Schutz der Grabdenkmäler und Friedhöfe.
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zu jenen überladenen, prachtvollen, die ganzen Wandflächen, die Pfeiler fast
verdeckenden Aufbauten, die vor allem unsere nordischen Kirchen verzieren.
Und endlich die Grabdenkmäler auf unseren Kirchhöfen in ihrer fast uner-
schöpflichen Fülle von Motiven und Formen, in der ungeheuren Mannigfaltig-
keit der Vorbilder, zumal aus den letzten beiden Jahrhunderten. Welch
erlesene Kunst, wie viele graziös und fein empfundene Motive, wie viel ernste
und großartige Gedanken sind hier vereinigt, und welch absolute künstlerische
Höhe ist hier noch erreicht kurz vor dem schmählichen Zusammenbruch und
Niedergang dieses ganzen Kunstzweiges der Grabmalkunst am Beginn des
19. Jahrhunderts, ln einem kleinen Sammelbande hat uns Georg Voß schon
vor einer ganzen Reihe von Jahren allein aus ein paar Berliner Friedhöfen
eine Fülle der entzückendsten Denkmäler des ausgehenden Rokoko und des
beginnenden Klassizismus zusammengetragen, die allein eine ganze Blütenlese
solcher Motive darstellen: der feinste Geschmack des 18. Jahrhunderts ist
hier gleichsam kristallisiert wie in Chodowieckis oder Geßners Vignetten.
Es ist einer der natürlichsten Erfahrungssätze unserer praktischen
Denkmalpflege, daß ein Denkmal oder auch eine Gattung, eine Gruppe von
Denkmälern um so mehr gefährdet ist, je weniger sie einem praktischen
lebendigen Bedürfnis dient oder zu dienen scheint, und um so stärker, je
unsicherer ihre Besitzverhältnisse sind. Hier sind diese Denkmäler der Toten
wirklich zu toten Denkmälern geworden. Das 19. Jahrhundert ist unbarm-
herzig genug mit ihnen umgegangen. Es hat ganze Kompagnien von Grab-
denkmälern achtlos aus den Kirchen hinausgeworfen, und die dunkelste Zeit
in der dunkeln Geschichte der Restaurationen im 19. Jahrhundert, die Periode
des Purismus, hat hier am schmählichsten gewütet, und noch bis auf unsere
Zeit. Was ist in den letzten Jahrzehnten alles verloren gegangen durch
Verwahrlosung, durch Aufgabe einzelner Grabdenkmäler, ganzer Friedhöfe!
Wenn wir heute auf dem Gebiet der Denkmalpflege so ganz allgemein
appellieren an das Gefühl der Pietät — ich meine, bei keiner Denkmäler-
gattung dürfen wir das mit so großem Recht und so unmittelbar vielleicht
wie bei den Grabdenkmälern. Hiervon ein Wort zu reden in unserem Gremium,
das erscheint mir eigentlich überflüssig, wenn wir nicht auch ein wenig aus
dem Fenster hinaus reden wollten. Die Gemeinde, der einstmals vertrauens-
voll diese Grabdenkmäler in den Kirchen, auf den Friedhöfen anvertraut
worden sind, sehen wir heute in erster Linie als verpflichtet an, für diese
Monumente zu sorgen. Sie muß sich nun auch dieses Vertrauens würdig
zeigen, sich dieser Ehrenpflicht erinnern.
In nichts ist vielleicht das heutige Geschlecht mit so sichtbaren Fäden
mit den früheren Generationen verknüpft wie in der sichtbaren Gegenwart
einer solchen langen Reihe stolzer Ahnenzeichen, den Grabdenkmälern und
Epitaphien, die von den Wänden der Kirchen zu uns sprechen — und wenn
wir bei einem alten Geschlecht, einer alten Familie es als die schlimmste
Versündigung gegen den Familiensinn, als ein deutliches Zeichen von Verfall
des Familienstolzes, von mangelnder Dankbarkeit gegen die Ahnen ansehen,
wenn sie ihre alten Ahnenbilder aufgibt —, hier handelt es sich um die
Ahnen, um die Vorväter einer ganzen Gemeinde.
Das sind Dinge, die schon seit Jahrzehnten von allen Seiten den Ge-
meinden gepredigt und immer wieder gepredigt werden, die freilich noch oft
genug eine Predigt in den Wind darsteilen.
