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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,2.1916

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Heft 9 (1. Februarheft 1916)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Zu Wilhelm Steinhausens "Siebzigstem"
DOI Artikel:
Witte, Johannes: Was bedeutet Chinas Kaisertum?
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https://doi.org/10.11588/diglit.14292#0115

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drucksvolle, aber ganz schlichte tzaltung gleichsam ernzutaden zu der ver«
trauten Zwiesprache, die das Intime enthüllt. Nur bei stärkster Erregung
kommt es auch dann zur Geste, wie zu dem Aufzucken in dem Bilde „Ich
hör ein Sichlein rauschen".

Nun ist Steinhausen siebzig Iahre alt. Achtung und Ehre hat er reich-
lich geerntet, als Maler, als Künstler, als Mensch. And dennoch könnten
wir diese Zeilen mit einem Freudenworte nur dann schließen, wenn wir
das Bitterste zurückdrängten, dessen bewußt zu bleiben uns doch nützlich ist.
Wo sind die Kirchen, deren Altarbilder Steinhausen ge-
malt hat? Es gibt ihrer ein paar, ja, weitweg und fernab. In mehre-
ren neuen ist etwas wie Kompromiß mit Steinhausenschem Geiste zu
spüren, nicht er selbst. Dem Ganzen gegenüber gilt bei ihm so gut wie
bei Uhde: daß die deutsche protestantische Kirche diese Reformatoren ihrer
Malerei vor den Türen ihrer Gotteshäuser arbeiten ließ. A

Was bedeutet Chinas Kaisertum?


apoleon I. hat einmal gesagt: „Wenn China sich bewegen wird, so
wird es die Welt bewegen." Seit fünfzehn Iahren ist Lhina aus seiner
Erstarrung erwacht. Wir Westländer haben es erweckt, mit Gewalt.
Nun gehen Bewegungen durch dies Riesenvolk von H00 Millionen
Menschen, die es bis in die Tiefe erschüttern, und aus denen das neue China
stark und umgewandelt hervorgehen wird. Eine dieser alles erschütternden
Bewegungen war die chinesische Revolution des Iahres bie im Februar
zur Abdankung der Mandschu-Dynastie führte und China dem Namen
nach in eine Republik umwandelte. China war für eine so moderne Staats-
form keineswegs reif, es entstand heillose Unordnung im ganzen Lande.
Das wurde erst wieder besser, als Puan Schi Kai als Präsident an die
Spitze der Verwaltung trat und nun als Alleinherrscher die Regierung zu
führen begann. In Wirklichkeit war er schon lange „Kaiser", es fehlte
ihm nur der Titel und seinem Geschlecht das Recht der Erbfolge. Nun
hat er beides erhalten. Uüd sehr geschickt hat er eine seiner Töchter d^m
elfjährigen, W2 entthronten letzten Mandschu-Kaiser verlobt, der mit allen
Prinzen des entthronten Kaiserhauses friedlich und ungefährdet in Peking
lebt.

Der Wandel aller dieser Dinge hedeutete viel mehr als
nureineneigenartigschnellvollzogenendoppeltenWech-
sel der Regierungsform für China.

Im chinesischen Volk lebt noch machtvoll die vier Iahrtausende alte Idee,
daß der Kaiser von China der Mittler zwischen den beiden großen Mächten
der Welt ist, zwischen dem tzimmel und der Erde, die nicht nur Daseins-
wirklichkeiten sind, sondern die geistigen Nrkräfte des Seins, die Quellorte
der beiden Welttriebe, des Pin und Pang, des Männlichen und Weiblichen,
des Aktiven und Passiven, des warmen und des kalten Prinzipes alles
Geschehens. Der Kaiser ist es, der als „Sohn des tzimmels", als Sohn
der (obersten und allein ewigen) Gottheit, die Beziehungen zwischen tzimmel
und Erde zu regeln und gedeihlich zu gestalten hat, daß ein tzinüber- und
tzerüber-, ein tzerab« und Herausströmen der ausgleichenden Segenskräfte
stattfindet zum Wohl der ganzen Menschheit und zur Aufrechterhaltung
der Ordnung der Natur. Wenn Regen und Sonnenschein, Saat und
Ernte und alles Leben glücklich sich vollzieht, so ist es des Kaisers Ver-

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