ANHANG: VERSCHOLLENE ODER VERLORENE GLASMALEREIEN
479
- eine kleine, wohl dreischiffige, vierjochige Halle mit Zwerch-
giebeln und -dächern (darin an die Stadtkirche zu Babenhausen
erinnernd), ferner mit einem das Schiff überragenden Chor und
hohem, mehrgeschossigem Westturm32 - wurde nach einem
Brand 1634 in veränderter Gestalt wieder aufgebaut, später,
1867-1870, wurde sein Langhaus noch einmal neu errichtet,
sodass bei den schweren Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg
(1943/44) nur der Chor und die unteren Geschosse des Turmes
noch mittelalterlich waren33. Ersterer erscheint auf Aufnahmen
aus der Nachkriegszeit als leicht länglicher Baukörper mit 5/8-
Schluss und einheitlich zweibahnigen, mehrzeiligen Fenstern34,
die aufgrund ihrer Maßwerkformen eine Datierung des Chores
um 1450/1500 nahelegen. 1954/55 wurde die Kirche nach Plänen
von Karl Gruber weitgehend neu erbaut; Fundstücke ihrer ehe-
maligen Farbverglasung wurden für das Maßwerkfenster des
Westportals wiederverwendet, wo sie bis 2007 in eine Blank-
verglasung der t95oer-Jahre integriert waren (Fig. 45z)35.
Es handelt sich um insgesamt 30 verschiedenfarbige Scherben,
von denen etwa zwei Drittel mittelalterlich sind, während der
Rest aus dem 19. Jh. stammt. Die von Lochfraß gezeichneten
mittelalterlichen Stücke bestehen aus blauem, gelbem und grü-
nem, nur z.T. bemaltem Glas und weisen eine maximale Größe
von 6x4 cm auf. Ihr ursprünglicher Standort dürfte im Chor
zu suchen sein, der von größeren baulichen Veränderungen
verschont geblieben war; unbekannt ist, was für Glasmalereien
er enthielt: Die Scherben lassen sich lediglich als Fragmente
von Ornamenten oder Architekturdarstellungen deuten. Da-
bei spricht ihre mutmaßliche Herkunft aus dem Chor für eine
Entstehung der weitgehend verlorenen Glasmalereien in der
2. Hälfte des 15. Jh.
EHEMALS LÄMMERSPIEL, PFARRKIRCHE ST. LUCIA
Unpubliziert.
Wenige Jahre vor dem Abriss der alten Kirche in dem bei Mühl-
heim am Main gelegenen Ort Lämmerspiel gab es in dem Bau
noch zwei Glasgemälde, die angeblich einen Herrn von Epp-
Naclilass HabeLConrady überliefertes Steinmetzzeichen (Wiesbaden,
HHStA, Best. 1163, Nr. 796), das in verschiedenen Kirchenbauten der
Region begegnet, z.B. in Armsheim, Arheiligen und Büttelborn, fer-
ner in Kiedrich und Rauenthal. Neuerdings wird es mit dem öster-
reichischen Baumeister Wolfgang Tenc identifiziert, was jedoch wenig
wahrscheinlich ist. - 1478 bat Heinrich Mosbach, Amtmann zu Au-
erbach, die Stadt Frankfurt um Zollfreiheit für Quader zum Bau der
Kirche; Reg. Katzenelnbogen, II, 1954, S. 1666, Nr. 5975.
32 Wilhelm Scheffern genandt Dilich, Hessische Chronica, Cassel
1605 (Faksimile Kassel 1961), Abb. nach S. 36; Topographia Hassiae
1655, Abb. zu S. 42.
33 Vgl. die Beschreibung von W(ilhelm) Franck, Kunstgeschichtliche
Miscellen und Anregungen, in: AHG 10, 1863/64, S. 166-173, hier
S. 169!. Der Chor scheint demnach schon in den 1650er-Jahren sein
Gewölbe eingebüßt zu haben. Siehe im Weiteren Diehl 1931, S. 100,
und Dehio Hessen, II, 2008, S. 381.
34 Bildarchiv Foto Marburg, Neg. Nr. 1.674.934!.
33 Freundlicher Hinweis von Pfarrer Stefan Fischbach, Oberneisen,
der den Verf. im Frühjahr 2003 auf die Existenz der Verglasungsreste
aufmerksam machte. Anlässlich der Neugestaltung des Fensters durch
Felix Hulbert, Eltville, wurden sie entfernt und deponiert.
