FRANKENBERG • LIEBFRAUENKIRCHE
3. Dagegen entstammt die Rundscheibe mit Pelikan
einem anderen Kontext (Abb. 38). Es handelt sich wohl
um den Maßwerkrest eines Passionsfensters, das sich im
Langhaus befunden haben könnte. Die bessere zeichne-
rische Qualität und die differenzierte farbige Anlage zei-
gen keinerlei Verbindung zur jüngeren christologischen
Gruppe17.
Farbigkeit, Komposition, Ornament: Die ursprüng-
liche Farbigkeit der figürlichen Rechteckfelder lässt sich
aufgrund der fortgeschrittenen Verbräunung und der um-
fangreichen Restaurierungsmaßnahmen nur mehr schwer
beurteilen. So sind die einst hellen Inkarnate und violet-
ten Gläser als ausgleichende Farbwerte weggebrochen,
wodurch nun der warme, rot-olivgrün-gelbe Farbakkord
des Teppichhintergrundes stark an Gewicht gewonnen
hat. Doch lässt sich immerhin sagen, dass die Werkstatt
eine recht unkonventionelle Farbauswahl getroffen hat:
So kommt neben Dunkelblau ein wässriges blaues Glas
sowie ein damit verwandtes, mit mehr Grünanteilen ver-
mengtes Türkis zum Einsatz. Letzterem scheint man den
Vorzug gegeben zu haben, denn neben Kleidern sind sogar
Geißelsäule und Kreuz in diesem Ton ausgeführt. Doch
gerade im Verbund mit Grün verursacht Türkis farbliche
Missklänge. Dort, wo die Gewandfarben abhängig vom
Farbgrund gewählt sind (man vergleiche etwa die blau-
rote Farbpaarung in der Dornenkrönung und der Szene
Fig. 55. Maria auf dem Thron Salomonis. Budapest, Szepmüveszeti
Muzeum, Inv. Nr. 37, fol. jiv. Oberösterreich, um 1320/30.
mit Christus als Gärtner), wird naturgemäß ein höheres Maß an Lesbarkeit als in jenen Szenen erzielt, die einen Gelb-
Türkis- oder Rot-Hellblau-Akkord bevorzugen. Olivgrüne Töne treten marginal im Schollenboden in Erscheinung.
Die einfachen kreisförmigen Medaillons des Christuszyklus liegen felderbreit auf einem Netz aus roten, mit weißen
Kreuzungspunkten versehenen Bändern; dazwischen liegen grüne Blattkaros. Offenbar sind die ziemlich unregelmä-
ßigen, von Feld zu Feld unterschiedlich deformierten Medaillons dabei relativ frei, ohne Verwendung einer Schablone
gezogen worden. Die von einem gelborangefarbenen Perlband eingefassten Szenen sind einerseits zu den Seiten mit
gleichgestalteten Randstreifen verspannt und ruhen andererseits in der Vertikalen wie Maßwerkokuli auf den Spitzen
von Lanzettpaaren, da die Pfosten oberhalb der Medaillons im Rapport fortgeführt werden. So entsteht eine Reihe
übereinandergestaffelter Maßwerkfenster, deren Form an das Couronnement der Marburger Elisabethkirche erinnert.
Die >Zwickelstücke< sind mit tiefblauen, filigran verzierten Maßwerkstrukturen gefüllt, die Bildszenen selbst stehen
vor rotem oder blauem Blattkarogrund.
Die Sibyllen wurden lediglich mit einem Blattkarogrund aus abwechselnd grünen und violetten Blattrauten hinter-
legt. Eine sehr ansprechende Farbigkeit (ein Akkord aus Weiß, Goldgelb und Kobaltblau mit roten Einsprengseln)
wurde dagegen für die einzig erhaltene Ornamentscheibe gewählt. Das Grundmuster zeigt auf rotem Grund einen
Elisabethkirche als bewußtes Stilzitat und Markzeichen landesherr-
licher Architektur vor dem Hintergrund der Expansionsbestrebungen
des mainzischen Erzbistums in Hessen gedeutet.
15 Gerhard Schmidt, Die Armenbibeln des XIV. Jahrhunderts, Graz/
Köln 1959, Taf. 16 (dort als fol. i8v bezeichnet).
16 Vgl. die von Straßburg abhängigen Darstellungen im Langhaus
des Freiburger Münsters (um 1330), im Südquerhausfenster des Augs-
burger Doms (um 1330) oder die heute im Westfälischen Landes-
museum in Münster befindlichen Reste aus dem Chor des Arnsteiner
Prämonstratenserklosters (um 1350/60). Zu Arnstein siehe jetzt: Die
Glasgemälde-Sammlung des Freiherrn vom Stein 2007, S. 62-84, Nr.
12-19 (Uwe Gast).
17 Weitere Anhaltspunkte zu den verlorenen Darstellungen in den
Fenstern von Chor und Langhaus können die Altarpatrozinien der
zwölf in der Kirche nachgewiesenen Altarplätze geben; vgl. hierzu
Anm. 10. Als Fensterstifter könnten auch die Zünfte aufgetreten sein,
deren Wappen sich in den Gewölbekappen des Langhauses befinden,
die nach dem großen Kirchenbrand von 1476 neu bemalt wurden: Ne-
ben dem Schuster- und Schneiderwappen lassen sich hier noch zwei
Familienwappen erkennen.
