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Kosina, Elena; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Niedersachsen: ohne Lüneburg und die Heideklöster — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2017

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52867#0334
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EHEMALS MÖLLENBECK • KLOSTERKIRCHE

333

lässt der aktuelle Erhaltungszustand der Scheiben keine
abschließende Verortung mehr zu, zumal diesem Kunst-
raum im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert eine er-
staunliche Anzahl an hochkarätigen Farbverglasungen
zugeschrieben wird, die großenteils engste Verbindungen
mit der Tafelmalerei aufweisen29. Vorderhand bietet sich
eine Gegenüberstellung mit den bereits erwähnten, etwa
gleichzeitig entstandenen nördlichen Seitenschifffens-
tern nord XXI/XXII des Kölner Domes an30. Hier wie
dort zeigen die Dargestellten kräftig-muskulöse, wohl-
proportionierte Körper mit teilweise übergroßen Hän-
den und Füßen sowie charaktervolle Physiognomien
mit hoher Stirn, tief sitzenden Augen unter gekrümm-
ten Augenbrauen, langen Nasen und auffällig schmalen
Oberlippen (Fig. 323E); ferner ähneln sich die karikiert
verzerrten Mienen der Henkersknechte in der Geiße-
lung des Kölner Domes und im Möllenbecker Original-
fragment der Dornenkrönung31. Auch die von Herbert
Rode und Brigitte Wolff-Wintrich herangezogenen
Parallelen zwischen den fraglichen Domfenstern und der
zeitgleichen Tafelmalerei treffen ebenso weitgehend auf
die Möllenbecker Scheibenreste zu: In Figurenstil und
Kopftypen sind sie verwandt mit dem Meister von St.
Severin und dem Meister der Ursula-Legende, teilweise
mit dem Meister der Hl. Sippe und insbesondere mit dem
Meister des Kalkarer Altars, Jan Joest (Fig. 321E)32.
Diese Zusammenhänge waren offenbar bereits für die
ersten Restauratoren der Möllenbecker Scheiben, die
Gebrüder Ely, so offensichtlich, dass sie sich für sämt-
liche Ergänzungen aus dem reichen Konvolut der Kölner
Glasmalerei bedienten, und hier speziell aus dem Passi-
ons- und dem Petrus-Wurzel-Jesse-Fenster im Kölner
Dom33.
Ein gewichtiges Argument für die niederrheinisch-köl-
nische Herkunft der Möllenbecker Scheiben liefert vor
allem ihre spezifische Maltechnik: so etwa das gleicher-
maßen zum Konturieren und Modellieren benutzte Lot,
das im Farbton variierend verwendet wird, bzw. die Ra-
dier- und Wischeffekte, mit der etwa die lichten Haar-
löckchen, Blütenwindungen, Pelzbesätze oder die Imita-
tion von Damast hervorgehoben werden (Fig. 320, 323).
Die dadurch erzielte, meist recht trocken anmutende
Modellierung verleiht jedem der dargestellten Objekte
- seien es Gesichter, Gewänder, Ranken oder Schrift-
30 Rode 1974, S. 190-197, Taf. 210-213, 222-230.
31 CVMA Deutschland IV,i, 1974, Abb. 511.
32 Vgl. hierzu Rode 1969 und Rode 1974, S. 189E, Wolff-Wintrich
1997, S. 62h, Wolff-Thomsen 1997, bes. S. 283-288, und zuletzt Dag-
mar Täube, in: Kat. Ausst. Köln 2007,1, S. 18-23.
33 CVMA Deutschland IV,1, 1974, Taf. 211, 223.

Fig. 321. Jan Joest von Kalkar. Ecce Homo aus dem Hochaltar
von St. Nicolai in Kalkar. Kalkar, 1508.



Fig. 322. Jan Joest von Kalkar. Verspottung und Dornenkrönung
aus dem Hochaltar von St. Nicolai in Kalkar. Kalkar, 1508.
 
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