ANHANG: VERSCHOLLENE ODER VERLORENE GLASMALEREIEN
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in der zweiten Hälfte des 15. Jh. erlangte führende Stellung in-
nerhalb der Ganerbengemeinschaft unter Beweis stellte18.
Welche Fensterplätze die Glasgemälde einnahmen und wie
sie kompositorisch aufgebaut waren, ist den knappen Anga-
ben Helwichs nicht zu entnehmen. Ihm zufolge müssen die
Stifter, ihrem Familienstand entsprechend, entweder als Ein-
zelpersonen oder als Ehepaare dargestellt gewesen sein, z.T.
von ihren Kindern begleitet und mit ihren jeweiligen Famili-
enwappen versehen. Zwingende Hinweise auf zwei- oder drei-
bahnige Kompositionen und damit auf einen Standort im Chor
oder im Langhaus der Kirche ergeben sich daraus aber nicht,
selbst dann nicht, wenn man voraussetzt, dass auch Heilige als
Fürbitter dargestellt waren. Es lassen sich demnach keine An-
haltspunkte für eine Lokalisierung der vermutlich um 1480/90
entstandenen Scheiben gewinnen.
Was demgegenüber die künstlerische Herkunft der verlorenen
Bechtolsheimer Glasgemälde betrifft, besteht aus historischen
Gründen die Möglichkeit, dass sie aus derselben am Mittelrhein
tätigen Tafel- und Glasmaler-Werkstatt hervorgegangen waren
wie die Stifterscheiben aus Herrnsheim (Textabb. 27). Denn der
Bauherr der Herrnsheimer Kirche, Philipp I. von Dalberg, war
auch »Initiator« des Kirchenbaues in Bechtolsheim, und es hat
den Anschein, als habe man für Bau und Ausstattung hier wie
dort auf z.T. identische Kräfte zurückgegriffen19, so eventuell
auch bei der für die Verglasung zuständigen Werkstatt.
EHEMALS DARSBERG, KAPELLE
Bibliografie-. J. Schneider, Beiträge zur Geschichte Neckar-
steinachs und der Landschaden von Steinach, in: Alemannia
25, 1898, S. 63-81, hier S. 81 (erwähnt Reste mittelalterlicher
Glasmalerei in einem Chorfenster, »eine Madonna auf Glas ge-
brannt ohne Farben, nur in den Umrissen der Figur«, ferner
»ein Engelskopf und auf der anderen Seite eine Zimmeraxt«);
Wiegand 1913, S. 8 (im »Giebelfenster der Ostseite Bruchstü-
cke gotischer Glasmalerei«); Diehl 1935, S. 858 (zitiert ein 1927
erstelltes Gutachten des Denkmalpflegers Heinrich Walbe, in
dem es heißt, die »Reste alter Malerei [seien] sorgfältig aufzu-
Fig. 451. Ehemals Darsberg, Kapelle. Reste der Farbverglasung des
Chorfensters. 1939-1945 zerstört.
bewahren und an geeigneter Stelle wieder einzusetzen«); Karen
Delaplace, Die Darsberger Kapelle, in: FS 675 Jahre Darsberg
17. und 18. Juli 2004, o.O. 2004, S. 44-50, hier S. 45 (Erwäh-
nung).
Die vermutlich in der zweiten Hälfte des 15. Jh. erbaute, im
Wormser Synodale von 1496 erwähnte Kapelle gehörte zur
Pfarrkirche St. Cäcilia in Neckarsteinach und war dem Hl. Se-
bastian geweiht20. Der schlichte, auf rechteckigem Grundriss
errichtete Bau wurde 1742 nach Westen verlängert und erhielt
im Zuge dieser Erweiterung auch neue, rundbogige bzw. runde
Fenster auf seiner Nord- und Südseite. Mittelalterlich ist nur
mehr das Rechteckfenster im Osten. Es enthielt zu Beginn des
20. Jh. noch Fragmente mittelalterlicher Glasmalerei (Fig. 451)
- offenbar jene »Reste«, deren Erhaltung 1927 vonseiten der
Denkmalpflege gefordert wurde. Während des Zweiten Welt-
kriegs wurden sie durch Granatsplitter vollständig zerstört21.
Dank verschiedener Erwähnungen dieser Fragmente und einer
vor ihrer endgültigen Zerstörung entstandenen Fotografie lässt
sich von der Farbverglasung der Kapelle zumindest eine vage
Vorstellung gewinnen. Einer 1790 entstandenen Beschreibung
zufolge soll in dem Fenster hinter dem Altar ein Zimmermann
mit Spundaxt dargestellt gewesen sein; 183 5 wird eine Bildschei-
be der Landschaden erwähnt (s. Reg. Nr. nf.). Dementgegen
spricht Schneider 1898 von Darstellungen einer nur in den
Umrissen erhaltenen Madonna, eines Engelskopfes und einer
Zimmeraxt. Diesen Zustand gibt die Fotografie des Ostfensters
der Kapelle wieder: Zuseiten einer stehenden Heiligenfigur,
von der nur das Randblei und Teile des Nimbus erhalten waren,
sind außer einigen Stücken alten Farbglases die Reste zweier
betender Figuren sowie das Fragment eines Wappens mit einer
sog. Axt mit Hang und einem Winkelmaß zu erkennen.
