödel 1980, S. 63.
 
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