BEERFELDEN • PFARRKIRCHE
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Rundscheiben mit den Wappen Erbach-Bickenbach und Werden-
berg - zusammen mit der Kreuzigung Christi? - eingesetzt werden
konnten, und auch die für 1502/03 belegte Einrichtung mehrerer,
aufwändig zu begehender Jahrzeitgedächtnisse6, u.a. für Andreas
Pfot, spricht für einen raschen Baufortgang. Die Stiftung des Kreu-
zigungsfensters entweder durch den Patronatsherrn selbst oder
durch den Pfarrer bzw. durch Dritte aus den Mitteln der Pfot’schen
Zuwendungen dürfte deshalb wahrscheinlich sein7.
Die älteste, wenig präzise Nachricht über die Verglasung der Beer-
feldener Pfarrkirche stammt aus der zweiten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts. Nach dem Einsturz eines der beiden Türme des mittel-
alterlichen Baues, bei dem sich die Spitze mit dem Kreuze unten in
das mittelste Fenster des Chors gebohrt hatte, wurde die Kirche
in den Jahren 1767-1769 renoviert, u.a. mit dem Ziel, ihr mehre-
res Licht zu schaffen3. Wie der Wortlaut vermuten lässt, war schon
diese Renovierung mit Verlusten von Teilen der alten Farbvergla-
sung verbunden. Sie ging - mit Ausnahme der Kreuzigung Christi
und zweier Wappenscheiben - restlos verloren, als der Bau am
29. April 1810 im großen Brand von Beerfelden unterging. Die er-
wähnten Scheiben befanden sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Er-
bach. NachdemGrafFranz I.zuErbach-ErbachandenErbach-
Fürstenauischen Kanzleidirektor Ludwig Friedrich Seeger den
Wunsch gerichtet hatte, für ein Gebäude in Eulbach die alten ge-
mahlten Fenster aus den hierländischen Kirchen zu erhalten (s.
Reg. Nr. $)9, erging an den Oberpfarrer von Beerfelden, Anton
Jakob Bartenstein, am 6. September 1804 die Weisung, diejenigen
herrschaftl(ichen) Glasmahlereien welche sich an den Fenstern der
Kirche zu Beerfelden befinden, an den Grafen abzugeben (s. Reg.
Nr. 6). Bartenstein widersetzte sich dem nicht und ließ die Schei-
Fig. 9. Kreuzigung Christi. Beerfelden, Pfarrkirche,
Fassadenfenster O I. Zustand um 1890.
ben, zwey herrschaftliche Wappen und einen Christum am Kreuze vorstellend (s. Reg. Nr. 7), am folgenden Tag aus-
bauen10. Ebendies rief großen Unmut in der Bevölkerung hervor, und alsbald kam es zu einem Aufruhr, der als »Beer-
feldener Fensterstreit« in die lokale Geschichte eingegangen ist11. Der Unmut der Bürger richtete sich zum einen gegen
Oberpfarrer Bartenstein, dem vorgeworfen wurde, die Scheiben ohne Einwilligung der Gemeinde weggegeben zu
haben, und den man deshalb für unwürdig hielt, weiterhin den Gottesdienst zu verrichten; zum anderen wurde Graf
Franz I. beschuldigt, die Kirche beraubt zu haben, und man forderte die Rückgabe der Fenster12. Während Bartenstein
sich schweren, bis ins Frühjahr 1807 andauernden Anfeindungen und wiederholten Störungen seiner Amtsgeschäfte
ausgesetzt sah13, gegen die auch vorübergehend in Beerfelden stationiertes Militär und kaiserliche Dekrete nichts aus-
zurichten vermochten und die erst ein Ende fanden, als die »Rädelsführer« in Darmstadt inhaftiert wurden, wurde die
Rückgabeforderung am 26. November 1804 - nach einer vergeblichen Eingabe beim Erbach-Fiirstenauischen Konsis-
dungen ist jedoch nicht zwingend vorauszusetzen, da es sich um ein im-
mobiles, mit dem Bau verbundenes Ausstattungsstück gehandelt hat.