Da letztere Gerätschaften als Insignien von Zimmerleuten
überliefert sind22, liegt die Vermutung nahe, dass die Vergla-
sung der Kapelle - die Ursprünglichkeit des Wappenfragments
vorausgesetzt - u.a. von einem oder mehreren Angehörigen
dieses Berufsstandes gestiftet wurde. Als weitere Fensterstif-
ter kommen die Landschaden von Steinach in Betracht, die das
Patronatsrecht in Darsberg zu Lehen hatten23. Dabei muss hin-
sichtlich der im Bild dargestellten Stifter offenbleiben, um wen
es sich handelte und ob sie in einem Zusammenhang mit der
Heiligenfigur - der Maria einer Kreuzigung Christi? - standen.
Der ebenso holzschnittartige wie naiv anmutende Zeichenstil
dieser Figuren erlaubt eine Datierung der verlorenen Fragmente
in die zweite Hälfte des 15. Jh.
19 Fischer 1962, S. 155.
Weech 1875, S. 401; Einsingbach 1969, I, S. 15Sf. (mit älterer Li-
teratur), II, Abb. 2i6f.; Dehio Hessen, II, 2008, S. 179. Sollte eine 1479
datierte Glocke in Worms (Museum der Stadt Worms im Andreasstift,
Inv. Nr. M 1399) ursprünglich aus Darsberg stammen, so wäre damit
ein weiterer Terminus ante quem für die Entstehungszeit der Kapel-
le gewonnen; zu dieser sowie einer weiteren Glocke aus Darsberg
s. Scholz, Bergstraße, 1994, S. 50, 6fi., Nr. 63, 84.
21 Hinweis von Dr. Otto Müller (f), Darmstadt.
22 Alfred Grenser, Zunft-Wappen und Handwerker-Insignien. Eine
Heraldik der Künste und Gewerbe, Frankfurt/M. 1889, S. 116; Gen-
sicke 1956, S. 324, Nr. 43!. (Axt bzw. Beil mit Hang); Friedrich Mös-
singer, Odenwälder Handwerkszeichen (Schriften für Heimatkunde
und Heimatpflege im Starkenburger Raum 26/27), Heppenheim 1961,
S. 42 (Winkelmaß). - Für Hinweise danke ich Lutz Ritter M.A., StA
Eberbach, und Prof. Dr. Friedrich K. Azzola, Trebur.
22 Langendörfer 1971, S. 112.
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in der zweiten Hälfte des 15. Jh. erlangte führende Stellung in-
nerhalb der Ganerbengemeinschaft unter Beweis stellte18.
Welche Fensterplätze die Glasgemälde einnahmen und wie
sie kompositorisch aufgebaut waren, ist den knappen Anga-
ben Helwichs nicht zu entnehmen. Ihm zufolge müssen die
Stifter, ihrem Familienstand entsprechend, entweder als Ein-
zelpersonen oder als Ehepaare dargestellt gewesen sein, z.T.
von ihren Kindern begleitet und mit ihren jeweiligen Famili-
enwappen versehen. Zwingende Hinweise auf zwei- oder drei-
bahnige Kompositionen und damit auf einen Standort im Chor
oder im Langhaus der Kirche ergeben sich daraus aber nicht,
selbst dann nicht, wenn man voraussetzt, dass auch Heilige als
Fürbitter dargestellt waren. Es lassen sich demnach keine An-
haltspunkte für eine Lokalisierung der vermutlich um 1480/90
entstandenen Scheiben gewinnen.
Was demgegenüber die künstlerische Herkunft der verlorenen
Bechtolsheimer Glasgemälde betrifft, besteht aus historischen
Gründen die Möglichkeit, dass sie aus derselben am Mittelrhein
tätigen Tafel- und Glasmaler-Werkstatt hervorgegangen waren
wie die Stifterscheiben aus Herrnsheim (Textabb. 27). Denn der
Bauherr der Herrnsheimer Kirche, Philipp I. von Dalberg, war
auch »Initiator« des Kirchenbaues in Bechtolsheim, und es hat
den Anschein, als habe man für Bau und Ausstattung hier wie
dort auf z.T. identische Kräfte zurückgegriffen19, so eventuell
auch bei der für die Verglasung zuständigen Werkstatt.
EHEMALS DARSBERG, KAPELLE
Bibliografie-. J. Schneider, Beiträge zur Geschichte Neckar-
steinachs und der Landschaden von Steinach, in: Alemannia
25, 1898, S. 63-81, hier S. 81 (erwähnt Reste mittelalterlicher
Glasmalerei in einem Chorfenster, »eine Madonna auf Glas ge-
brannt ohne Farben, nur in den Umrissen der Figur«, ferner
»ein Engelskopf und auf der anderen Seite eine Zimmeraxt«);
Wiegand 1913, S. 8 (im »Giebelfenster der Ostseite Bruchstü-
cke gotischer Glasmalerei«); Diehl 1935, S. 858 (zitiert ein 1927
erstelltes Gutachten des Denkmalpflegers Heinrich Walbe, in
dem es heißt, die »Reste alter Malerei [seien] sorgfältig aufzu-
Fig. 451. Ehemals Darsberg, Kapelle. Reste der Farbverglasung des
Chorfensters. 1939-1945 zerstört.
bewahren und an geeigneter Stelle wieder einzusetzen«); Karen
Delaplace, Die Darsberger Kapelle, in: FS 675 Jahre Darsberg
17. und 18. Juli 2004, o.O. 2004, S. 44-50, hier S. 45 (Erwäh-
nung).