3. Dagegen entstammt die Rundscheibe mit Pelikan
einem anderen Kontext (Abb. 38). Es handelt sich wohl
um den Maßwerkrest eines Passionsfensters, das sich im
Langhaus befunden haben könnte. Die bessere zeichne-
rische Qualität und die differenzierte farbige Anlage zei-
gen keinerlei Verbindung zur jüngeren christologischen
Gruppe17.
Farbigkeit, Komposition, Ornament: Die ursprüng-
liche Farbigkeit der figürlichen Rechteckfelder lässt sich
aufgrund der fortgeschrittenen Verbräunung und der um-
fangreichen Restaurierungsmaßnahmen nur mehr schwer
beurteilen. So sind die einst hellen Inkarnate und violet-
ten Gläser als ausgleichende Farbwerte weggebrochen,
wodurch nun der warme, rot-olivgrün-gelbe Farbakkord
des Teppichhintergrundes stark an Gewicht gewonnen
hat. Doch lässt sich immerhin sagen, dass die Werkstatt
eine recht unkonventionelle Farbauswahl getroffen hat:
So kommt neben Dunkelblau ein wässriges blaues Glas
sowie ein damit verwandtes, mit mehr Grünanteilen ver-
mengtes Türkis zum Einsatz. Letzterem scheint man den
Vorzug gegeben zu haben, denn neben Kleidern sind sogar
Geißelsäule und Kreuz in diesem Ton ausgeführt. Doch
gerade im Verbund mit Grün verursacht Türkis farbliche
Missklänge. Dort, wo die Gewandfarben abhängig vom
Farbgrund gewählt sind (man vergleiche etwa die blau-
rote Farbpaarung in der Dornenkrönung und der Szene
Fig. 55. Maria auf dem Thron Salomonis. Budapest, Szepmüveszeti
Muzeum, Inv. Nr. 37, fol. jiv. Oberösterreich, um 1320/30.
mit Christus als Gärtner), wird naturgemäß ein höheres Maß an Lesbarkeit als in jenen Szenen erzielt, die einen Gelb-
Türkis- oder Rot-Hellblau-Akkord bevorzugen. Olivgrüne Töne treten marginal im Schollenboden in Erscheinung.
Die einfachen kreisförmigen Medaillons des Christuszyklus liegen felderbreit auf einem Netz aus roten, mit weißen
Kreuzungspunkten versehenen Bändern; dazwischen liegen grüne Blattkaros. Offenbar sind die ziemlich unregelmä-
ßigen, von Feld zu Feld unterschiedlich deformierten Medaillons dabei relativ frei, ohne Verwendung einer Schablone
gezogen worden. Die von einem gelborangefarbenen Perlband eingefassten Szenen sind einerseits zu den Seiten mit
gleichgestalteten Randstreifen verspannt und ruhen andererseits in der Vertikalen wie Maßwerkokuli auf den Spitzen
von Lanzettpaaren, da die Pfosten oberhalb der Medaillons im Rapport fortgeführt werden. So entsteht eine Reihe
übereinandergestaffelter Maßwerkfenster, deren Form an das Couronnement der Marburger Elisabethkirche erinnert.
Die >Zwickelstücke< sind mit tiefblauen, filigran verzierten Maßwerkstrukturen gefüllt, die Bildszenen selbst stehen
vor rotem oder blauem Blattkarogrund.
Die Sibyllen wurden lediglich mit einem Blattkarogrund aus abwechselnd grünen und violetten Blattrauten hinter-
legt. Eine sehr ansprechende Farbigkeit (ein Akkord aus Weiß, Goldgelb und Kobaltblau mit roten Einsprengseln)
wurde dagegen für die einzig erhaltene Ornamentscheibe gewählt. Das Grundmuster zeigt auf rotem Grund einen
Elisabethkirche als bewußtes Stilzitat und Markzeichen landesherr-
licher Architektur vor dem Hintergrund der Expansionsbestrebungen
des mainzischen Erzbistums in Hessen gedeutet.
15 Gerhard Schmidt, Die Armenbibeln des XIV. Jahrhunderts, Graz/
Köln 1959, Taf. 16 (dort als fol. i8v bezeichnet).
16 Vgl. die von Straßburg abhängigen Darstellungen im Langhaus
des Freiburger Münsters (um 1330), im Südquerhausfenster des Augs-
burger Doms (um 1330) oder die heute im Westfälischen Landes-
museum in Münster befindlichen Reste aus dem Chor des Arnsteiner
Prämonstratenserklosters (um 1350/60). Zu Arnstein siehe jetzt: Die
Glasgemälde-Sammlung des Freiherrn vom Stein 2007, S. 62-84, Nr.
12-19 (Uwe Gast).
17 Weitere Anhaltspunkte zu den verlorenen Darstellungen in den
Fenstern von Chor und Langhaus können die Altarpatrozinien der
zwölf in der Kirche nachgewiesenen Altarplätze geben; vgl. hierzu
Anm. 10. Als Fensterstifter könnten auch die Zünfte aufgetreten sein,
deren Wappen sich in den Gewölbekappen des Langhauses befinden,
die nach dem großen Kirchenbrand von 1476 neu bemalt wurden: Ne-
ben dem Schuster- und Schneiderwappen lassen sich hier noch zwei
Familienwappen erkennen.