8 Beerfelden, PfA, Pfarrchronik; zitiert nach Diehl 1935, S. 64.
9 Zu den Planungen Graf Franz’ I. zu Erbach-Erbach für den Park in
Eulbach s.u. S. 157.
D Vgl. den Bericht des Oberpfarrers Bartenstein vom 12. Sept. 1804;
Beerfelden, PfA, Best. 110.
11 Schon im 19. Jh. wurde dem Fall Beachtung geschenkt: Odenwälder
Zustände 1848 (s. Bibi.), S. 28-31; Aus dem Odenwalde, in: Morgen-
blatt für gebildete Leser 54, 1860, S. 1198. Wilhelm Diehl (1915) hat
die Ereignisse der Jahre i8o4ff. bisher am gründlichsten dargestellt,
sodass im Folgenden auf deren Nacherzählung verzichtet werden kann,
sofern das Fenster selbst nicht betroffen ist. Die in großem Umfang er-
haltenen Archivalien (Beerfelden, PfA, Best. 110; Darmstadt, HStA,
Best. G 23 C; Steinbach, Gräflich Erbach-Fürstenauisches Archiv,
Best. Tit. II, Vol. 84, Fasz. i-I-XV; Wien, Haus-, Hof- und Staats-
archiv, Best. Reichshofrat, Obere Registratur, Kt. 95) harren gleich-
wohl einer kritischen historischen Aufarbeitung. - Für ihre Hilfen bei
der Einsicht in die Akten und die Überlassung von Unterlagen danke
ich Frau Kreisarchivarin Anja Hering, Erbach, Frau Ute Löb, Beer-
felden, und Herrn Peter Schwinn, Beerfelden-Falken-Gesäß.
12 Bericht des Oberpfarrers Bartenstein vom 12. Sept. 1804 und
Schreiben vom 17. Sept. 1804; Beerfelden, PfA, Best. 110.
Vgl. hierzu die Sammlung der Briefe und Berichte Bartensteins
{Acten, die eigenmächtige Hinu’egnahme eines gemahlten Fensters in der
Pfarrkirche zu Beerfelden betr., 1804-180/); Beerfelden, PfA, Best. 110.
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Rundscheiben mit den Wappen Erbach-Bickenbach und Werden-
berg - zusammen mit der Kreuzigung Christi? - eingesetzt werden
konnten, und auch die für 1502/03 belegte Einrichtung mehrerer,
aufwändig zu begehender Jahrzeitgedächtnisse6, u.a. für Andreas
Pfot, spricht für einen raschen Baufortgang. Die Stiftung des Kreu-
zigungsfensters entweder durch den Patronatsherrn selbst oder
durch den Pfarrer bzw. durch Dritte aus den Mitteln der Pfot’schen
Zuwendungen dürfte deshalb wahrscheinlich sein7.
Die älteste, wenig präzise Nachricht über die Verglasung der Beer-
feldener Pfarrkirche stammt aus der zweiten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts. Nach dem Einsturz eines der beiden Türme des mittel-
alterlichen Baues, bei dem sich die Spitze mit dem Kreuze unten in
das mittelste Fenster des Chors gebohrt hatte, wurde die Kirche
in den Jahren 1767-1769 renoviert, u.a. mit dem Ziel, ihr mehre-
res Licht zu schaffen3. Wie der Wortlaut vermuten lässt, war schon
diese Renovierung mit Verlusten von Teilen der alten Farbvergla-
sung verbunden. Sie ging - mit Ausnahme der Kreuzigung Christi
und zweier Wappenscheiben - restlos verloren, als der Bau am
29. April 1810 im großen Brand von Beerfelden unterging. Die er-
wähnten Scheiben befanden sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Er-
bach. NachdemGrafFranz I.zuErbach-ErbachandenErbach-
Fürstenauischen Kanzleidirektor Ludwig Friedrich Seeger den
Wunsch gerichtet hatte, für ein Gebäude in Eulbach die alten ge-
mahlten Fenster aus den hierländischen Kirchen zu erhalten (s.
Reg. Nr. $)9, erging an den Oberpfarrer von Beerfelden, Anton
Jakob Bartenstein, am 6. September 1804 die Weisung, diejenigen
herrschaftl(ichen) Glasmahlereien welche sich an den Fenstern der
Kirche zu Beerfelden befinden, an den Grafen abzugeben (s. Reg.
