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Denkmalpflege: Auszug aus d. stenograph. Berichten d. Tages für Denkmalpflege 1900 - 1912 — 1.1910

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IV. Kommunale Denkmalpflege
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Über die Erhaltung alter Straßennamen
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https://doi.org/10.11588/diglit.29654#0405

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Erhaltung alter Straßennamen.

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ging und schließlich die Verbindung mit der Aller und Weser suchte. Dieser
Plan, meine Herren, konnte nicht verwirklicht werden. In den ersten Anfängen
blieb die Vorstadt stecken; auch, nachdem sie später wegen Erweiterung der
Festungswerke hinausgeschoben wurde, blieb sie eine kleine, unscheinbare
Vorstadt, die aber ihren Namen «Gotteslager“ auch an die neue Stelle mit
hinübernahm. Da war es im Jahre 1879, daß die Bewohner darum einkamen,
den Namen ändern zu dürfen. Es war nämlich, weil lauter kleine Leute im
Gotteslager wohnten, allmählich der Ausdruck «Gotteslagerscher“ von einem
recht üblen Klang geworden. Freilich von diesem schlechten Ruf der Vor-
stadt war in dem Bittgesuch nicht weiter die Rede, sondern hier wurde aus-
gesprochen, da nun die Vorstadt jetzt gerade 300 Jahre bestanden hätte und
eigentlich ihrem Namen nicht mehr recht entspräche, weil ja jetzt kaum
noch die Gefahr wäre, daß die Lutheraner in dem Lande Braunschweig ver-
folgt würden, wäre es wohl an der Zeit, den Namen zu ändern, und indem
sie vor allen Dingen darauf aufmerksam machten, welche Bedeutung der
Herzog Julius für diese Vorstadt gehabt hätte, meinten sie schließlich, daß
es dieser Bedeutung wohl entsprechen würde, wenn die Vorstadt den Namen
Juliusstadt erhielte. Das ist denn auch in der Tat geschehen. Es fragt
sich freilich, meine Herren, ob es denn nun der Pietät besser entsprach, wenn
man den Namen des Herzogs auf die Vorstadt übertrug, der eigentlich an
einem ganz anderen Teile von Wolfenbüttel haftete, oder wenn man den alten
Namen Gotteslager, der ja so einzigartig ist, festhielt. Einige Jahre später
wurde an der Stelle, wo das ursprüngliche Gotteslager gelegen hatte, ein
Platz angelegt, und es fragte sich, wie er zu benennen wäre. Ich schlug
damals vor, man sollte den alten Namen Gotteslager wieder einführen; aber
die Stadtverwaltung entschied sich dafür, den Platz Her zog-Wilhelm-Platz
nach dem letzten Herzog aus welfischem Stamme in Braunschweig zu nennen.
So bestehen denn Lauenkuhle und Gotteslager nicht mehr für Wolfenbüttel.
Was lehren uns nun diese Beispiele? Zunächst einen völligen Mangel
an geschichtlichem Sinn. Freilich ist solcher ja bei den kleinen Einwohnern —
es handelt sich in beiden Fällen um solche — nicht zu suchen. Aber man
hätte doch vielleicht erwarten können, daß die Behörden ihn besaßen oder
daß sie sich doch wenigstens in dieser Richtung belehren ließen. Beim
Gotteslager lag die Sache insofern noch ganz besonders eigenartig, als mit
der Umnennung die tatsächlichen Verhältnisse nicht aus der Welt geschafft
wurden; denn was ehemals ein «Gotteslagerscher“ war, das war in nächster
Zeit ja natürlich ein «Juliusstädter“, und es fragt sich, ob die guten Ein-
wohner nicht nächstens noch einmal darum einkommen, ihre Stadt anders
nennen zu kennen.
Freilich, meine Herren, an sich ist ja eine Umnennung unter bestimmten
Bedingungen nicht immer zu vermeiden. Wenn z. B. eine Straße in einen
besonders üblen Ruf gerät, die Verhältnisse sich aber in ihr bessern, nun
meine Herren, dann kann man es wohl den Leuten nicht verdenken, wenn
sie mit der Änderung der Verhältnisse auch den alten Namen los sein möchten.
So ist es z. B. der Fall in Dresden bei der Fischersgasse, die jetzt die Briihlsche
Gasse heißt, oder in Hannover bei der berüchtigten Umkehr, die freilich jetzt
den unschönen Namen Tivolistraße bekommen hat. Aber in Wolfenbüttel
sieht es doch eigentlich so aus, als wenn ein armer Mann einen neuen Rock
angezogen und schließlich vergessen hat, auch die Wäsche zu wechseln.
 
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