36 Zu den kirchlichen Verhältnissen s. Demandt 1966, S. 127, Nr. 132;
zum Übergang an Mainz s. Regina Schäfer, Die Herren von Epp-
stein. Herrschaftsausübung, Verwaltung und Besitz eines Hochadels-
Stein und den Hl. Antonius darstellten (vgl. Reg. Nr. 30). Da
der Ort sich bis zum Jahr 1425 als Zubehör zu Steinheim im
Besitz der Herren von Eppstein befand und diese das Kirchen-
patronat innehatten36, müssen die Glasgemälde vor dem da-
mals erfolgten Verkauf an den Mainzer Erzbischof Konrad III.
von Dhaun entstanden sein. Sie gingen verloren, als die der
Hl. Lucia geweihte alte Kirche durch einen 1847 vollendeten,
inzwischen mehrmals erweiterten und umgestalteten Neubau
ersetzt wurde37.
EHEMALS MAINZ, DOM
Bibliografie: Joannis 1722, S. 53E (Erwähnung des Bonifatius-
Fensters mit schematischer Abbildung der Aufteilung); Fio-
rillo, I, 1815, S. 344 (Erwähnung ebendieses Fensters mit dem
»Bildniß des heil. Bonifazius, und um ihn die Namen aller von
dem Mainzer Erzbischof abhangenden Sufraganeaten«); Franz
Werner, Der Dom von Mainz und seine Denkmäler, III, Mainz
1836, S. Xf., Anm. *) (Hinweis auf die Überlieferung bei Bour-
don: in den Kapellen ehemals »sehr trefflich gemahlte Fenster«,
die zu unbekannter Zeit entfernt wurden); Schaab, II, 1844,
S. 74 (Renovierung des Domes 1757 unter Ebf. Johann Fr. K.
von Ostein: »Alle gemalten, wenn auch beschädigten Fenster,
welche zum Theil Scenen der mainzer Geschichte darstellten,
wurden zur Schande der Zeit weggenommen und verschleu-
dert«); (Franz) F(al)k, Verschollene und vernichtete Kunst-
werke des Mittelalters in Mainz, in: Kirchenschmuck 24, 1868,
S. 52-54, hier S. 53 (zitiert Gamans; s. Reg. Nr. 31); Schmitz
1913, I, S. 249E (zitiert Bourdon; s. Reg. Nr. 32); Kautzsch/
Neeb 1919, S. 167E (Beseitigung alter gemalter Fenster bereits
in der Zeit des Barock, weitere Zerstörungen 1767, 1793 sowie
1857; Auflistung der von Bourdon erwähnten Glasmalereien);
Fritz Arens, BonifatiusdarStellungen am Mittelrhein, in: St.
Bonifatius. Gedenkgabe zum zwölf hundertjährigen Todestag,
Fulda 1954, S. 586-612, hier S. 591 (Erwähnung des verlorenen
Bonifatius-Fensters); Arens 1958, S. 41E, 78-82, 336k, Nr. 38,
114, 636k (Auflistung derjenigen Fenster im Dom, die schrift-
lichen Quellen zufolge Glasgemälde mit Inschriften aufwiesen);
Hess 1999, S. 36, 40E, 229, 31 if. (rekonstruiert für den Ostchor
eine Farbverglasung mit einem Vita-Christi-Zyklus, von dem
Reste in Wiesbaden erhalten seien; wertet die Chorverglasung
der Gelnhausener Marienkirche als Reflex der untergegan-
genen Westchorverglasung); Gast 2001, S. 565-567 (weist auf
verschiedene Probleme der von Hess 1999 vorgeschlagenen
Rekonstruktion der Ostchorverglasung hin; Erwähnung einer
1724 publizierten Ansicht des Westchores, auf der in der Achse
ein Fenster mit Medaillons zu erkennen sei); Rüdiger Fuchs,
Britta Hedtke und Susanne Kern, Mainz Nr. 42, in: www.
inschriften.net, urn:nbn:de:o238-dioo2mzookooo42o9 (Neu-
bearbeitung der Inschriften, die von verschiedenen Autoren
in einem Fenster mit der Standfigur des Hl. Bonifatius in der
Dionysius-Kapelle bzw. der benachbarten Allerheiligenkapelle
erwähnt werden; Datierung um 1316-1344).
geschlechts im Spätmittelalter (Veröffentlichungen der Historischen
Kommission für Nassau 68), Wiesbaden 2000, S. 366!. mit Anm. 1.
37 Zur Baugeschichte s. Georg Schäfer, Provinz Starkenburg. Kreis
Offenbach (Kunstdenkmäler im Großherzogthum Hessen), Darmstadt
1885, S. 110. - Die jüngere Baugeschichte ist auf der Internetseite der
Pfarrgemeinde dokumentiert (www.stlucia-online.de [06.07.2008]).
