Sächsisches Verunstaltungsgesetz.
241
mannigfache staatliche Fürsorge zu teil geworden, namentlich durch die im
Jahre 1881 von staatswegen begonnene Denkmalaufzeichnung und durch
die im Jahre 1894 erfolgte Begründung einer «staatlichen Kommission zur
Erhaltung der Kunstdenkmäler“. Aber von irgendwelchem staatlichen und
polizeilichen Zwange in diesen Dingen war bei uns in Sachsen bis in die
neueste Zeit keine Bede; auch die soeben genannte Kommission war auf
Anregungen, Gutachten und Ratserteilungen sowie auf die Vermittelung
staatlicher Beihilfen beschränkt, die Befugnis zu irgendwelchen Zwangsmaß-
nahmen blieb ihr versagt.
Diese Abneigung gegen jeden staatlichen Zwang auf dem hier vor-
liegenden Gebiete ist ja, meine Damen und Herren, uns allen nicht unbekannt.
Wir wissen auch, daß sie namentlich in den Kreisen unserer die Freiheit
liebenden und der Freiheit bedürfenden Künstlerschaft auch heute noch so
manchen Anhänger zählt. Ja ich glaube nicht zu viel zu behaupten, wenn
ich meine, daß sie, rein theoretisch genommen, eigentlich unser aller Ideal
darstellt; wir alle würden es sicherlich wärmstens begrüßen, wenn eine Be-
wegung, die, wie der Denkmal- und Heimatschutz, so überwiegend auf die
innere Umbildung und Weiterentwickelung der Volkskultur gerichtet und
angewiesen ist, auf die Anwendung polizeilicher Zwangsmittel völlig ver-
zichten könnte. Aber, meine Damen und Herren, die Erfahrungen der
letzten Jahrzehnte haben uns doch wohl davon überzeugt, daß dieses Ideal,
vorläufig wenigstens, nicht zu erreichen und, wie die Begründung unseres
sächsischen Gesetzes so treffend sagt, ein gewisser polizeilicher Zwang
«gegen Unverstand und bösen Willen“ noch nicht zu entbehren ist.
In dieser Erkenntnis mußten auch wir in Sachsen es bedauern, daß
unsere Gesetzgebung sich hierin so lange Zeit ablehnend verhielt. Während
das preußische Landrecht schon im Jahre 1794 die bekannte Bestimmung
gegen die grobe Verunstaltung von Straßen oder Plätzen traf und z. B.
Bayern, wie wir voriges Jahr in Lübeck vernahmen, bereits in den 20er
Jahren des vorigen Jahrhunderts die Baupolizei in den Dienst der Pflege
der überlieferten heimatlichen Bauweise stellte, ließ noch die sächsische Bau-
polizeigesetzgebung vom Jahre 1863 bei .sehr ausgiebiger Berücksichtigung
konstruktiver und feuerpolizeilicher Gesichtspunkte, irgendwelche ästhe-
tischen Forderungen völlig vermissen. Es blieb lediglich den Lokalbau-
ordnungen Vorbehalten, über «Baustil, Einzelbau, Abfärbung der Gebäude,
Dekoration und andere architektonische Bai}bedingungen“ Bestimmung zu
treffen, eine Befugnis, von der namentlich auf dem Lande nur in bescheidenem
Umfange und obendrein nicht immer sachgemäß Gebrauch gemacht wurde
und die überhaupt den völligen Mangel gesetzlicher Anforderungen nicht
ersetzen konnte. Hierin trat erst ein Wandel ein mit dem Allgemeinen
Baugesetz vom 1. Juli 1900, indem dieses die Baupolizeibehörden ausdrück-
lich zur Untersagung solcher Bauten und baulichen Herstellungen ermächtigte,
die einem Orte «zur offenbaren Unzierde“ gereichten. Indes konnte auch
dies auf die Dauer nicht genügen. Zunächst fehlte nach wie vor die gesetz-
liche Handhabe zu einer wirksamen Bekämpfung der gerade in dieser Zeit
außerordentlich überhandnehmenden Reklame-Verunstaltungen sowie jed-
wede Zwangsvorschrift auf dem Gebiete des Denkmalschutzes. Dann
aber und vor allem wurde alsbald die praktische Anwendbarkeit der neuen
Schutzbestimmung gegen «offenbar verunzierende“ Bauten dadurch auf ein
Tag für Denkmalpflege. I. Band.
