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Denkmalpflege: Auszug aus d. stenograph. Berichten d. Tages für Denkmalpflege 1900 - 1912 — 1.1910

DOI issue:
I. Vorbildung zur Denkmalpflege
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Erfurt 1903
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https://doi.org/10.11588/diglit.29654#0030

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Vorbildung zur Denkmalpflege.

Fragen ab, die begrifflich auf dem Gebiete der historischen Kunstbetrachtung
liegen. Es ist nun von vornherein nicht leicht zu glauben, daß beide ganz
verschiedenen Vorbildungsarten und ganz verschiedenen Denkrichtungen zu
gleichen Ergebnissen für die Denkmalpflege führen sollten. Es fragt sich:
Was sollen wir von diesem Dualismus halten? Ist er notwendig und gut
und soll er deshalb so bleiben wie er ist? oder ist er verbesserungsfähig?
vielleicht im Sinne derselben Entwicklung, die im Museumswesen bereits sich
verwirklicht hat?
Ich gestehe, daß ich diese Frage für eine recht verwickelte halte.
Die Denkmalpflege, die wir heute haben, ist eine Frucht des viel-
gerühmten, unter Umständen aber auch schon hart gescholtenen historischen
Geistes, dessen Vorherrschaft für die geistige Kultur des 19. Jahrhunderts
charakteristisch war. Eine im Grunde auffallend langsam gereifte Frucht.
Wäre es, um die Kunst der Vergangenheit vor Verderbnis und Untergang
zu schützen, allein auf den Willen ihrer Verehrer angekommen, so hätten
sich Kunstwissenschaft und Denkmalpflege genau parallel entwickeln können.
Aber überall griffen praktische Beweggründe mit ein. Auch die ausübenden
Künstler wurden in die von Winckelmann eröffnete, von den Romantikern in
alle Weiten geführten Bewegung hineingezogen. Der Grund ist der, daß die
Kunst des 19. Jahrhunderts das Vertrauen in die eigene Zeugungskraft
verloren hatte; sie suchte ihr Heil in Repristinationen. Es gab eine Zeit,
wo jeder Künstler mehr oder minder auch kunsthistorischer Dilettant war,
ahnungslos, eine wie schwere und mit Behutsamkeit zu übende Sache das
historische Studium sei. So trat eine fortwährende Verwechslung ein zwischen
objektiv-historischem Interesse und subjektiv-ästhetischem Wohlgefallen. Wie
es weiterhin gekommen ist, daß die historisch dilettierenden Künstler einen
so großen Einfluß auf alle praktischen Maßnahmen die Denkmäler betreffend
erhalten haben, will ich hier nicht weiter verfolgen, auch nicht, was unter
diesem Einfluß geschehen ist, noch einmal kritisieren. Wir sind jetzt endlich
so weit wieder, daß wir trennen, was getrennt werden muß. Die Maler
und Bildhauer und Architekten wollen wieder der Gegenwart angehören,
wollen sich selbst aussprechen. Und in Betreff der Werke der Vergangenheit
haben wir einsehen gelernt, daß sie doch nicht deshalb auf der Welt sind,
um für uns, uns heutige, ein Gegenstand des Genusses zu sein; sie haben ein
Recht zu sein, weil sie sind und w i e sie sind; und wenn wir von historischer
Pietät und historischer Wißbegierde sprechen, so kann es sich nur darum
handeln, diese Urkunden der Kunstgeschichte in ihrem Urkundenwert bestens
zu erhalten, genau so, wie wir literarhistorische Texte in Reinheit erhalten
wollen. Sie werden mich, meine Herren, nicht so mißverstehen, als ob ich
ein ästhetisches Verhältnis der alten Kunst gegenüber könnte verpönen wollen;
es soll nur dieses nicht der ausschlaggebende Wertmaßstab für die Denkmal-
pflege sein.
Die Scheidung, von der ich spreche, hat sich gegenüber der einen Hälfte
der Kunstdenkmäler schon seit längerer Zeit klar durchgesetzt: Bilder-
galerien und Skulpturensammlungen, ich wiederhole es, werden nicht von
Malern und Bildhauern, sondern von Kunstgelehrten verwaltet; von geist-
reichen Künstlern erhalten wir zuweilen höchst beachtenswerte Gedanken
auch über ältere Kunst; mit der eigentlichen geschichtlichen Forschung und
Kritik beschäftigen sie sich nicht. . . Anders steht es mit der Baukunst —
 
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