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Denkmalpflege: Auszug aus d. stenograph. Berichten d. Tages für Denkmalpflege 1900 - 1912 — 1.1910

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V. Denkmalpflege auf dem Lande
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https://doi.org/10.11588/diglit.29654#0510

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488

V. Denkmalpflege auf dem Lande

Braunschweig 1906

Referent: Geheimer Oberbaurat Hoßfeld-Berlin:

Hochgeehrte Herren! Unser von Jahr zu Jahr erstarkendes Denkmal-
pflegewesen stellt sich bekanntlich in seinen Anfängen als ein Ergebnis der-
jenigen Richtung des geistigen Lehens der Völker dar, die wir als geschicht-
liche Kulturströmung zu bezeichnen gewöhnt sind. Die Denkmalpflege ist
eine Frucht unserer wissenschaftlichen Zeit überhaupt, und ihre Entstehung
hängt, wenn wir von bescheidenen Ansätzen in früheren Jahrhunderten ab-
sehen, insbesondere mit dem Wirksamwerden der Kunstwissenschaft um die
30 er Jahre des vorigen Jahrhunderts zusammen. Die Betrachtung und Be-
handlung der Dinge nach anderen Gesichtspunkten, so nach dem ästhetischen,
dem ethischen, dem nationalen, gingen selbstverständlich nebenher, sie traten
aber doch hinter dem wissenschaftlichen Zuge der Zeit zurück. Eine Folge
davon war die vorwiegende, vielleicht sogar etwas einseitige Bewertung dessen,
was geschichtliche oder kunstgeschichtliche Bedeutung hatte. Die Denkmal-
pflege erstreckte sich — ganz abgesehen von der mit besonderer Vorliebe
betriebenen Prähistorie — vornehmlich auf die größeren und bekannteren
Kunstdenkmäler, wie sie namentlich die Städte aufzuweisen haben. Das
Land kam zu kurz.

Ich will damit keinen Vorwurf erheben. Denn der Vorgang war durch-
aus natürlich: die wertvollsten Schätze, die größeren und bekannteren, die
besonders vorbildlichen Denkmäler verlangten vor allen Dingen Beachtung
und Schutz. Sie ließen sich auch besser schützen. Denn die öffentliche Teil-
nahme war an ihnen lebendiger, die für sie in Betracht kommenden Besitz-
verhältnisse sicherten den auf Erhaltung und Pflege gerichteten Bestrebungen
den besseren und schnelleren Erfolg.

Verhehlen konnte man sich freilich nicht, daß neben jener vornehmsten,
dankbareren Aufgabe noch eine ungeheure, ungleich schwierigere Arbeit zu
bewältigen war, wenn auch die kleineren, überall im Lande zerstreuten,
geschichtlich und kunstgeschichtlich weniger bedeutenden Objekte mit gutem
Ergebnis in den Bereich der Wirksamkeit gezogen werden sollten. An An-
fängen zur Verfolgung dieses Zieles fehlte es da und dort auch in jener
früheren Zeit nicht. Zum Erstarken der Bestrebung bedurfte es jedoch eines
Weiteren. Und dieses blieb nicht aus. Neben den wissenschaftlichen Geist
der Zeit, neben die ausgesprochen geschichtliche Richtung traten in den letzt-
vergangenen Jahrzehnten neue Kulturströmungen. Gefühlsdinge, Stimmungen
kommen zu stärkerer Geltung. Die Betonung des Ästhetischen, auch ethische,
romantische Anwandlungen bilden die Reaktion gegen die allzu verstandes-
mäßige Behandlung der Dinge.

Sind diese Erscheinungen vielleicht auf der einen Seite das Anzeichen
einer gewissen modernen Decadence, so bilden sie doch andererseits eine be-
 
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