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LÜCHOW • STADTKIRCHE
nung von Becksmann 1992, enthält sich jedoch jeglicher Zuschreibung); Welck 2012, S. 162-167 (kurze Zusammen-
fassung des Forschungstandes, datiert die Verglasungsreste, Becksmann/Korn 1992 folgend, um 1510 und stimmt
grundsätzlich ihrer Herkunft aus Lüneburg zu, ohne sich auf eine konkrete Werkstatt festzulegen).
Gegenwärtiger Bestand: Drei Figurenfragmente der Apostel Petrus, Matthäus und Paulus sind zu einem großen
Feld von 64 cm Höhe und m cm Breite zusammenmontiert und in das ansonsten blankverglaste Langhausfenster
süd I vor die Gitterarmierung gesetzt (Fig. 308, Abb. 226).
Geschichte des Baues und seiner Verglasung: Die Gründung der St.-Johannis-Kirche zu Lüchow, die dem Me-
rianstich zufolge außerhalb der Stadtmauern (ecclesia extra muros) erbaut wurde, liegt weitgehend im Dunkeln1. Das
früheste überlieferte Zeugnis ihrer Existenz ist eine Schenkungsurkunde für den Altar corporis Christi aus dem Jahr
12982. Die Reste der bei den Renovierungsarbeiten 1962 vorgefundenen Feldsteinfundamente sowie einige Bauele-
mente am östlichen Chorschluss lassen jedoch auf einen spätromanischen Bau schließen3, über dessen genaues Aus-
sehen jedoch nichts weiter überliefert ist. Infolge mehrerer Plünderungen in nachreformatorischer Zeit, insbesondere
aber während des Dreißigjährigen Krieges, hat das Gebäude so stark gelitten, dass es 1691 »bis auf das Mauerwerk
heruntergenommen und ganz neu erbaut« werden musste4. 1866 wurde die St. Johannis-Kirche der nächsten gründ-
lichen Renovierung unterzogen und anschließend im Sinne der damals üblichen »Regotisierung« neu gestaltet5. Bereits
1877 beschreibt Mithoff einen nach dieser Baukampagne wiederhergestellten dreischiffigen Backsteinbau mit flach-
gedeckten schmaleren Seitenschiffen, einer Holzwölbung im Mittelschiff und einem geräumigen 5/10-Chorschluss
ohne Querhaus. Im Zuge dieser Maßnahmen wurden auch alle Fensterlaibungen verändert. Die heutigen Chorfenster
stammen aus dem Zeitraum zwischen 1898 und 1938; das Achsenfenster wurde erst im Jahre 1967 eingesetzt6.
Als einziges Indiz zur Geschichte der Verglasung gilt die quellenmäßig gesicherte Überlieferung einer Stiftung der
Herzogin Anna von Nassau aus dem Hause Braunschweig-Lüneburg. Nach dem Tod ihres Gemahls stand ihr das
herzogliche Schloss Lüchow als Witwensitz zu, das sie seit 1498 nach und nach renovieren und neu einrichten ließ,
um es zumindest in den Sommermonaten zu bewohnen7. Unter zahlreichen Stiftungen der Herzogin aus dieser Zeit
sind auch einige Glasmalereien überliefert: 1502 schenkte sie einige ausgebesserte Wappenfenster nach Lüchow in
sante Irmgunß huße und 1509 bezahlte sie dem dort ansässigen Glasmeister Bernd Schilling ebenfalls eine Wappen-
scheibe (s. Reg. Nr. 23L)8. Ein Jahr später stiftete Anna von Nassau zusammen mit ihren Enkeln eine weitere »größere
Glasmalerei« für die Kirche in Lüchow, deren Reste höchstwahrscheinlich die überkommenen Apostelfiguren sind
(Reg. Nr. 2$)9. Zu Umfang, näherer Bestimmung und Ausführung dieses Auftrags fehlt jedoch jeder Hinweis. Die
erste Information über die erhaltenen Apostelbilder bietet der vierte Band der bereits erwähnten Kunstdenkmale
von Hector Wilhelm Heinrich Mithoff, der die Scheibenreste 1877 in den Fenstern der Sakristei wie folgt beschreibt:
»drei alte Bilder in Glasmalerei, bezeichnet: sante peter (ohne Nimbus), sante [paul] und sante mathewes, dieser mit
dem Schwert von hinten durchstochen, in der Rechten einen Kelch, in der Linken ein Buch haltend«10. Dort befanden
sie sich noch bis zum Jahr 1968; damals wurden alle drei Scheiben auf Anregung des Amtes für Bau- und Kunstpflege
der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover in der Werkstatt Hans Matschinski in Braunschweig restau-
riert und anschließend in das Langhausfenster süd I versetzt11.
