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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

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Heft 13 (1. Aprilheft 1916)
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0055

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für den flüchtigen Blick auszeichnet, hindurchgreift und etwas anderes
heraushebt. Er zeigt uns die Linien des deutschen Bodens so wie sie
zu dem stimmen, was heute aus ihm hervorgeht. In seinen ruhenden
Hügeln, in der reifen Schwere des Korns und der Stille des Sonnen-
feldes zwischen den Wäldern liegt unveräußerliche Größe. Da ist alles,
was wir brauchen, alles, was wir von uns erhoffen: In sich gekehrte
andächtige beifallentratende Kraft. Wer uns unsere Mutter so schön
gezeigt hat, ist ein starker, seiner Künstler.

Es gibt auch einige italienische Bilder von ihm; aber da, wo seine
Kunst Sprache verleiht, ist es der deutschen Erde gegenüber, an der wir
den Zug der Größe finden lernen wollen. B. B.

evv^-it diesem Begleittext zu unserer Botenbeilage geben wir zugleich eine
^»'Probe aus Prof. von der Psordtens Büchlein über Schubert, das
in diesem Heft angezeigt wird. Er sagt darin über Schuberts „Dem Un-
endlichen":

„»Dem Unendlichen« von Klopstock ist gewiß kein Lied, sondern ein
Arioso mit vorhergehendem Rezitativ. Das ist der Stil, der sür Erhaben-
heit allein in Betracht zu kommen schien, sür das hohe Pathos, wie es
hier in Wort und Ton zu uns spricht. Wir vermeinen, ein Stück aus
einem Oratorium vor uns zu haben. Majestätisch setzt das Klavier ein
in i?-Dur, im dritten Takt in 6-Dur die Singstimme. Der Gedanke an
den Unendlichen ist erhebend- wohlgemerkt: der »Gedanke«. Das läßt
sich nicht eigentlich singen, sondern nur deklamieren. Also Rezitativ.
Bei dem Wort »denkt« fortissimo der ^.-Dur-Akkord, geradezu erschrocken
vor der Verwegenheit, Gott »denken« zu wollen. Dann der Gegensatz:
der Blick auf sich selbst beugt das Herz tief, bis ins b herunter; wehklagend
bestätigt es das Klavier, denn »Nacht und Tod« wird in e-Moll erschaut.
Aber es richtet sich wieder auf; sequenzartig führt ein bewegteres Motiv,
das der Zweiunddreißigstel wegen nicht zu schnell genommen werden dars,
um nicht zu leicht und zu slüchtig zu klingen, zu dem hellen L-Dur, in dem
der Retter angerusen wird. Wunderschön die Modulation nach 6-Dur, voll
Zuversicht auf Hilfe von oben; schon auf »Elend« der befreiende Ouartsext-
akkord. Auch hier wieder, wie in »Wanderers Nachtlied«, nicht das Elend
betont, sondern die Gewißheit der Erlösung. Nochmals sequenzartig aus-
steigende Modulation bis nach 8-Dur: jetzt »denkt« der Sänger, daß er
»ewig geschasfen« ist, als Gottes Ebenbild. Bei dem Ausruf »Herrlicher«
eine an Beethoven gemahnende psychologisch und poetisch bedeutsame Neben-
einanderstellung: fortissimo der O-Dur-Akkord, pianissimo der L-Moll-
Akkord, ersterer lobpreisend, letzterer erschauernd; der Tonpoet Schubert
souverän. Wie soll man sür das Gnadenwunder danken? Da will »kein
Preis«, weder »unten am Grab«, noch »oben am Thron«, genügeu. Chro-
matisch auswärts drängend und steigend geht es zum Gipsel: »Herr Gott,
den, dankend entslammt«; bei dem entscheidenden Wort »dankend« der
Quartsextakkord von Lg-Dur, mit dem die bisher trotz aller reichen Modw-
lation noch nicht berührte Haupttonart erreicht wird, eine große poetisch-
musikalische Feinheit, die doch absolut nicht als Berechnung wirkt. Der
»Iubel« aber jauchzt hinauf ins hohe 33, um sich ins 68 herabzuschwingen;
hinreißend beschließt diese 'Kadenz den rezitativischen Teil. Nun solgt der
ariose, der tzymnus als Dankgesang, »langsam, mit aller Kraft«, in der
rechten Hand des Klaviers harfende Triolen, in der linken ein puuktiertes
Posaunenmotiv. Der SLnger, der sich außerstande fühlt, selbst den Hoch-

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