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ROKOKO
Bewegung, die so geführt wird, daß das Gefühl
niemals von unten her zum Möbel aufsteigt, son-
dern stets von oben her den Boden tippend faßt.
Denn die Schwerkraft ist der Feind des Tanzes! Das
Ornament vernichtet alle Flächen, überläuft sie,
überspielt sie, zerfasert sie nach allen Seiten. Die
Blumenbüsche und Guirlanden heften sich entweder
einfach an die Wand, -wie Schmetterlinge gewichts-
los auf Blütenblättern sitzen, oder sie hängen in
leichter Knüpfung an irgendwelchen Knäufen, an
Ornamenten, an Bändern, hängen dabei nicht in der
Achse, sondern spielen sich gegen die Bänder der
Flächen hin, vermeiden jede Symmetrie: denn diese
würde „stehen“. Und die Schwerkraft ist der Feind!
So war auch nur das Rokoko imstande, den Konsol-
tisch zu erfinden, der auf seinem einen Randbein
für sich allein nicht stehen kann, nur an die Wand
gelehnt, eben jetzt hingestellt, das Momentane seines
Bleibens findet. Perspektivisch verkürzte Stuckorna-
mente, Ringe, in denen Papageien schaukeln, durch-
brechen die geschlossenen Wände, Spiegel leugnen
die bestimmte Begrenztheit. An die Erde reichende
Fenster lassen die Tageshelle ohne feste Führung
einströmen, flackernde Kerzen in der unsymmetrisch
zufällig geformten Krone geben die abendliche
flimmernde Beleuchtung, das eigentliche Licht für
all dies Feine, Kleine und Bewegte, für die hell-
gehaltenen Farben der Stoffe und der Möbel im
Raum der weißen oder hellgetönten Wände. —
ROKOKO
Bewegung, die so geführt wird, daß das Gefühl
niemals von unten her zum Möbel aufsteigt, son-
dern stets von oben her den Boden tippend faßt.
Denn die Schwerkraft ist der Feind des Tanzes! Das
Ornament vernichtet alle Flächen, überläuft sie,
überspielt sie, zerfasert sie nach allen Seiten. Die
Blumenbüsche und Guirlanden heften sich entweder
einfach an die Wand, -wie Schmetterlinge gewichts-
los auf Blütenblättern sitzen, oder sie hängen in
leichter Knüpfung an irgendwelchen Knäufen, an
Ornamenten, an Bändern, hängen dabei nicht in der
Achse, sondern spielen sich gegen die Bänder der
Flächen hin, vermeiden jede Symmetrie: denn diese
würde „stehen“. Und die Schwerkraft ist der Feind!
So war auch nur das Rokoko imstande, den Konsol-
tisch zu erfinden, der auf seinem einen Randbein
für sich allein nicht stehen kann, nur an die Wand
gelehnt, eben jetzt hingestellt, das Momentane seines
Bleibens findet. Perspektivisch verkürzte Stuckorna-
mente, Ringe, in denen Papageien schaukeln, durch-
brechen die geschlossenen Wände, Spiegel leugnen
die bestimmte Begrenztheit. An die Erde reichende
Fenster lassen die Tageshelle ohne feste Führung
einströmen, flackernde Kerzen in der unsymmetrisch
zufällig geformten Krone geben die abendliche
flimmernde Beleuchtung, das eigentliche Licht für
all dies Feine, Kleine und Bewegte, für die hell-
gehaltenen Farben der Stoffe und der Möbel im
Raum der weißen oder hellgetönten Wände. —