Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


emokratische Republik.

Erscheine Montag; auigenommcn täg-
lich. In Heidelberg vierteliäbr. 4Nkr.
Durch die Pog bezogen in ganz Baden
t ll. 10 kr. Inserate die Pcritzeilc s kr.

„Freiheit, Wohlstand, Bildung für Alle!"

Bestellung wird gemacht in Heidelberg
in der Vnchdrnckcrei von Renner n.
Wolff, auswärts bei allen Postäm-
tern. Briefe werben franco erberen.

Dienstag, 22. Mai.

18LS

M- 18.

Deutschland.
D* «Heidelberg, 20. Mai. Der Großherzog befindet
sich auf französischem Boden in Lauterburg. Seine
Erminister Dusch, Bell, Hoffmann und Stengel find bei ihm.
Die letztem befinden sich in der komischen Begriffeverwirrung,
als seien sie noch wirkliche Minister und haben in diesem Irr-
thum befangen eine Erklärung an das „Frankfurter Journal"
geschickt, worin sie jagen, der Großherzog habe »nachdem jede
Bürgschaft für die Erhaltung einer wohlbegründeten
Ordnung und Sicherheit» für den Augenblick verschwunden sei,
seine Residenz auf kurze (?) Zeit verlassen, um sich womöglich
(!) an den Sitz der provisorischen Centralgewalt nach Frank-
furt zu begeben. Die Herrn Erminister fordern schließlich »alle
Bürger Badens, alle Behörden und Beamten auf, in ihrer
Treue gegen den Grvßherzog, gegen die Reichs- und Landes-
Vepfassung unerschütterlich zu beharren." Daß wir die „wohl-
begründete" Zellengefängnißorbuung des Herrn Erminister
Bekk los find, ist ein großes Glück. Wir fühlen uns seitdem
in einer köstlichen „Sicherheit". Wenn Se. König!. Hoheit sich
„womöglich" nach Frankfurt begeben wollen, so haben wir
natiiiMi m'chts dagegen und bedauern nur, daß sich die Ho-
heit den Gefahren eines Aufenthalts in dem „rotheu" Elsaß
preisgegcben haben. Die Bürger Badens aber werden sich
schon „treu" bleiben und die „Behörden und Beamten" wer-
den dem Landesausschuß pariren — oder Erbeamte und Er-
behördcn werten, wie die Herrn Erminister.
si) Heidelberg, 21. Mai. Nach dem Berichte des pro-
visorischen Commando's der Turnfeuerwehr lassen wir hier
das Nähere über die Erbeutung der 16 Geschütze folgen.
Nachdem die Schaar, bestehend aus 106 Mann Turnern und
Arbeitern, vom 12. Mai an in der Pfalz die äußersten Vorposten
gegen Landau gebildet, folgte sie dem Rufe der provisorischen
Regierung Badens und betrat bei Speyer am 15. das bad.
Gebiet. In Hockenheim stieß eine Abiheilung Bürgerwehr Hei-
delbergs zur Arbeiter- und Turncrschaar, bestätigend, was die
Kundschafter Abends schon angezeigt: daß ein Korps mit 16
Kanonen unter dem Befehle des berüchtigten Volksfeindes
Hinkeldei versuche, sich aus dem Badischen zu schlagen und
dem Volke somit die so wcrthvollcn Schätze, die 16 Kanonen,
zu entreißen. Sogleich wurden Vorkehrungen getroffen, dies
Vorhaben Hinkcldci's unmöglich zu machen. In 8 Abthcilungen
folgte die neu verstärkte Schaar den Fliehenden sich bei Wall-
dorf und Wiesloch gegen Sinsheim ziehend, wo sie trotz Re-
gen und Wetter, trotz der beinahe ungangbaren Wege, schon
um 6 Uhr ankam. Hier war die ganze Bevölkerung auf den
Beinen, Zuzüge von allen Orten erfolgten: der Durchzug
Hinkeldei'^ hatte solche hcrvorgcrufcn.
Hauptmann Gilbert sammelte die Schaarrn. Es mögen
wohl 300 Bewaffnete gewesen sein, die um 9 Uhr auf Wagen
ihren Weg nach Kirchhard nahmen, in dessen Nähe Hinkeldei
Halt machte. Um 12 Uhr war die Schaar ausgestellt, und in
der größten Stille setzte sich dieselbe gegen Fürfeld in Bewe-
gung. Drei Schüsse, Plötzlich die nächtliche Stille unterbrechend,
bewiesen, daß man in der Nähe des Lagers angekommen und