Die vermutlich in der zweiten Hälfte des 15. Jh. erbaute, im
Wormser Synodale von 1496 erwähnte Kapelle gehörte zur
Pfarrkirche St. Cäcilia in Neckarsteinach und war dem Hl. Se-
bastian geweiht20. Der schlichte, auf rechteckigem Grundriss
errichtete Bau wurde 1742 nach Westen verlängert und erhielt
im Zuge dieser Erweiterung auch neue, rundbogige bzw. runde
Fenster auf seiner Nord- und Südseite. Mittelalterlich ist nur
mehr das Rechteckfenster im Osten. Es enthielt zu Beginn des
20. Jh. noch Fragmente mittelalterlicher Glasmalerei (Fig. 451)
- offenbar jene »Reste«, deren Erhaltung 1927 vonseiten der
Denkmalpflege gefordert wurde. Während des Zweiten Welt-
kriegs wurden sie durch Granatsplitter vollständig zerstört21.
Dank verschiedener Erwähnungen dieser Fragmente und einer
vor ihrer endgültigen Zerstörung entstandenen Fotografie lässt
sich von der Farbverglasung der Kapelle zumindest eine vage
Vorstellung gewinnen. Einer 1790 entstandenen Beschreibung
zufolge soll in dem Fenster hinter dem Altar ein Zimmermann
mit Spundaxt dargestellt gewesen sein; 183 5 wird eine Bildschei-
be der Landschaden erwähnt (s. Reg. Nr. nf.). Dementgegen
spricht Schneider 1898 von Darstellungen einer nur in den
Umrissen erhaltenen Madonna, eines Engelskopfes und einer
Zimmeraxt. Diesen Zustand gibt die Fotografie des Ostfensters
der Kapelle wieder: Zuseiten einer stehenden Heiligenfigur,
von der nur das Randblei und Teile des Nimbus erhalten waren,
sind außer einigen Stücken alten Farbglases die Reste zweier
betender Figuren sowie das Fragment eines Wappens mit einer
sog. Axt mit Hang und einem Winkelmaß zu erkennen.
Da letztere Gerätschaften als Insignien von Zimmerleuten
überliefert sind22, liegt die Vermutung nahe, dass die Vergla-
sung der Kapelle - die Ursprünglichkeit des Wappenfragments
vorausgesetzt - u.a. von einem oder mehreren Angehörigen
dieses Berufsstandes gestiftet wurde. Als weitere Fensterstif-
ter kommen die Landschaden von Steinach in Betracht, die das
Patronatsrecht in Darsberg zu Lehen hatten23. Dabei muss hin-
sichtlich der im Bild dargestellten Stifter offenbleiben, um wen
es sich handelte und ob sie in einem Zusammenhang mit der
Heiligenfigur - der Maria einer Kreuzigung Christi? - standen.
Der ebenso holzschnittartige wie naiv anmutende Zeichenstil
dieser Figuren erlaubt eine Datierung der verlorenen Fragmente
in die zweite Hälfte des 15. Jh.
19 Fischer 1962, S. 155.
Weech 1875, S. 401; Einsingbach 1969, I, S. 15Sf. (mit älterer Li-
teratur), II, Abb. 2i6f.; Dehio Hessen, II, 2008, S. 179. Sollte eine 1479
datierte Glocke in Worms (Museum der Stadt Worms im Andreasstift,
Inv. Nr. M 1399) ursprünglich aus Darsberg stammen, so wäre damit
ein weiterer Terminus ante quem für die Entstehungszeit der Kapel-
le gewonnen; zu dieser sowie einer weiteren Glocke aus Darsberg
s. Scholz, Bergstraße, 1994, S. 50, 6fi., Nr. 63, 84.
21 Hinweis von Dr. Otto Müller (f), Darmstadt.
22 Alfred Grenser, Zunft-Wappen und Handwerker-Insignien. Eine
Heraldik der Künste und Gewerbe, Frankfurt/M. 1889, S. 116; Gen-
sicke 1956, S. 324, Nr. 43!. (Axt bzw. Beil mit Hang); Friedrich Mös-
singer, Odenwälder Handwerkszeichen (Schriften für Heimatkunde
und Heimatpflege im Starkenburger Raum 26/27), Heppenheim 1961,
S. 42 (Winkelmaß). - Für Hinweise danke ich Lutz Ritter M.A., StA
Eberbach, und Prof. Dr. Friedrich K. Azzola, Trebur.
22 Langendörfer 1971, S. 112.