1 Die erste zusammenfassende Untersuchung zu den Kirchen des Han-
noverschen Wendlandes, die noch über mittelalterliche Glasmalerei-
fragmente verfügen, blieb zunächst ungedruckt: Stephan Freiherr von
Welck, Mittelalterliche Glasmalereien in Kirchen des Hannoverschen
Wendlandes: Lüchow und Plate 2001 (Typoskript); gedruckt in: Han-
noversches Wendland 16/17, 1998-2011, Lüchow 2012, S. 161-172. Die
folgenden Ausführungen stützen sich auf diese Arbeit. Eine eingehende
Studie über die Baugeschichte der St.-Johannis-Kirche in Lüchow steht
noch aus.
2 Chronik der Stadt Lüchow, hrsg. von Ernst Köhring, Lüchow
2i9§4, S.44.
3 Rolf Adler, Die St.johannis-Kirche zu unterschiedlichen Jahrhun-
derten, in: Die St. Johannis-Kirche im Wandel der Zeit, Hermanns-
burg 1991, S. 12.
4 Köhring T984 (wie Anm. 2), S. 45.
5 Vgl. Mithoff, IV, 1877, S. 118.
6 Vgl. Welck 2012 (wie Anm. 1), S. 163.
7 Otto von Boehn, Anna von Nassau, Herzogin von Braunschweig-
Lüneburg, Hildesheim 1957, S. 8of.
8 Mollenhauer 1954, S. 199E
9 Ebenda.
D Mithoff, IV, 1877, S. 118.
H Lüchow, PfA, Alt-Register 23, Nr. 515.
12 Über den Umfang dieses Programms sowie über die paarweise oder
einzelne Darstellung der Apostel lässt sich heute nur mutmaßen, zu-
mal die ikonographische Situation in Kloster Neuendorf selbst nicht
ausreichend geklärt ist; vgl. Böning 2009, S. iojf.
13 Vgl. Böning 2009, Abb. 15L, 51. Auch die mit einiger Sicherheit
zur Verglasung der dortigen Nonnenempore gehörige und 1945 zer-
störte Scheibe des Kgl. Kunstgewerbemuseums Berlin mit identischem
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nung von Becksmann 1992, enthält sich jedoch jeglicher Zuschreibung); Welck 2012, S. 162-167 (kurze Zusammen-
fassung des Forschungstandes, datiert die Verglasungsreste, Becksmann/Korn 1992 folgend, um 1510 und stimmt
grundsätzlich ihrer Herkunft aus Lüneburg zu, ohne sich auf eine konkrete Werkstatt festzulegen).
Gegenwärtiger Bestand: Drei Figurenfragmente der Apostel Petrus, Matthäus und Paulus sind zu einem großen
Feld von 64 cm Höhe und m cm Breite zusammenmontiert und in das ansonsten blankverglaste Langhausfenster
süd I vor die Gitterarmierung gesetzt (Fig. 308, Abb. 226).
Geschichte des Baues und seiner Verglasung: Die Gründung der St.-Johannis-Kirche zu Lüchow, die dem Me-
rianstich zufolge außerhalb der Stadtmauern (ecclesia extra muros) erbaut wurde, liegt weitgehend im Dunkeln1. Das
früheste überlieferte Zeugnis ihrer Existenz ist eine Schenkungsurkunde für den Altar corporis Christi aus dem Jahr
12982. Die Reste der bei den Renovierungsarbeiten 1962 vorgefundenen Feldsteinfundamente sowie einige Bauele-
mente am östlichen Chorschluss lassen jedoch auf einen spätromanischen Bau schließen3, über dessen genaues Aus-
sehen jedoch nichts weiter überliefert ist. Infolge mehrerer Plünderungen in nachreformatorischer Zeit, insbesondere
aber während des Dreißigjährigen Krieges, hat das Gebäude so stark gelitten, dass es 1691 »bis auf das Mauerwerk
heruntergenommen und ganz neu erbaut« werden musste4. 1866 wurde die St. Johannis-Kirche der nächsten gründ-
lichen Renovierung unterzogen und anschließend im Sinne der damals üblichen »Regotisierung« neu gestaltet5. Bereits
1877 beschreibt Mithoff einen nach dieser Baukampagne wiederhergestellten dreischiffigen Backsteinbau mit flach-
gedeckten schmaleren Seitenschiffen, einer Holzwölbung im Mittelschiff und einem geräumigen 5/10-Chorschluss
ohne Querhaus. Im Zuge dieser Maßnahmen wurden auch alle Fensterlaibungen verändert. Die heutigen Chorfenster
stammen aus dem Zeitraum zwischen 1898 und 1938; das Achsenfenster wurde erst im Jahre 1967 eingesetzt6.
