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Gast, Uwe; Rauch, Ivo
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.52850#0491

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ANHANG: VERSCHOLLENE ODER VERLORENE GLASMALEREIEN

49°
nauso jene mittelalterlichen Glasmalereien, die 1842-1844 zur
Verglasung der Fenster im Westchor angeschafft worden waren
(Textabb. 4)88, u.a. aus dem Museum in Darmstadt. Nachdem
der baufällige Westchor im frühen 20. Jh. grundlegend reno-
viert worden war und eine moderne Verglasung erhalten soll-
te89, wurde das Konvolut mittelalterlicher Glasmalereien 1930
nach Darmstadt ab- bzw. zurückgegeben (s. S. 95).
EHEMALS WORMS, AUGUSTINER-CHORHERREN-
STIFT KIRSCHGARTEN
Bibliografie-. Kranzbühler 1905, S. 103 (Erwähnung von Gla-
ser- und Glasmalerarbeiten in den i46oer-Jahren); Weissen-
berger 1937, S. 75, 77 (Zusammenfassung der von Kranzbüh-
ler 1905 publizierten Quellen).
Ein in den I22oer-Jahren(?) gegründetes, 1236 erstmals er-
wähntes, südwestlich der Stadt am Eisbach gelegenes Zister-
zienserinnenkloster wurde infolge einer schweren finanziellen
und auch personellen Krise in den i42o/3oer-Jahren aufge-
geben. Die Klostergebäude wurden 1443 von Windesheimer
Chorherren neu besiedelt und in der zweiten Hälfte des 15. Jh.
nach und nach erneuert, wovon das Einnahme- und Ausgabe-
buch des Priors für die Jahre 1460-1504 beredt Zeugnis gibt90.
Einige Ausgaben betrafen die Erneuerung bzw. die Neuver-
glasung von Fenstern, so u.a. 1460 und 1461 die Fenster über
der neuen Sakristei, in der neuen Kapitelstube, im Refektori-
um, usw. (s. Reg. Nr. 84). Handelte es sich dabei vermutlich
um Blankverglasungen, so lässt die 1464 erfolgte Stiftung eines
Rabanus von Monzingen(?) in Höhe von sieben Pfund (Hel-
ler) für ein Fenster im Kreuzgang ebenso auf verlorene Glas-
malereien schließen wie die 1465 belegte Ausgabe von sieben
Pfund (Heller) für ein letztes, vielleicht auch den Kreuzgang

betreffendes Fenster, an dem die Glasermeister Johannes (f)
und Kirstmann91 sowie der Maler Mat(t)h(ia)s (f) beteiligt wa-
ren, Letzterer mit einem Bild des Gekreuzigten (s. Reg. Nr. 84).
Zwei kleine Ausgabeposten für den Transport von Fenstern aus
Speyer (1494) und für gemalte Gläser (1501) könnten mit der
damals aktuellen Neuausstattung der Klosterkirche in Verbin-
dung gestanden haben (s. ebenfalls Reg. Nr. 84).
Während des Bauernkrieges 1525 ließ die Stadt Worms das
Kloster aus militärischen Gründen räumen und von Bewaff-
neten besetzen, bis es im weiteren Verlauf des Krieges völlig
zerstört wurde.
EHEMALS WORMS, RATHAUS
Bibliografie: Fritz Reuter, Peter und Johann Friedrich
Hamman. Handzeichnungen von Worms aus der Zeit vor und
nach der Stadtzerstörung 1689 im »Pfälzischen Erbfolgekrieg«,
Worms 1989, S. 64L (Beschreibung und Abb. einer Zeichnung
Peter Hammans, die einen Blick in die Kaiserstube wiedergibt).
Das Rathaus der Stadt Worms, auch Bürgerhof genannt, bestand
aus einem Gebäudekomplex, der hinter der Münze am Markt
lag. In ihm befand sich u.a. die »Kaiserstube«, ein nach Wes-
ten ausgerichteter, auf drei Seiten mit zweibahnigen Fenstern
versehener Saal, in dem offenbar Versammlungen des Reichs
abgehalten bzw. Reichssachen betreffende Verhandlungen vor-
genommen wurden92. Die mit Butzen verglasten Fenster waren
mit je einem Paar Rundscheiben geschmückt, bei denen es sich
um Wappen von Kaiser, Kurfürsten und übrigen Reichsstän-
den gehandelt haben könnte. Wann sie eingesetzt worden sind,
ist nicht bekannt; die Ausstattung des Saals lässt auf das frühe
16. Jh. schließen. Das Rathaus ging 1689 bei der Zerstörung der
Stadt im Pfälzischen Erbfolgekreg zugrunde.

88 Friedrich M. Illert, in: Kautzsch 1938,1, S. 48.
89 Vgl. hierzu Klaus Rheidt, Der Westteil des Wormser Domes. Bau-
grund- und Fundamentschwächen eines mittelalterlichen Großbaues.
Historische Sicherungskonzepte und -maßnahmen, in: Kleine Beiträ-
ge zur Geschichte von Baukonstruktion und Bautechnik (Materialien
zu Bauforschung und Baugeschichte 1), Karlsruhe 1990, S. 14-42, bes.
S. 3 8ff. Die Verglasung der späten 1930er-Jahre wurde nach einem
Entwurf von Dominikus Böhm ausgeführt; s. dessen Beitrag in: Der
Wormsgau 2/6, 1942, S. 335-337.
90 Kranzbühler 1905, S. 166-170, Anlage V. Zur Geschichte des
Baues und seiner Ausstattung s. ebd., S. 102-104, und Weissenberger
1937, S. 63, 75-77. Zusammenfassend zuletzt Gerold BÖNNEN/Joachim

Kemper, Das geistliche Worms: Stifte, Klöster, Pfarreien und Hospi-
täler bis zur Reformation, in Bönnen 2005, S. 631-734, hier S. 709!.,
718, 72of.
91 Zu magister kirstman vgl. auch Hotz 1956, S. 310. Die dort ver-
mutete Identität mit dem Maler Christmann in Heidelberg ist nicht zu
belegen.
92 Zur »Kaiserstube« s. Irene Spille, Rathäuser im Rhein-Main-Neck-
ar-Raum bis 1800 (Quellen und Forschungen zur hessischen Geschich-
te 62), Darmstadt/Marburg 1985,8. 53, 55t. Zur möglichen Nutzung des
Raumes vgl. Jost Hausmann, Die Städte des Reichskammergerichts, in:
Fern vom Kaiser. Städte und Stätten des Reichskammergerichts, hrsg.
von Jost Hausmann, Köln/Weimar/Wien 1995, S. 10.
 
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