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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,2.1916

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Heft 12 (2. Märzheft 1916)
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Marsop, Paul: Der Weltkrieg und die deutschen Bühnen
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Avenarius, Ferdinand: Poelzig
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https://doi.org/10.11588/diglit.14292#0267

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mehr als Rechenpfennig und Lückenbüßer. Der Weltkrieg zeigt den Banke-
rott der gegenwärtigen deutschen Bühnenführung. Auf einem anderen
Brette steht, weshalb das heute in unseren Theatern maßgebende Publi«
kum zu all dem Widrigen und Iämmerlichen Ia und Amen sagte, und
weshalb die zum Anwalt einer Hochstrebenden vaterländischen Kunst be»
rufene Kritik, mit wenigen rühmlichen Ausnahmen, unter Vorbringen von
allerhand lendenlahmen Sophistereien den Intendanten und Direktoren
beisprang oder es bequem fand, hinter den spanischen Schirm des „Burg-
friedens" zu kriechen und sich dort tot zu stellen. sn^ Paul Marsop

Poelzig

nter den Baukünstlern der Gegenwart nimmt der Breslauer tzans

Poelzig einen Platz für sich ein. Ein Architekt als Leiter einer

^^Kunstakademie — schon das ist auffällig. Lin Architekt, der von
sich sprechen macht, mit dem Sitze nicht in München, Dresden oder Berlin,
sondern im Osten — „gehört sich das?" Frage: zu welcher Schule kann
man ihn denn rechnen? Gegenfrage: wer denkt bei Poelzig an eine
Schule, ist er nicht „Klasse für sich" ? Wenn irgendwo die Architekten,
die tzeimatschutzleute, die vom Werkbund, die vom Dürerbund beraten,
so müßt' es ein sonderbarer Zufall sein, wenn Poelzig dabei wäre. Aber
wenn von den großen tzoffnungen und von den Kräften gesprochen wird,
so tönt sicher der Bame „Poelzig^ auf. Und dann mit einem Tone
genannt, wie man nicht von den Einflußreichen spricht, sondern von den
Großen. Man pflegt nicht weiter darauf einzugehn, aber ich habe gegen
solche Erwähnungen und ihren Ton auch noch niemals einen Widerspruch
gehört. Es war dann immer, als ginge ein schweigendes Aberlegen durch
den Saal.

Wer zum erstenmal eine größere Sammlung von Bildern nach Poelzig-
schen Bauten sieht, wird da gar nicht so leicht das Gemeinsame erkennen.
Irgendein „Werkmal^, wie sie der Laie gern für das Kennzeichen von
Persönlichkeit hält, irgendein Kennzeichen für ihn überhaupt, irgendeine
„Poelzig-Marke" gibt es nicht. Wie kommt das? Ich kann mir keine
größeren Widersprüche denken, als die Begriffe „individuelles tzaus" und
„Poelzig", ich kenne keinen einzigen Bau Poelzigs» bei dem der Künstler
seine Persönlichkeit nicht zunächst einmal aufgelöst hätte in seine Aufgabe.
Er nimmt, sie nimmt, ich möchte fast sagen: wie der Dramatiker die Ele-
mente in sich auf, aus denen ein Bau erwachsen soll, er sättigt sich
mit der Aufgabe. Sich, das aber Heißt: ein Künstler-Ich, in dem es
von Vorstellungen künstlerisch sprudelt, von Form-, von Linien-, von Farb-
vorstellungen, von Materialgefühl, von Bewegungsgefühlen jeder Art.
Die leben nun alle als Phantasie im Dienst der Aufgabe. Ist die trocken,
so kann Poelzig trocken sein bis zur Büchternheit, ist sie poetisch, so kann
er schönheitselig sein bis zum Griechentum. Vor jeder Aufgabe ist er
neu, in jedem Werke scheint es anders, dieses Ich, das nie ermüdet und
sich deshalb nie in Schema oder Manier wiederholt, diese Phantasie,
die immer aus den Elementen schöpft und aus ihnen ihre Werke wachsen
macht, wie Baturgebilde aus ihrem Boden im Sonnenlichte wachsen.

Ein Land- oder ein Stadthaus soll gebaut werden, Poelzig baut's,
daß sein Besitzer heraussieht, auch wenn er wo anders ist. Ein altes
Rathaus soll umgebaut werden, Poelzig macht's ohne jede Altmodlerei, und

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