Als einziges Indiz zur Geschichte der Verglasung gilt die quellenmäßig gesicherte Überlieferung einer Stiftung der
Herzogin Anna von Nassau aus dem Hause Braunschweig-Lüneburg. Nach dem Tod ihres Gemahls stand ihr das
herzogliche Schloss Lüchow als Witwensitz zu, das sie seit 1498 nach und nach renovieren und neu einrichten ließ,
um es zumindest in den Sommermonaten zu bewohnen7. Unter zahlreichen Stiftungen der Herzogin aus dieser Zeit
sind auch einige Glasmalereien überliefert: 1502 schenkte sie einige ausgebesserte Wappenfenster nach Lüchow in
sante Irmgunß huße und 1509 bezahlte sie dem dort ansässigen Glasmeister Bernd Schilling ebenfalls eine Wappen-
scheibe (s. Reg. Nr. 23L)8. Ein Jahr später stiftete Anna von Nassau zusammen mit ihren Enkeln eine weitere »größere
Glasmalerei« für die Kirche in Lüchow, deren Reste höchstwahrscheinlich die überkommenen Apostelfiguren sind
(Reg. Nr. 2$)9. Zu Umfang, näherer Bestimmung und Ausführung dieses Auftrags fehlt jedoch jeder Hinweis. Die
erste Information über die erhaltenen Apostelbilder bietet der vierte Band der bereits erwähnten Kunstdenkmale
von Hector Wilhelm Heinrich Mithoff, der die Scheibenreste 1877 in den Fenstern der Sakristei wie folgt beschreibt:
»drei alte Bilder in Glasmalerei, bezeichnet: sante peter (ohne Nimbus), sante [paul] und sante mathewes, dieser mit
dem Schwert von hinten durchstochen, in der Rechten einen Kelch, in der Linken ein Buch haltend«10. Dort befanden
sie sich noch bis zum Jahr 1968; damals wurden alle drei Scheiben auf Anregung des Amtes für Bau- und Kunstpflege
der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover in der Werkstatt Hans Matschinski in Braunschweig restau-
riert und anschließend in das Langhausfenster süd I versetzt11.
1 Die erste zusammenfassende Untersuchung zu den Kirchen des Han-
noverschen Wendlandes, die noch über mittelalterliche Glasmalerei-
fragmente verfügen, blieb zunächst ungedruckt: Stephan Freiherr von
Welck, Mittelalterliche Glasmalereien in Kirchen des Hannoverschen
Wendlandes: Lüchow und Plate 2001 (Typoskript); gedruckt in: Han-
noversches Wendland 16/17, 1998-2011, Lüchow 2012, S. 161-172. Die
folgenden Ausführungen stützen sich auf diese Arbeit. Eine eingehende
Studie über die Baugeschichte der St.-Johannis-Kirche in Lüchow steht
noch aus.
2 Chronik der Stadt Lüchow, hrsg. von Ernst Köhring, Lüchow
2i9§4, S.44.
3 Rolf Adler, Die St.johannis-Kirche zu unterschiedlichen Jahrhun-
derten, in: Die St. Johannis-Kirche im Wandel der Zeit, Hermanns-
burg 1991, S. 12.
4 Köhring T984 (wie Anm. 2), S. 45.
5 Vgl. Mithoff, IV, 1877, S. 118.
6 Vgl. Welck 2012 (wie Anm. 1), S. 163.
7 Otto von Boehn, Anna von Nassau, Herzogin von Braunschweig-
Lüneburg, Hildesheim 1957, S. 8of.
8 Mollenhauer 1954, S. 199E
9 Ebenda.
D Mithoff, IV, 1877, S. 118.
H Lüchow, PfA, Alt-Register 23, Nr. 515.
12 Über den Umfang dieses Programms sowie über die paarweise oder
einzelne Darstellung der Apostel lässt sich heute nur mutmaßen, zu-
mal die ikonographische Situation in Kloster Neuendorf selbst nicht
ausreichend geklärt ist; vgl. Böning 2009, S. iojf.
13 Vgl. Böning 2009, Abb. 15L, 51. Auch die mit einiger Sicherheit
zur Verglasung der dortigen Nonnenempore gehörige und 1945 zer-
störte Scheibe des Kgl. Kunstgewerbemuseums Berlin mit identischem