Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
„Oaiiasiei»"

Seit einer Reihe von Iahren pflegte in der zweiten Hälfte dcs Scp-
tembermonats der deutsche „Tag für Denkmalpflege" zusammenzutreten.
Lr war -er Mittelpunkt der Bcftrebungen zu Schutz und pflege des künft-
lerischcn Vermächtnisfes der Vergangenhcit. Ohne übertreibendes Selbst-
lob durften wir uns sagen, daß bei kcinem volke die Gesinnung der Lhr-
furcht vor den Denkmälern so tiefe wurzeln geschlagen hat wie bei uns.
Im Septcmber ift die Tagung ausgefallen. Dafür wird in einem
großen Teilc dcr gebildeten wclt die Anklage gegen uns erhoben, es sei
unser Handwerk und unscre Lust, Lunsrwerke zu zerstören um der Zer-
ftörung willcn — eine Verleumdung, so schamlos und so absurd, daß wir
uns einfach weigern müsscn, uns gegcn sie zu vcrteidigen. wer im voraus
entschlossen ist, weiß Schwarz zu ncnnen, mit dem spricht man nicht mehr.

Merkwürdig ist, wie die neuesten Vcrleumdungen sehr alten die Hand
reichen. Bei den heutigen Dcutschcn, heißt es, scien die Instinkte ihrer Vor-
fahren, dcr Goten und Vandalen, wieder erwacht. Denn dicse Völker scien
ja die Zerstörer der altrömischen Runstwelt. Line längst und gründlich
widerlegte Fabcl! Aein einziger Geschichtsschreiber, sagt Grcgorovius, weiß
auch nur ein einziges Gebäude, wclches sie (die Vandalen) in Rom zerstört
hätten. Von der Herrschaft der Goten ist sicher, daß unter ihr in Italien
mehr gebaut, als vcrwüstct worden ist. — Man kennt Ldikte Rönig
Theoderichs, in denen er Schutzmaßregeln für die Lrhaltung der Bauwerke
Roms anordnet, fast wie ein modcrner Denkmalspfleger. Tut nichts — noch
immer glaubt ein jeder Italiener an die Greuel der „Goten unü Vandalen",
und der Name der letzteren ist zum Sprichwort geworden. Ganz andere,
umfassendcre und dauernde Ursachen, habcn die antike Runsthinterlassen-
schaft zugrunde gerichtct. Die berühmtesten Päpste der Renaissance, ein
Iulius, ein Lco, haben nicht aufgehört, Römerbauten abzutragen, wenn sie
ihnen im wcge warcn, oder zur Ausbeutung ües kostbarcn Materials für
ihre eigenen Bauten; und noch im 17. Iahrhundert wurde auf Urban VIII.
das Lpigramm geprägt: „was die Barbaren nicht getan haben, taten die
Barberini" (der Hamilienname des Papftes).

wie fteht es mit den Aunstverlusten der Länder diesseits der Alpen)
welche Nation hat hier üas meiste auf dem Gewissen? wahrlich
die deutsche nicht! Auch würde man sich irren, wenn man im 8ort-
schritt der Zeit eine zunehmendc Schonung der Runftdenkmäler voraus-

29
 
Annotationen