Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

DOI Heft:
Heft 13 (1. Aprilheft 1916)
DOI Artikel:
Vom Heute fürs Morgen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0038

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
lang und wuchtig Erinnern an Tat-
bericht oder Taterleben, und sie mei--
nen dann, sie hörten das auch aus
dem, was gedruckt vor ihnen liegt.
Aber wir, denen unmittelbar so
wenig zukommt, wir, die bei alle-
dem, was man uns bieten dars, doch
jeden Bericht und jeden Aufsatz
wieder durchschürfen nach seinem
Tatenklang, wir hören das Erleben
nicht so neben den Worten und er-
bosen uns deshalb über unnütze und
ausdringliche Schreiberei.

Es ist wirklich zuviel papierne
Maßgeblichkeit da sür diese Zeit,
da Taten sind. Denkt, was sie
schasfen in Ost und West. Denkt,
wie mancher Kerl, der sein Lebtag
nichts getaugt hat, zum Helden wird,
und wär's nur, um anständig zu
sterben. Denkt, wie manch braver
Iunge nie mehr sein Schwert ab-
wischt und zurückkommt. Was Feld-
herren erdenken, ist auch nicht aus
leerer Tage Schwatzen und Getue,
sondern aus Stunden schwerer Tat
und Erprobung. Wollt ihr nicht
etwas leiser sein?

Ein Beispiel will ich geben. Lin
Werbeanwalt schrieb einen Aufsatz:
„Die Kundenwerbung der Kriegs-
tage". Lr meinte damit: Die kriegs-
mäßige Aufmachung von Anzeigen
und Anpreisungen. Es ist ein häß-
liches Wort, das von der Kriegs-
industrie. Es ist häßlicher, was der
Werbeanwalt am Schluß seines Auf-
satzes sagt: „Der deutsche Kunden-
werber zeigt, daß er nicht minder
tapfer und geschult auf dem Posten
steht, als unsre Feldgrauen draußen
im Osten und Westen." Es klingt
so satt, Verehrte! War der Mann
bei Lüttich oder in Masuren dabei?

Ls ist häßlich, daß Leute sich den
Beutel füllen aus dieser Zeit der
Opser und Taten. Der schweigende
Geldverdiener ist mir aber immer
noch lieber als der geschwätzige.

Ein Schriftsteller schrieb über den
deutschen Nörglertyp. Deutsch ist der

Typ nicht — man hat ihn überall.
Geben wir nichts auf die Schreier
in diesem oder jenem Sinne! Man-
cher Nörgler hegt tiefern Sinn für
Wert und Gut, alö siebenmal be-
jahende Schwätzer mit dreimal auf-
trumpfendem Deutschbekennen. fmj
Karl Scheel

Bessert unser Deutsch! 1

»r j nsre Sprache zu reinigen, zu ver-
^seinern, zu kräftigen, das fordert
die vatervölkische Pflicht. Aber in
keiner der drei Richtungen liegt das
Ziel so nahe, wie in dieser erregten
Zeit die meisten glauben. Beispiels-
weise: willst du die Sprache „reini-
gen", so hüte dich, daß du ihr nicht
Feinheiten nimmst und ihr
dadurch ihre Hauptaufgabe schwächst,
die Kraft, auszudrücken. Man
bekämpft jetzt das Fremdwort oft
so schnellfertig, daß es einem, der
seit einem Vierteljahrhundert eben
gegen die Fremdwörterseuche arbei-
tet, bei solcher Kampfgenossenschaft
mitunter unwohl wird. Zwar mag
der Rutzen sogar einer unbesonnenen
Bekämpsung des Fremdworts größer
sein, als der Schaden des Gehen-
lassens — wir werden darüber noch
einmal sprechen. Aber man denkt
zu ausschließlich ans Fremdwort!
Die Gegenwart wäre geeignet, auch
sonst auf unser Deutsch zu achten,
es zu bewegen, zu turnen, denn seine
Glieder sind ost so faul, daß sie schla-
sen. Wir wollen mithelfen, daß sie
wieder munterer werden. Wir und
andre. Wobei wir durchaus nicht
behaupten wollen, daß jeder von uns,
der im folgenden spricht, die Weis-
heit an allen vier Zipfeln habe. Ge-
nug, wenn er zum Nachdenken,
Nachfühlen, Nachbilden bei sprach-
lichen Aufgaben, zum Mitarbeiten
an unserm Deutsch anregt. A
t. Die Dingwortseuche
Die Dingwortseuche kennen die
meisten gar nicht, und die wenigen,
die sie kennen, halten sie vielleicht

22
 
Annotationen