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Denkmalpflege: Auszug aus d. stenograph. Berichten d. Tages für Denkmalpflege 1900 - 1912 — 1.1910

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IV. Kommunale Denkmalpflege
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Über die Möglichkeit der Erhaltung alter Städtebilder unter Berücksichtigung moderner Verkehrsanforderungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.29654#0442

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Erhaltung alter Städtebilder.

Fahrbahn regster Verkehrsstraßen die schönen mittelalterlichen Lauf-
brunnen erhalten hat. Sonst ist man diesen Brünnlein nicht so freund-
lich gesinnt und ihre Zahl wird immer geringer.

Welche Poesie mit diesen alten traulich plätschernden Laufbrunnen
aus dem Städtehilde schwindet, sehen die meisten Gemeindeverwaltungen
noch nicht ein. Seit die Wasserleitung in jedes Haus geht, hält man sie
für überflüssig; das Wasser einiger lyrischer Schwärmer wegen plätschern
zu lassen, dazu ist man zu arm — Unterflurhydranten oder gußeiserne
Auslaufständer für die Tränkung der Droschkengäule sind ausreichender
Ersatz! Auch alte Bäume, sobald sie nicht ganz reglementmäßig auf der
Bordschwellenkante oder auf freien Plätzen stehen, Verkehrsrücksichten zu
opfern, ist man meist gar zu schnell bereit. Man fürchtet, es könnte sich
einmal einer die Nase stoßen und die Stadt hei der heutigen Tendenz
unserer Rechtsprechung, in Haftpflichtfällen den wirtschaftlich Schwächeren
zu schützen, zu Schadenersatz verurteilt werden. In Halle hat man mitten
in der Fahrbahn der nicht gar breiten Zufahrtstraße zu einer neuen Brücke
einen solchen Baum auf mäßig erhöhter Insel stehen lassen und mit einer
Bank umgehen, ohne daß er meines Wissens bis jetzt als Verkehrshemmnis
empfunden wäre, und in Stuttgart ist, wie Abbildung 13 zeigt, bei der Alt-
stadtsanierung die Erhaltung eines alten Baumes Anlaß zur Schaffung eines
reizvollen Städtebildes geworden. Wohl in 90 von 100 Fällen wäre bei der
üblichen Fluchtlinienplanung dieser der Axt zum Opfer gefallen, um die
gerade, normale Bauflucht zu erzielen —- hier führte fühlende Künstler-
hand den Stift: der einspringende Winkel gab dem Baum einen sicheren
Platz, dem Straßenbild eine angenehme Belebung — dem Verkehr sicherlich
kein Hindernis.

Die Berücksichtigung der Schwierigkeiten, der Opfer an Schönheit,
Geist und Geld, welche die Bewältigung des Verkehrs in alten Stadtteilen
verursacht, müßte mehr als bisher dazu führen, das Zentrum alter Stadtteile
zu entlasten, als durch fortwährende Verbreiterung der Straßen und An-
schluß aller Stadterweiterungen an den alten Stadtkern einen immer stärkeren
Verkehrsstrom in diesen zu leiten. Wie das Herz des menschlichen Körpers
das zu reichlich zufließende Blut nicht mehr verarbeiten kann und krank
— hypertrophisch — wird, so kann auch das Herz alter Städte in viel-
seitiger Beziehung nicht gesund bleiben, wenn die Blutwellen des Verkehrs
zu stark in ihm schlagen. Dieses zu vermeiden wird man rechtzeitig —
und es gibt für viele Städte in Deutschland noch ein rechtzeitig — eine
Entlastung der Stadtmitte und die Schaffung neuer Verkehrsmittelpunkte
anbahnen müssen. Überaus beachtenswerte Fingerzeige gibt in dieser Be-
ziehung die 1904 erschienene kleine Schrift von Hercher nGroßstadt-
erweiterungen“, in welcher Verfasser mit Recht auf die Vorteile der
Dezentralisation — auch für die Denkmalpflege — hinweist. Häufig werden
sich solche Entlastungen schon im Wege der Polizeiverordnung erzielen
lassen, indem für bestimmte Verkehrsarten oder -richtungen parallele Wege,
die dann manchmal durch geringe Änderungen diesem Zwecke angepaßt
werden müssen, vorgeschrieben werden. Bisweilen genügt dies sogar schon
für bestimmte besonders verkehrsreiche Tageszeiten. Vielfach wird man
jedoch nicht umhin können, neue Verkehrsadern dadurch zu schaffen, daß
man Bresche in alte Stadtteile legt. Glücklicherweise können wir es heute
 
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