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zu jenen überladenen, prachtvollen, die ganzen Wandflächen, die Pfeiler fast
verdeckenden Aufbauten, die vor allem unsere nordischen Kirchen verzieren.
Und endlich die Grabdenkmäler auf unseren Kirchhöfen in ihrer fast uner-
schöpflichen Fülle von Motiven und Formen, in der ungeheuren Mannigfaltig-
keit der Vorbilder, zumal aus den letzten beiden Jahrhunderten. Welch
erlesene Kunst, wie viele graziös und fein empfundene Motive, wie viel ernste
und großartige Gedanken sind hier vereinigt, und welch absolute künstlerische
Höhe ist hier noch erreicht kurz vor dem schmählichen Zusammenbruch und
Niedergang dieses ganzen Kunstzweiges der Grabmalkunst am Beginn des
19. Jahrhunderts, ln einem kleinen Sammelbande hat uns Georg Voß schon
vor einer ganzen Reihe von Jahren allein aus ein paar Berliner Friedhöfen
eine Fülle der entzückendsten Denkmäler des ausgehenden Rokoko und des
beginnenden Klassizismus zusammengetragen, die allein eine ganze Blütenlese
solcher Motive darstellen: der feinste Geschmack des 18. Jahrhunderts ist
hier gleichsam kristallisiert wie in Chodowieckis oder Geßners Vignetten.
Es ist einer der natürlichsten Erfahrungssätze unserer praktischen
Denkmalpflege, daß ein Denkmal oder auch eine Gattung, eine Gruppe von
Denkmälern um so mehr gefährdet ist, je weniger sie einem praktischen
lebendigen Bedürfnis dient oder zu dienen scheint, und um so stärker, je
unsicherer ihre Besitzverhältnisse sind. Hier sind diese Denkmäler der Toten
wirklich zu toten Denkmälern geworden. Das 19. Jahrhundert ist unbarm-
herzig genug mit ihnen umgegangen. Es hat ganze Kompagnien von Grab-
denkmälern achtlos aus den Kirchen hinausgeworfen, und die dunkelste Zeit
in der dunkeln Geschichte der Restaurationen im 19. Jahrhundert, die Periode
des Purismus, hat hier am schmählichsten gewütet, und noch bis auf unsere
Zeit. Was ist in den letzten Jahrzehnten alles verloren gegangen durch
Verwahrlosung, durch Aufgabe einzelner Grabdenkmäler, ganzer Friedhöfe!
Wenn wir heute auf dem Gebiet der Denkmalpflege so ganz allgemein
appellieren an das Gefühl der Pietät — ich meine, bei keiner Denkmäler-
gattung dürfen wir das mit so großem Recht und so unmittelbar vielleicht
wie bei den Grabdenkmälern. Hiervon ein Wort zu reden in unserem Gremium,
das erscheint mir eigentlich überflüssig, wenn wir nicht auch ein wenig aus
dem Fenster hinaus reden wollten. Die Gemeinde, der einstmals vertrauens-
voll diese Grabdenkmäler in den Kirchen, auf den Friedhöfen anvertraut
worden sind, sehen wir heute in erster Linie als verpflichtet an, für diese
Monumente zu sorgen. Sie muß sich nun auch dieses Vertrauens würdig
zeigen, sich dieser Ehrenpflicht erinnern.
In nichts ist vielleicht das heutige Geschlecht mit so sichtbaren Fäden
mit den früheren Generationen verknüpft wie in der sichtbaren Gegenwart
einer solchen langen Reihe stolzer Ahnenzeichen, den Grabdenkmälern und
Epitaphien, die von den Wänden der Kirchen zu uns sprechen — und wenn
wir bei einem alten Geschlecht, einer alten Familie es als die schlimmste
Versündigung gegen den Familiensinn, als ein deutliches Zeichen von Verfall
des Familienstolzes, von mangelnder Dankbarkeit gegen die Ahnen ansehen,
wenn sie ihre alten Ahnenbilder aufgibt —, hier handelt es sich um die
Ahnen, um die Vorväter einer ganzen Gemeinde.
Das sind Dinge, die schon seit Jahrzehnten von allen Seiten den Ge-
meinden gepredigt und immer wieder gepredigt werden, die freilich noch oft
genug eine Predigt in den Wind darsteilen.