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Gast, Uwe; Rauch, Ivo
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.52850#0090

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BÜTTELBORN • PFARRKIRCHE

89


Fig. 14. Büttelborn, Pfarrkirche. Grundriss des Chores
mit Fensterschemata. Maßstab 1:300.

Während die Geschichte des Baues gut erschlossen ist, ist
über seine mittelalterliche Verglasung nur wenig bekannt.
Einer ihrer Stifter, Klaus Waszmaut, war imjahr 1486 und
zum Zeitpunkt ihrer Entstehung Pfarrer in Pfungstadt
(s.u.). In welcher Verbindung er zur Kirche in Büttelborn
gestanden hat, geht aus den Quellen nicht hervor, sodass
der Anlass seiner - zweifellos für ihren heutigen Stand-
ort bestimmten1 2 3 - Stiftung im Dunkeln bleibt. Nach-
dem die Chorfenster im Zuge der Kirchenerneuerung
des 18. Jahrhunderts schon einmal komplett neu verglast
worden waren, erhielten sie im Jahr 1904 abermals eine
neue Verglasung; dabei wurden die drei erhaltenen Glas-
gemälde herausgenommen, die zerbrochenen bezw. feh-
lenden Gemäldetheile neu ersetzt und die 3 Felder ganz
neu verbleit (s. Reg. Nr. 10). Eine weitere, im Einzelnen

nicht dokumentierte Instandsetzung der Kirchenfenster soll 1952 durchgeführt worden sein. Als jüngste, in die späten
1970er- oder frühen I98oer-Jahre zu datierende Maßnahme ist die Anbringung eines technisch unzulänglichen Au-
ßenschutzes aus Acryl- oder Plexiglas zu nennen, der ein älteres Schutzgitter ersetzt hat4.

Erhaltung: Der Zustand der Scheiben, die innenseitig einen partiellen Abgang der Schwarz- und Braunlotmalerei,
außenseitig vergleichsweise starken Lochfraß auf den hellen Gläsern aufweisen, wird hauptsächlich durch den Verlust
des unteren Teils der Marienfigur und die Restaurierungsmaßnahmen von i9p(?) getrübt, zu deren Lasten einige
technisch wie künstlerisch minderwertige Ergänzungen der Christusfigur gehen dürften (Fig. 18, Abb. 12); störend
darüber hinaus die breite Verbleiung, die aus dem Jahr 1904 stammt und vermutlich in den Jahren nach dem Zweiten
Weltkrieg verzinnt wurde.
Rekonstruktion, ikonografisches Programm, Komposition: Wohl zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Ach-
senfenster des Chores zusammengeführt und in eine Butzenverglasung eingesetzt (vgl. Reg. Nr. io)5, sind die drei
Scheiben die letzten Reste der ehemaligen Farbverglasung der Kirche. Dass es sich dabei trotz nachweisbarer Ver-
luste (s. Anhang S. 93) nur um eine wenige Scheiben umfassende partielle Farbverglasung gehandelt haben kann, die
- in Analogie zur heutigen Situation und darin z.B. der Verglasung des Nebenchores der Pfarrkirche in Hochhausen
am Neckar verwandt6 - Heilige und Stifter innerhalb einer Blankverglasung gezeigt hat, legt zum einen das Fehlen
jeglicher architektonischer Rahmungen und ornamentaler Hintergründe, zum anderen das den Abmessungen der
ca. 56 x 40 cm großen Fensterfelder exakt angepasste Figurenmaß, vor allem des Gekreuzigten, nahe. In den jeweils
fünfzeiligen Fenstern des Chores besetzten die Figuren teils eine Fensterzeile, teils erstreckten sie sich, wie es für die

1 Eine aus der alten Kirche in den Neubau des 18.JI1. übernommene
Glocke trägt die Jahreszahl 1448; Scholz, Darmstadt, 1999, S. 26,
Nr. 38. Die Jahreszahl 1497 befindet sich - zusammen mit einem Stein-
metzzeichen, das in der Region oft begegnet - auf einem Wappenschild
im Chor. Raiss 1978 (s. Bibi.), S. 17, und Beeh-Lustenberger 1984,
S. 28, haben sie als »1457« gelesen, was laut Scholz, Darmstadt, 1999,
S. 65, Nr. 97, aus paläografischen Gründen nicht zutreffen kann. Folk-
hard Cremer hat sich der neuen Datierung angeschlossen; Dehio Hessen,
II, 2008, S. 121. Das Patrozinium des Baues wird erstmals imjahr 1557 er-
wähnt; Schenk zu Schweinsberg 1884, S. 627, ferner Wilhelm Diehl,
Die hessischen Landgrafen bzw. der hessische Staat und die evange-
lischen Pfarrpfründen, in: Hessische Chronik 19, 1932, S. 112-124
(Teil 1), hier S. 119, Nr. 35.-Zur jüngeren Baugeschichte s. Diehl 1931,
S. 2o6f., Raiss 1978 (s. Bibi.), S. 15 (Zitat), 17-25, und Schmidt 1993,1,
S. 97L,274.
2 Diehl 1931, S. 207; Raiss 1978 (s. Bibi.), S. 27; Wionski 2006
(s. Bibi.), S. 7.
2 Mit einer Übertragung der Scheiben aus Pfungstadt, dessen Pfarr-
kirche 1746-1748 neu erbaut wurde (Dehio Hessen, II, 2008, S. 667), an

ihren heutigen Standort ist im 18. Jh. nicht zu rechnen; in Büttelborn
sind sie zuerst im frühen 19. Jh. nachgewiesen (vgl. Anhang S. 93).
4 Zur Neuverglasung des 18.Jh. s. Büttelborn, Gemeindearchiv,
Abt. XII/6, Konv. 2, Fasz. 3, pag. 11. Zu der Maßnahme des Jahres 1904
s. Georg Wickop, in: JberDpflGH 1, 1902-1907, S. 34. Auf die Instand-
setzung 1952 wies mich freundlicherweise Frau Stefanie Ebenritter,
Darmstadt (EKHN), hin (7. Dez. 2004). - Bei der Restaurierung der
Kirche 1971-1973 wurde die Fa. Georg Grobbauer, Darmstadt, noch
mit dem Aus- und Wiedereinbau der Schutzgitter beauftragt; Büttel-
born, PfA. Bei Beeh-Lustenberger 1984, S. 24L, sind die Scheiben
bereits ohne Schutzgitter abgebildet. - Für Hilfe und Auskünfte danke
ich Herrn Dietmar Schamber, Büttelborn, und Herrn Gerhard Raiss
M.A., Eschborn.
5 Eine um 1900 entstandene Außenaufnahme des ehemaligen Kir-
chenchores lässt nicht genau erkennen, ob die drei Glasmalereien sich
schon zu dieser Zeit an ihrem heutigen Standort befunden haben;
s. Jean Raiss, Büttelborn. Bilder und Geschichten aus vergangenen
Tagen, Horb a. N. 1986, Abb. S. 21.
6 Becksmann 1979, S. 62-64, Abb. 74-77.
 
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