im Sturme ging's jetzt in den besetzten Ort hinein. Die Vor-
posten wurden überrumpelt, die Geschütze genommen, und die
Quartiere der Offiziere sowie ganz Fürfeld besetzt. Jetzt galt
es, schnell die Kanonen in Sicherheit zu bringen; da es an
Pferden fehlte, legten die Arbeiter und Turner selbst Hand an
und zogen die schweren mit Munition beladenen Geschütze eine
große Strecke eilends den Berg hinauf. Gut gedeckt bewegte
sich der lange Zug gegen Kirchhard, während die in Fürfeld
aufgestellte Mannschaft die Verfolgung durch die Dragoner un-
möglich machte
Nur ein Ueberfall durch die reitende Batterie, die in ei-
nem der benachbarten Orte lag, war noch zu befürchten; aber
auch diesem trat man dadurch entgegen, daß man die Offiziere
derselben, die in Fürfeld lagen, gefangen nahm. Viele der
Soldaten traten jetzt über und erhielten den Auftrag, mit ihren
Pferden die bereits abgegaugenen Kanonen cinzuholen. Die
Geschütze wurden bespannt, und der endlose Jubel des Volkes
schallte dem großen Zuge entgegen, als er um 9 Uhr in
Sinsheim wieder ankam. Die Kanonen sind in die Hände des
Landesausschusses gegeben, und von Herzen wünschen die, die
sie erbeutet, daß sie dem Vaterlande gute Dienste erweisen!
* Heidelberg, 20. Mai. Wehe dir, badische«
Volk, wenn du n.cht kämpfst und siegst über die
Horden des blutigen P r eu ß en kö n ig s, mit denen er
dein Land überschwemmen wird! Dein Schicksal wird dann
kein Besseres sein, als das des sächsischen Volks, das, wie du,
für die Reichsvcrfassung aufgestandcn ist, aber gegen die ver-
einigte Macht seiner eignen Soldaten und der preußischen
unterliegen mußte. Hier ist nachträglich eine Schilderung der
Gräuel, welche die preußischen Bestien zu Dresden verübt
haben:
Die heldenmüthige Tapferkeit, wie sie Jeder, auch der
Gegner, an den Vertheidigern Dresdens bewundern muß,
wird den gebildeten Menschen nach dem Siege zur Mäßigung
und Milbe stimmen, die preußischen Garden und nach ihnen
die sächsischen Schützen jedoch berauschte der Sieg zu den
scheußlichsten Schlächtereien; selbst Knaben und Kinder wurden
von ihnen nicht geschont. Wen sie in einem Hause antrafcn
und für verdächtig hielten, der wurde ohne Weiteres erstochen
oder erschossen oder zum Fenster hinaus geworfen. — So las
ich aus dem Briefe eines Schützen: „Die Preußen und wir
schonen Niemand, die Preußen schießen und stechen Alles nie-
der und werfen die Menschen vier Treppen hoch zum Fenster
hinunter; man wird nach und nach Alles gewohnt, wenn man
es mit ansieht; nur wenn man so verfährt, kann die Freiheit
erblühen." Selbst ein altes LOjährigcS Mütterchen wurde ge-
fangen über die Brücke geführt. Friedrich August von Sachsen
sagt dazu: „Das Benehmen der braven preußische» Truppen
ist über alles Lob erhaben!" — Die Preußen hatten ein paar
Turner gefangen, welche schöne Bärte hatten. „Hübsche Bärte",
redeien sie sie höhnisch an, dann rupften sie ihnen die Haare
aus, schlugen mit den Kolben ihnen die Zähne ein, dann
langten sie dir Spieße heraus und zerhackten ihnen die Rücken,
und dann erst erschossen sie die gequälten Jünglinge! „Das
 
Annotationen