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Hess, Daniel
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet: Hessen und Rheinhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,2: Berlin: Dt. Verl. für Kunstwiss., 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52864#0052
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KÜNSTLERISCHE ZUSAMMENHÄNGE UND ENTWICKLUNGEN

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26. Ornamentfeld mit Sechspaßrosette. Haina, Zister-
zienserklosterkirche, Lhs. NORD XV.
Haina, zweites Viertel 14. Jh.
25, 27. Ornamentfelder mit Sechs- bzw.Vierpaßrosetten.
Kupferstich nach Moller, 1821. Ehemals Grünberg,
Pfarrkirche. Mittelrhein/Hessen, zweites Viertel 14. Jh.


gehört, sind sowohl die monumentalen Chorfenster im Kloster Eberbach als auch die gesamte Verglasung seiner Süd-
kapellen restlos verloren.
Unter den lückenhaft erhaltenen Beständen der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts spielen Ornamentscheiben eine
besondere Rolle. Im Gegensatz zum älteren Typus einer Gesamtverglasung mit figürlich betonten Achsen und orna-
mentalen Langchorfenstern, wie er um 1240 in Marburg faßbar wird, dürften die Ornamentscheiben wie in vielen
oberrheinisch-schweizerischen Verglasungen des 14. Jahrhunderts in Kombination mit Figurentabernakeln Verwen-
dung gefunden haben; sie dienten dabei der dekorativen Füllung der verbleibenden Fensterfläche68. Die in Friedberg
und im Frankfurter Domchor auftretenden, von großen Medaillonformen beherrschten bunten Teppichmuster bezo-
gen ihre wichtigsten Anregungen offenbar aus der Ornamentverglasung des Zisterzienserklosters Haina69. Dort fin-
den sich nicht nur die einfachen, übereinanderstehenden Vierblattrosetten, sondern auch die großen Blattkreise (Text-
abb. 26) sowie weitere, in den Katalogtexten zu Frankfurt und Friedberg aufgeführte vorbildliche Muster. In diesen
Kontext gehören auch die im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts anzusetzenden, nur in Stichen überlieferten Orna-
mentscheiben aus der 1816 eingestürzten Stadtkirche von Grünberg im Kreis Gießen (Textabb. 25, 27)70.
Für die Langlebigkeit und damit verbundene geringe Variationsbreite einzelner Ornamentmuster ist die Langhausver-
glasung der Valentinskirche in Kiedrich (Abb. 214L, 220) ein eindrückliches Beispiel: Wie der architektonische Aufriß
der Figurentabernakel (Farbtaf. XXIX, Abb. 215) greifen die Muster auf ältere Vorbilder zurück, wie sie etwa in
Friedberg (Abb. 123, 289) überliefert sind. Die durch die Baugeschichte bedingte späte Datierung der Kiedricher Ver-
glasung um 1370 mag zunächst irritieren, läßt doch der Stil einzelner Figuren erst einmal an Werke der dreißiger Jahre
denken. Mit Berücksichtigung der oben erwähnten retrospektiven Werke der vierzigerJahre aus Dausenau und Lim-
burg sowie der um 1360/70 entstandenen Ostchorverglasung der Klosterkirche in Arnstein (Textabb. 20), schließen
die Kiedricher Glasgemälde jedoch nahtlos an diese Werke an (s. S. 266). Die dabei zum Ausdruck kommende künst-

68 Zu den verschiedenen Typen figürlich-ornamentaler Gesamtvergla-
sungen vgl. jetzt Hartmut Scholz, in: Kat. Ausst. Köln 1998, S. 55 — 59-
69 Eine umfassende Bearbeitung dieses bedeutenden, seit einigen Jahren
in Restaurierung befindlichen Bestands steht noch immer aus; vgl. des-
halb vorläufig Michler, 1984, S. 317L, Abb. 124h
70 Vgl. Moller, 1821, S. 41, Taf. XXX, der die dezente und sparsame
Farbigkeit, die »meisterhafte« Zeichnung und vortreffliche Erhaltung
dieser Glasgemälde hervorhob. Zu den Glasgemälden vgl. ferner Hein-

rich Walbe, Die Kunstdenkmäler des Kreises Gießen, I, Darmstadt
1938, S. 204, Abb. 217. Sie sind offenbar erst im Anschluß an die Haupt-
altarweihe von 1313 entstanden, auch wenn dieses Datum nach Rein-
hard Lambert Auer, in: Kat. Ausst. 700 Jahre Elisabethkirche in
Marburg 1283-1983, 1, Marburg 1983, S. 196E, den Abschluß des
Hallenlanghauses markieren soll. Nach Walbe, S. 199, war das Langhaus
allerdings erst gegen Mitte des 14. Jh. vollendet.
 
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