38 Arens 1961, S. 409-440; Friedrich Oswald, in: Vorromanische
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- eine kleine, wohl dreischiffige, vierjochige Halle mit Zwerch-
giebeln und -dächern (darin an die Stadtkirche zu Babenhausen
erinnernd), ferner mit einem das Schiff überragenden Chor und
hohem, mehrgeschossigem Westturm32 - wurde nach einem
Brand 1634 in veränderter Gestalt wieder aufgebaut, später,
1867-1870, wurde sein Langhaus noch einmal neu errichtet,
sodass bei den schweren Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg
(1943/44) nur der Chor und die unteren Geschosse des Turmes
noch mittelalterlich waren33. Ersterer erscheint auf Aufnahmen
aus der Nachkriegszeit als leicht länglicher Baukörper mit 5/8-
Schluss und einheitlich zweibahnigen, mehrzeiligen Fenstern34,
die aufgrund ihrer Maßwerkformen eine Datierung des Chores
um 1450/1500 nahelegen. 1954/55 wurde die Kirche nach Plänen
von Karl Gruber weitgehend neu erbaut; Fundstücke ihrer ehe-
maligen Farbverglasung wurden für das Maßwerkfenster des
Westportals wiederverwendet, wo sie bis 2007 in eine Blank-
verglasung der t95oer-Jahre integriert waren (Fig. 45z)35.
Es handelt sich um insgesamt 30 verschiedenfarbige Scherben,
von denen etwa zwei Drittel mittelalterlich sind, während der
Rest aus dem 19. Jh. stammt. Die von Lochfraß gezeichneten
mittelalterlichen Stücke bestehen aus blauem, gelbem und grü-
nem, nur z.T. bemaltem Glas und weisen eine maximale Größe
von 6x4 cm auf. Ihr ursprünglicher Standort dürfte im Chor
zu suchen sein, der von größeren baulichen Veränderungen
verschont geblieben war; unbekannt ist, was für Glasmalereien
er enthielt: Die Scherben lassen sich lediglich als Fragmente
von Ornamenten oder Architekturdarstellungen deuten. Da-
bei spricht ihre mutmaßliche Herkunft aus dem Chor für eine
Entstehung der weitgehend verlorenen Glasmalereien in der
2. Hälfte des 15. Jh.
EHEMALS LÄMMERSPIEL, PFARRKIRCHE ST. LUCIA
Unpubliziert.
Wenige Jahre vor dem Abriss der alten Kirche in dem bei Mühl-
heim am Main gelegenen Ort Lämmerspiel gab es in dem Bau
noch zwei Glasgemälde, die angeblich einen Herrn von Epp-
Naclilass HabeLConrady überliefertes Steinmetzzeichen (Wiesbaden,
HHStA, Best. 1163, Nr. 796), das in verschiedenen Kirchenbauten der
Region begegnet, z.B. in Armsheim, Arheiligen und Büttelborn, fer-
ner in Kiedrich und Rauenthal. Neuerdings wird es mit dem öster-
reichischen Baumeister Wolfgang Tenc identifiziert, was jedoch wenig
wahrscheinlich ist. - 1478 bat Heinrich Mosbach, Amtmann zu Au-
erbach, die Stadt Frankfurt um Zollfreiheit für Quader zum Bau der
Kirche; Reg. Katzenelnbogen, II, 1954, S. 1666, Nr. 5975.
32 Wilhelm Scheffern genandt Dilich, Hessische Chronica, Cassel
1605 (Faksimile Kassel 1961), Abb. nach S. 36; Topographia Hassiae
1655, Abb. zu S. 42.
33 Vgl. die Beschreibung von W(ilhelm) Franck, Kunstgeschichtliche
Miscellen und Anregungen, in: AHG 10, 1863/64, S. 166-173, hier
S. 169!. Der Chor scheint demnach schon in den 1650er-Jahren sein
Gewölbe eingebüßt zu haben. Siehe im Weiteren Diehl 1931, S. 100,
und Dehio Hessen, II, 2008, S. 381.
34 Bildarchiv Foto Marburg, Neg. Nr. 1.674.934!.
33 Freundlicher Hinweis von Pfarrer Stefan Fischbach, Oberneisen,
der den Verf. im Frühjahr 2003 auf die Existenz der Verglasungsreste
aufmerksam machte. Anlässlich der Neugestaltung des Fensters durch
Felix Hulbert, Eltville, wurden sie entfernt und deponiert.
