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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 15.1994

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Stahel, Walter R.: Produktdauerforschung, ökologisches Design und Betriebswirtschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.31839#0121

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Walter R. Stahel

Produktdauerforschung,
ökologisches Design und
Betriebswirtschaft

Zusammenfassung

Langzeitgüter, Nutzungsdauerverlängerung und
intensivere Nutzung von Gütern sind die wich-
tigsten technisch-wirtschaftlichen Strategien für
eine ökologischere Produktgestaltung innerhalb
einer nutzungsorientierten Dienstleistungsge-
sellschaft; diese Strategien:

sind nachhaltig und umweltfreundlich,
bauen auf einer Bewirtschaftung von beste-
hendem Reichtum und Wohlfahrt (Bestand))
auf,

sind modern und wirtschaftlich sinnvoll,
beschleunigen den technologischen Fort-
schritt und verstärken die Eigenverant-
wortung der wirtschaftlichen Akteure,
vermindern die Geschwindigkeit der Stoff-
ströme durch die Wirtschaft und tragen
damitzur Ressourcenschonung undzurRe-
duktion der Versauerung bei,
führen im wirtschaftlichen Handeln das Ziel
einer höheren Ressourceneffizienz ein.

Die beiden letztgenannten Faktoren fehlen in
der heutigen ,grünen‘ Diskussion und im auf
Recycling fokussierten Denken weitgehend.

Die Einführung dieser Strategien in die Volks-
und Betriebswirtschaft verlangt die Einsicht und
den Mut zu einem Wechsel in der Denk- und
Handlungsweise von Unternehmern und Politi-
kern. Diese Strategien sindin sich langlebig und
werden, einmal eingebracht, sich mit Erfolg im
Markt durchsetzen. Aus strategischen Gründen
sollten dynamische Unternehmer deshalb ver-
suchen, in ihrem Geschäftsgebiet die ersten zu
sein, die umstellen!

Sicher bringt die Einführung dieser Strategien
auch eine gewisse Neuverteilung der wirtschaft-
lichen Macht, sowie das Auftauchen von neuen
Akteuren mit sich.

1. Vom „Business as usual“ der Industrie
gesellschaft zu einem nachhaltigeren
Wirtschaften

a) Es gibt ein Axiom im modernen Manage-
ment, daß immer kürzere Produktzyklen eine
Notwendigkeit sind, um zu überleben. Dieses
Axiom mag unter entsprechenden Rahmenbe-
dingungen immer noch richtig sein; es beruht
aber auf historischen Rah-menbedingungen,
welche über lange Zeit linear fortgeschrieben
worden sind: Es ist die Sicht der Industrie-
gesellschaft, deren theoretische Grundlagen
über 200 Jahre alt sind. Falls die wirtschaftli-
chen Rahmenbedingungen sich hingegen ge-
ändert haben, ist vermutlich das Axiom nicht
mehr gültig.

Aber auch innerhalb des Axioms bestehen heute
die Probleme, daß keine Zeit mehr zur Verbes-
serung bestehender Produkte verbleibt, und
daß eine Beschleunigung der Produktentwick-
lung zu höheren Entwicklungskosten führen
wird. Das Qualitätsrisiko aus der mangelnden
Überarbeitung wird minimiert durch kurze
Gewährleistungsfristen; die höheren Entwick-
lungskosten verlangen nach höheren Produkti-
onsvolumen für ihre Abschreibung, was in
gesättigten Märkten kürzere Produktzyklen oder
größere Fertigungseinheiten bedeutet. Damit
sind Beschleunigung und endlich der Infarkt
vorprogrammiert.

Rahmenbedingungen der kürzeren Produkt-
zyklen sind u.a. ein vom Güterverkauf abhängi-
ger Umsatz des Unternehmens; eine Verfügbar-
keit von guten Produktentwicklern zu günstigen
Lohnkosten; eine Bereitschaft der Verbraucher,
die neuen Produkte zu kaufen. Langfristig kön-
nen diese Bedingungen nicht als gegeben ange-
nommen werden.

b) Eine diesem Axiom diametral entgegenge-
setzte Meinung schlägt vor, langlebige, reparier-
und hochrüstbare Güter zu entwickeln, welche
qualitativ permanent verbessert werden, und
diese Güter und ihre Hochrüstung auf innovati-
ve Weise zu vermarkten (d.h. je nach Fall die
,Nützlichkeit‘ der Güter an den Nutzer zu ver-
kaufen, vermieten, verleasen). Das nun be-
herrschbare Qualitätsrisiko wird im Markt durch
eine „unbegrenzte“ Garantie, welche ein Rück-
gabe- und Umtauschrecht miteinschließt, sicht-
bar gemacht.

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