16
241
mannigfache staatliche Fürsorge zu teil geworden, namentlich durch die im
Jahre 1881 von staatswegen begonnene Denkmalaufzeichnung und durch
die im Jahre 1894 erfolgte Begründung einer «staatlichen Kommission zur
Erhaltung der Kunstdenkmäler“. Aber von irgendwelchem staatlichen und
polizeilichen Zwange in diesen Dingen war bei uns in Sachsen bis in die
neueste Zeit keine Bede; auch die soeben genannte Kommission war auf
Anregungen, Gutachten und Ratserteilungen sowie auf die Vermittelung
staatlicher Beihilfen beschränkt, die Befugnis zu irgendwelchen Zwangsmaß-
nahmen blieb ihr versagt.
Diese Abneigung gegen jeden staatlichen Zwang auf dem hier vor-
liegenden Gebiete ist ja, meine Damen und Herren, uns allen nicht unbekannt.
Wir wissen auch, daß sie namentlich in den Kreisen unserer die Freiheit
liebenden und der Freiheit bedürfenden Künstlerschaft auch heute noch so
manchen Anhänger zählt. Ja ich glaube nicht zu viel zu behaupten, wenn
ich meine, daß sie, rein theoretisch genommen, eigentlich unser aller Ideal
darstellt; wir alle würden es sicherlich wärmstens begrüßen, wenn eine Be-
wegung, die, wie der Denkmal- und Heimatschutz, so überwiegend auf die
innere Umbildung und Weiterentwickelung der Volkskultur gerichtet und
angewiesen ist, auf die Anwendung polizeilicher Zwangsmittel völlig ver-
zichten könnte. Aber, meine Damen und Herren, die Erfahrungen der
letzten Jahrzehnte haben uns doch wohl davon überzeugt, daß dieses Ideal,
vorläufig wenigstens, nicht zu erreichen und, wie die Begründung unseres
sächsischen Gesetzes so treffend sagt, ein gewisser polizeilicher Zwang
«gegen Unverstand und bösen Willen“ noch nicht zu entbehren ist.
In dieser Erkenntnis mußten auch wir in Sachsen es bedauern, daß
unsere Gesetzgebung sich hierin so lange Zeit ablehnend verhielt. Während
das preußische Landrecht schon im Jahre 1794 die bekannte Bestimmung
gegen die grobe Verunstaltung von Straßen oder Plätzen traf und z. B.
Bayern, wie wir voriges Jahr in Lübeck vernahmen, bereits in den 20er
Jahren des vorigen Jahrhunderts die Baupolizei in den Dienst der Pflege
der überlieferten heimatlichen Bauweise stellte, ließ noch die sächsische Bau-
polizeigesetzgebung vom Jahre 1863 bei .sehr ausgiebiger Berücksichtigung
konstruktiver und feuerpolizeilicher Gesichtspunkte, irgendwelche ästhe-
tischen Forderungen völlig vermissen. Es blieb lediglich den Lokalbau-
ordnungen Vorbehalten, über «Baustil, Einzelbau, Abfärbung der Gebäude,
Dekoration und andere architektonische Bai}bedingungen“ Bestimmung zu
treffen, eine Befugnis, von der namentlich auf dem Lande nur in bescheidenem
Umfange und obendrein nicht immer sachgemäß Gebrauch gemacht wurde
und die überhaupt den völligen Mangel gesetzlicher Anforderungen nicht
ersetzen konnte. Hierin trat erst ein Wandel ein mit dem Allgemeinen
Baugesetz vom 1. Juli 1900, indem dieses die Baupolizeibehörden ausdrück-
lich zur Untersagung solcher Bauten und baulichen Herstellungen ermächtigte,
die einem Orte «zur offenbaren Unzierde“ gereichten. Indes konnte auch
dies auf die Dauer nicht genügen. Zunächst fehlte nach wie vor die gesetz-
liche Handhabe zu einer wirksamen Bekämpfung der gerade in dieser Zeit
außerordentlich überhandnehmenden Reklame-Verunstaltungen sowie jed-
wede Zwangsvorschrift auf dem Gebiete des Denkmalschutzes. Dann
aber und vor allem wurde alsbald die praktische Anwendbarkeit der neuen
Schutzbestimmung gegen «offenbar verunzierende“ Bauten dadurch auf ein
Tag für Denkmalpflege. I. Band.
16