Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 15.1994

DOI Artikel:
Langenhagen, Johannes: Grußwort des Rektors
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31839#0011

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Grußwort des Rektors

Wertewandel, Werteverfall, Wertediskussion,
Wertedefinition; Diskussionen, Veranstaltungen
und Traktate zu „den Werten“, populäres Kür-
zel für alles das, was die Menschheit seit alters
für gut und richtig hält oder halten sollte, gewin-
nen in der heutigen Lebenssituation existenti-
elle Bedeutung für die Menschen und das Öko-
System Erde.

Drei Beispiele aus unterschiedlichen Ebenen:

1.

1993 versammelten sich in Chicago 6500 Ver-
treter der Weltreligionen (30 Religionen und
zahlreiche interreligiöse Organisationen). Sie
verabschiedeten eine „Erklärung zu einem Welt-
ethos“.

Hans Küng, einer der maßgeblichen Mitver-
fasser dieser Erklärung, sagt dazu, daß „Welt-
Ethos“ keine Neuerfindung, sondern Wieder-
belebung uralter Werte im Sinne des kleinsten
gemeinsamen Nennersdervielen Religionen ist.
Die Erklärung enthält vier Richtlinien:

Kultur der Gewaltlosigkeit und Ehrfurcht
vor dem Leben

Kultur der Solidarität und gerechte

Weltwirtschaftordnung

Kultur der Toleranz, Leben

in Wahrhaftigkeit

Kultur der Gleichberechtigung,

der Partnerschaft Mann/Frau

Diese Substanz ist in der UN-Charta der Men-
schenrechte enthalten, die freilich auf die recht-
liche, gesetzliche Ebene zielt und theoretisch
rechtliche, politische, auch militärische Durch-
setzbarkeit ermöglicht.

Weltethos betrifft den einzelnen, das Individu-
um, die Ebene des Gewissens, religiös ausge-
drückt das Forum des Herzens (und nicht den
Staat oder Organisationen von Staaten-).

2.

Im Sommer 1993 fand in Glasgow ein ICSID-
Kongreß mit der Überschrift „Design - Renais-
sance“ statt.

Dort sagte Erskine Childers, daß individuelle
Wahrnehmung des aufgeklärten Individuums
Schlüssel für die Einschätzung von Machbarem
und Notwendigem ist, mit der Kontrollfunktion
was von dem machbar Erscheinenden gemacht
wird.

Er stellt fest, daß auf 4/5 der Weltbevölkerung
18% des Weltbruttosozialproduktes und 18%
des Welthandels entfallen, wobei 1/4 der
Menschheit daran überhaupt keinen Anteil hat,
Zahlen, die nicht neu sind und in der Tendenz
schon vor 20 Jahren vom „Club of Rome“ pro-
pagiert wurden.

Stefano Marzano untersetzte diese Analyse. Er
forderte klares politisches Selbstverständnis auf
der Seite aller, die mit Design und seiner Um-
setzung befaßt sind und ihr Bekenntnis für so-
ziale, kulturelle und ökologische Qualität gestal-
terischen Handelns.

3.

In der Lage, in der sich die Menschheit befin-
det, ist es nicht absurd, über Zwangsmaßnah-
men des Staates nachzudenken, die zu mehr
Ressourcenschonung, Gerechtigkeit und Maß-
halten führen. So plädiert der Philosoph Hans
Jonas für eine Zunahme der Unfreiheit in den
Industriestaaten, eine Art Diktatur, die den ein-
zelnen zwingt, Maß zu halten und so eine Wen-
de zum Besseren herbeizuführen. Wir im Osten
Deutschlands, die ein diktatorisches System
erlebt haben, wissen aus eigenem Erleben um
die Vor- und Nachteile derartiger Systeme. Die
Gefahr, daß das diktatorische System das Fal-
sche durchsetzt, ist groß und die Wahrschein-
lichkeit gegeben, daß das verordnete „Gute und
Richtige“ (wenn es denn das ist), vom einzel-
nen widerwillig und halbherzig praktiziert wird.

Alle diese Aktivitäten haben gewichtige Grün-
de. Ein Teil der Menschheit hat, insbesondere
im 20. Jahrhundert, unbekümmert und unbe-
schränktfortschrittsgläubig, seinen Lebensraum
im Sinne von Plünderung benutzt.

Das Zusammenleben von immer mehr Men-
schen ist durch Terror, Gewalt, Rücksichtslosig-
keit gekennzeichnet.

Ein Blick in die Literatur offenbart die Geschwin-
digkeit dieser historischen Entwicklungen seit
Beginn unseres Jahrhunderts.

Henry Ford schreibt um 1910 in „Mein Leben
und Werk“ über den Sinn und die Qualität des
Produzierens und den Umgang mit Geld.

9
 
Annotationen