36 Zu den kirchlichen Verhältnissen s. Demandt 1966, S. 127, Nr. 132;
zum Übergang an Mainz s. Regina Schäfer, Die Herren von Epp-
stein. Herrschaftsausübung, Verwaltung und Besitz eines Hochadels-
Stein und den Hl. Antonius darstellten (vgl. Reg. Nr. 30). Da
der Ort sich bis zum Jahr 1425 als Zubehör zu Steinheim im
Besitz der Herren von Eppstein befand und diese das Kirchen-
patronat innehatten36, müssen die Glasgemälde vor dem da-
mals erfolgten Verkauf an den Mainzer Erzbischof Konrad III.
von Dhaun entstanden sein. Sie gingen verloren, als die der
Hl. Lucia geweihte alte Kirche durch einen 1847 vollendeten,
inzwischen mehrmals erweiterten und umgestalteten Neubau
ersetzt wurde37.
EHEMALS MAINZ, DOM
Bibliografie: Joannis 1722, S. 53E (Erwähnung des Bonifatius-
Fensters mit schematischer Abbildung der Aufteilung); Fio-
rillo, I, 1815, S. 344 (Erwähnung ebendieses Fensters mit dem
»Bildniß des heil. Bonifazius, und um ihn die Namen aller von
dem Mainzer Erzbischof abhangenden Sufraganeaten«); Franz
Werner, Der Dom von Mainz und seine Denkmäler, III, Mainz
1836, S. Xf., Anm. *) (Hinweis auf die Überlieferung bei Bour-
don: in den Kapellen ehemals »sehr trefflich gemahlte Fenster«,
die zu unbekannter Zeit entfernt wurden); Schaab, II, 1844,
S. 74 (Renovierung des Domes 1757 unter Ebf. Johann Fr. K.
von Ostein: »Alle gemalten, wenn auch beschädigten Fenster,
welche zum Theil Scenen der mainzer Geschichte darstellten,
wurden zur Schande der Zeit weggenommen und verschleu-
dert«); (Franz) F(al)k, Verschollene und vernichtete Kunst-
werke des Mittelalters in Mainz, in: Kirchenschmuck 24, 1868,
S. 52-54, hier S. 53 (zitiert Gamans; s. Reg. Nr. 31); Schmitz
1913, I, S. 249E (zitiert Bourdon; s. Reg. Nr. 32); Kautzsch/
Neeb 1919, S. 167E (Beseitigung alter gemalter Fenster bereits
in der Zeit des Barock, weitere Zerstörungen 1767, 1793 sowie
1857; Auflistung der von Bourdon erwähnten Glasmalereien);
Fritz Arens, BonifatiusdarStellungen am Mittelrhein, in: St.
Bonifatius. Gedenkgabe zum zwölf hundertjährigen Todestag,
Fulda 1954, S. 586-612, hier S. 591 (Erwähnung des verlorenen
Bonifatius-Fensters); Arens 1958, S. 41E, 78-82, 336k, Nr. 38,
114, 636k (Auflistung derjenigen Fenster im Dom, die schrift-
lichen Quellen zufolge Glasgemälde mit Inschriften aufwiesen);
Hess 1999, S. 36, 40E, 229, 31 if. (rekonstruiert für den Ostchor
eine Farbverglasung mit einem Vita-Christi-Zyklus, von dem
Reste in Wiesbaden erhalten seien; wertet die Chorverglasung
der Gelnhausener Marienkirche als Reflex der untergegan-
genen Westchorverglasung); Gast 2001, S. 565-567 (weist auf
verschiedene Probleme der von Hess 1999 vorgeschlagenen
Rekonstruktion der Ostchorverglasung hin; Erwähnung einer
1724 publizierten Ansicht des Westchores, auf der in der Achse
ein Fenster mit Medaillons zu erkennen sei); Rüdiger Fuchs,
Britta Hedtke und Susanne Kern, Mainz Nr. 42, in: www.
inschriften.net, urn:nbn:de:o238-dioo2mzookooo42o9 (Neu-
bearbeitung der Inschriften, die von verschiedenen Autoren
in einem Fenster mit der Standfigur des Hl. Bonifatius in der
Dionysius-Kapelle bzw. der benachbarten Allerheiligenkapelle
erwähnt werden; Datierung um 1316-1344).
geschlechts im Spätmittelalter (Veröffentlichungen der Historischen
Kommission für Nassau 68), Wiesbaden 2000, S. 366!. mit Anm. 1.
37 Zur Baugeschichte s. Georg Schäfer, Provinz Starkenburg. Kreis
Offenbach (Kunstdenkmäler im Großherzogthum Hessen), Darmstadt
1885, S. 110. - Die jüngere Baugeschichte ist auf der Internetseite der
Pfarrgemeinde dokumentiert (www.stlucia-online.de [06.07.2008]).
38 Arens 1961, S. 409-440; Friedrich Oswald, in: Vorromanische