Nr. 6). Bartenstein widersetzte sich dem nicht und ließ die Schei-
Fig. 9. Kreuzigung Christi. Beerfelden, Pfarrkirche,
Fassadenfenster O I. Zustand um 1890.
ben, zwey herrschaftliche Wappen und einen Christum am Kreuze vorstellend (s. Reg. Nr. 7), am folgenden Tag aus-
bauen10. Ebendies rief großen Unmut in der Bevölkerung hervor, und alsbald kam es zu einem Aufruhr, der als »Beer-
feldener Fensterstreit« in die lokale Geschichte eingegangen ist11. Der Unmut der Bürger richtete sich zum einen gegen
Oberpfarrer Bartenstein, dem vorgeworfen wurde, die Scheiben ohne Einwilligung der Gemeinde weggegeben zu
haben, und den man deshalb für unwürdig hielt, weiterhin den Gottesdienst zu verrichten; zum anderen wurde Graf
Franz I. beschuldigt, die Kirche beraubt zu haben, und man forderte die Rückgabe der Fenster12. Während Bartenstein
sich schweren, bis ins Frühjahr 1807 andauernden Anfeindungen und wiederholten Störungen seiner Amtsgeschäfte
ausgesetzt sah13, gegen die auch vorübergehend in Beerfelden stationiertes Militär und kaiserliche Dekrete nichts aus-
zurichten vermochten und die erst ein Ende fanden, als die »Rädelsführer« in Darmstadt inhaftiert wurden, wurde die
Rückgabeforderung am 26. November 1804 - nach einer vergeblichen Eingabe beim Erbach-Fiirstenauischen Konsis-
dungen ist jedoch nicht zwingend vorauszusetzen, da es sich um ein im-
mobiles, mit dem Bau verbundenes Ausstattungsstück gehandelt hat.
8 Beerfelden, PfA, Pfarrchronik; zitiert nach Diehl 1935, S. 64.
9 Zu den Planungen Graf Franz’ I. zu Erbach-Erbach für den Park in
Eulbach s.u. S. 157.
D Vgl. den Bericht des Oberpfarrers Bartenstein vom 12. Sept. 1804;
Beerfelden, PfA, Best. 110.
11 Schon im 19. Jh. wurde dem Fall Beachtung geschenkt: Odenwälder
Zustände 1848 (s. Bibi.), S. 28-31; Aus dem Odenwalde, in: Morgen-
blatt für gebildete Leser 54, 1860, S. 1198. Wilhelm Diehl (1915) hat
die Ereignisse der Jahre i8o4ff. bisher am gründlichsten dargestellt,
sodass im Folgenden auf deren Nacherzählung verzichtet werden kann,
sofern das Fenster selbst nicht betroffen ist. Die in großem Umfang er-
haltenen Archivalien (Beerfelden, PfA, Best. 110; Darmstadt, HStA,
Best. G 23 C; Steinbach, Gräflich Erbach-Fürstenauisches Archiv,
Best. Tit. II, Vol. 84, Fasz. i-I-XV; Wien, Haus-, Hof- und Staats-
archiv, Best. Reichshofrat, Obere Registratur, Kt. 95) harren gleich-
wohl einer kritischen historischen Aufarbeitung. - Für ihre Hilfen bei
der Einsicht in die Akten und die Überlassung von Unterlagen danke
ich Frau Kreisarchivarin Anja Hering, Erbach, Frau Ute Löb, Beer-
felden, und Herrn Peter Schwinn, Beerfelden-Falken-Gesäß.
12 Bericht des Oberpfarrers Bartenstein vom 12. Sept. 1804 und
Schreiben vom 17. Sept. 1804; Beerfelden, PfA, Best. 110.
Vgl. hierzu die Sammlung der Briefe und Berichte Bartensteins
{Acten, die eigenmächtige Hinu’egnahme eines gemahlten Fensters in der
Pfarrkirche zu Beerfelden betr., 1804-180/); Beerfelden, PfA, Best. 110.