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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,2.1916

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Heft 7 (1. Januarheft 1916)
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Stapel, Wilhelm: Bismarcks Erbe?
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Schumann, Wolfgang: Wie's ein Russe ansieht
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https://doi.org/10.11588/diglit.14292#0035

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an tz.ie Stelle elender Hütten gute deutsche Bauernhäuser zu setzen. tzat
der Staat nur billiges Land, so daß die Bauernsöhne für dasselbe Geld,
für das sie Bearnte oder Kaufleute werden, einen tzof erwerben können —
wahrlich, es bedürfte nur einer Reklame, die halb so groß wäre als die
Reklame für Zigaretten, Kinos, Schundlektüre usw., um in wenigen Iahren
einen ausreichenden Strom deutscher Ansiedler hervorzulocken. Damit
würde sich der Volkskörper selbst recken und dehnen, statt daß er zahllose
Deutsche in irgendein fernes Indien verspritzt. Wir glauben, wenn eine
Bauernsiedelung gelänge, so würde darüber hinaus immer noch eine ge--
nügend starke Bildungsschicht da sein und neu heranwachsen, die in Asien
und Afrika andern Völkern und Rassen Führerdienste leisten kann. Ls
handelt sich ja keineswegs um ein Entweder-Oder. Wer die Botwendig«
keit der Bauernkolonisation vertritt, schließt damit die andre Art der
Kolonisation, die Delbrück wünscht, nicht aus. Erst beides zusammen,
darüber kann kein Zweifel sein, ergäbe das Bild gesunder Vollkraft eines
Weltvolkes. Wilhelm Stapel

Wie's ein Nusse ansieht

or kurzem hat der Berner Privatdozent F. Lifschitz bei Füßli in Zürich
^U Hein Buch „Rußland" herausgegeben. Darin finden sich bemerkens-
werte Sätze wie diese:

„Man kennt Rußland nicht und urteilt trotzdem über Rußland. Das
Gegenteil ist bei uns Russen der Fall: wir kennen Westeuropa, die
Spracherr und die verschiedenen Literaturen, die staatlichen Linrichtungen
und trotzdem sind wir keineswegs geneigt, apodiktische Rrteile über ver-
schiedene Rationen abzugeben." „Dem Westeuropäer erscheint der Russe
entweder als Kosak oder als Rihilist, und nur von diesem Gesichts-
punkte aus betrachtet er Rußland. Gewiß ist Rußland ein Land des Ex-
tremen in mancher tzinsicht, aber 'so weit geht auch in Rußland das
Extreme nicht. Ferner ist das Land sehr groß und von verschiedenen Natio-
nalitäten bewohnt, so daß es von vornherein geboten, sehr vorsichtig und
äußerst bedacht allgemeine Grundsätze aufzustellen, denn oft ist nur
ein Detail die Wahrheit. In diesem Sinne die Wahrheit zu fördern —
ist Ausgabe der vorliegenden Schrift" (Einleitung).

„Aus diesem Angeführten geht klar hervor, warum Rußland im Rück-
stand geblieben ist. Wie weit es im Rückstand ist — das ist eine andere
Frage. In Westeuropa wird dies äußerst übertrieben. Andrerseits gibt
es in Rußland vieles, sehr vieles im Gebiete der Kultur und Gesittung,
wodurch es Westeuropa bereits überragt. Das kennt Westeuropa nicht.
Es gehört zu den menschlichen Schwächen, daß man nur die Laster des
Gegners, nicht aber die Tugenden kennt, ihn aber nur auf Grund der
Laster beurteilt. Das ist menschlich, allzu menschlich, denn man kommt
sich selbst sehr wichtig vor" (S. 53). Zwei Beispiele hierfür: „Rußland
ist kein Land der .Spezialisten, das spezifische Spezialistentum fehlt in
Rußland. Auch der Studierende, der eine Fachwissenschaft treibt, be-
kundet großes Interesse für allgemeine Bildungsfragen, vor allem für
die Schöne Literatur, Philosophie und Soziologie. Der russische Student
ist auch in der Regel sehr belesen. Es gehört von jeher zu den Traditionen
der russischen Bildung der Iugend, über eine vielseitige Belesenheit zu
verfügen. Der, welcher lange Iahre in Westeuropa geweilt hat und das

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