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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,2.1916

DOI Heft:
Heft 12 (2. Märzheft 1916)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Poelzig
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https://doi.org/10.11588/diglit.14292#0268

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doch so, daß der neue Geist mit dem alten Arm in Arm durchs Tor geht.
<Lin großes Geschäftshaus für Kaufmannszwecke — wir erschrecken fast
vor der Kälte, mit der es dasteht, und empfinden doch mit Eindruck den
Wert seiner Energie. Man blättre unsre Beilagen durch. Ein großes
Mühlenwerk — wie anders ist dieses Gebilde wieder, nicht vom Rechnen
sprechend, sondern von seiner besondern Arbeit, durchaus charakteristisch,
durchaus modern und — schön. Verwandt und doch ganz anders die
chemische Fabrik in Luban, auch sie in jeder Beziehung architektonischer
Ausdruck dessen, was da gewollt und getan wird, auch sie ohne jeden
Zierat schön. Nirgend Einerleiheit, nirgend Wiederkäuerei, nirgend Schema»
Ganz verschieden unter sich sind sogar Poelzigs Wassertürme, der Ent«
wurf für tzamburg und der, welcher (auch in entzückend vornehmer Farben-
schönheit) in Posen steht. Wer die Breslauer Ausstellung (9(3 besucht
hat, erinnert sich abermals ganz anderer Bauten Poelzigs. Das Ge--
bäude einer kunstgeschichtlichen Ausstellung soll der Zeit vor einem Iahr«
hundert gewidmet werden. Wer könnt' es also denken, ohne an Antike
zu denken! Der tzauch der Antike grüßt vernehmlich über Poelzigs Bres-
lauer Ausstellungsbauten hin, aber nichts ist von impotentem Antikisieren
dabei. Man betrachte etwa vom Säulengang her (wo auch der Ansatz
der Rundung sichtbar ist) das Profil dieser — ovalen — Kuppeln „mit
fühlendew Auge" oder vom Innenhof her die schwebende Schönheit des
Aufbaus über der vollendeten Ruhe des Unterbaus. Dann wird man
auch Hier des Schöpferischen gewahr werden, des Schaffens aus der
Aufgabe auch hier, wo das zu Gestaltende etwas ganz anderes ist, als
in den Rutzbauten, nämlich eine Kulturstimmung. Schade, daß sich tzohl-
räume nicht photographieren lassen, unser Bild des Innern der Kuppel
bittet die Phantasie des Betrachters: verbessere mich. Aber schon, was
hier verzerrt erscheint, genügt doch wohl, um diesen Raum als eine Art
Tempel des strengen Preußentums fühlen zu lassen, auch wenn man nicht
bemerkt, daß er im Wesentlichen auf schwarz und weiß gestimmt ist. Rutz-
bau und Monument zugleich zeigt Poelzigs Entwurf zur Talsperre bei
Klingenberg. Monument und Festspielraum zugleich sein Entwurf zum
Bismarckdenkmal bei Bingerbrück. Der ist abgelehnt worden, wie leider,
leider auch Poelzigs Entwurf zum Opernhaus-Neubau in Berlin. Der
hätte übrigens der Reichshauptstadt nicht nur ein wundervoll großzügiges
und Harmonisches, sondern auch ein architektonisch durchaus wahrhaftiges
Bühnenhaus geschenkt.

Wer Poelzigs Schaffen nur ganz flüchtig überblickt, mag in ihm einen
„Proteus" sehn, einen Architekten von einer „erstaunlichen Wandelbar-
keit". Wir umschreiben sein Wesen anders, auch wenn wir von dem letzten
Geheimnis des Persönlichen schweigen wollen, das sich ja immer nur
fühlen und nie beschreiben läßt. Wir werden in diesem Geist eine der
ganz seltenen Vereinigungen von Höchster Sachlichkeit mit kräftigster Phan-
tasie begrüßen. Seine GrundrißgestaltungeN) die wir ja hier nur mit
diesen Worten streifen können, würden uns recht geben. Ein Künstler
dieser Art ist nicht denkbar, wenn er nicht der Fähigkeit und dem Erleben
nach viel mehr in sich bildet, als dann die Formen einer Kunst hinstellen.
Der große Architekt ist wie der große Poet immer auf mehreren Gebieten
des künstlerischen Lrlebens zu tzaus. Auch Poelzig ist's. Das ist es
nicht nur, was seine Lehrtätigkeit so fruchtbar macht, sondern auch: was
uns vor all seinen Bauten fühlen läßt: hier quillt's aus der Fülle. A
 
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