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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

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Heft 14 (2. Aprilheft 1916)
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Avenarius, Ferdinand: Abschied vom zweierlei Tuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0089

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oder Borten, sowie der metallfarbigen, aber nicht glänzenden Tressen,
Fransen oder Verschnürungen alles nur noch grau oder graugrün gehalten
sein. Dafür sprechen nun allerdings ebensalls Zweckmäßigkeitsgründe, aber
dagegen doch auch gewaltige ästhetische Bedenken, die schon jetzt
nicht unterdrückt werden können. Man wird zwar nicht gut verlangen kön-
nen, daß die vortragenden Abteilungschefs im Kriegsministerium künst-
lerische Gesichtspunkte geltend zu machen haben. Vielleicht hat der eine
oder andere von ihnen darauf hingewiesen, daß eine schöne Kleidung bei
der Berufswahl für nicht wenige auch einen besonderen Anreiz zu bieten
vermöge; vielleicht hat einer der Offiziere auch betont, daß jetzt manche
historischen Beziehungen, die in der Geschichte einzelner Truppengattungen
nicht ganz unwesentlich sein mögen, jähe zerrissen werden. Aber jedenfalls
hat die nüchterne Praxis über derartige Einwendungen gesiegt.

Wir müssen sparen. Das ist gewiß richtig. And zweierlei Bekleidung
ist jedensalls teurer, wenn auch keineswegs gleich doppelt so teuer, da ja
die Abnützung von zwei Garnituren nebeneinander die anfängliche Mehr-
ausgabe wieder einigermaßen ausgleicht. Sicherlich wird man nach Frie-
densschluß nicht gleich an die Anschafsung von Friedens-Paradekleidern
denken können, weil ja zunächst die massenhasten seldgrauen Ausrüstungen,
soweit sie eben noch brauchbar sein werden, durch den verminderten Frie-
densstand aufgebraucht werden müssen. Besondere Geldbewilligungen für
Paraden wären von der Volksvertretung ebensowenig zu erreichen, wie sie
dieser wahrscheinlich zugemutet würden, zumal man ja doch dann alle Hände
voll zu tun haben wird, um den großen Friedenskulturaufgaben, die
gegenwärtig nur stiefmütterlich bedacht werden können, gerecht zu werden.

Aber damit ist doch nicht gesagt, daß eine schöne Paradeunisorm in der
Art der bisherigen wenigstens außer Dienst verboten werden müßte.
Daß die aus dem Felde heimkehrenden Offiziere ihre zurückgelassenen Aus-
stattungssorten nachher noch auftragen dürsen, ist ja wohl selbstverständlich.
Warum sollten^ aber die erst während des Krieges ernannten Offiziere
diesen nachstehen, warum sollte es auch jüngeren Offizieren, Beamten, Frei-
willigen, ja auch der ganzen Mannschaft, soweit sie sich die bisherige Aus-
rüstung auf eigene Kosten anschaffen kann, verwehrt sein, schöner einher-
zuwandeln als ewig in Aschermittwoch-Stimmung? Das so schöne Far-
benbild einer Hoffeierlichkeit, einer Festvorstellung im Theater, eines Balles
oder eines seierlichen Empfanges wird in „Feldgrau" doch gewiß nicht
gewinnen.

Wir brauchen die leuchtende rote, blaue, grüne und gelbe Farbe, wir
brauchen den vollen Gold- und Silberglanz für die festliche Stimmung,
ebenso wie wir keine grauen Fahnen heraushängen und Oster-Ratschen statt
des Glockengeläutes oder der Musik hören wollen. Das Militär war seit
den Tagen der französischen Revolution ohnehin fast die einzige Rettung
für das männliche Geschlecht, das in seiner Fest- und Alltagskleidung ganz
vergessen zu haben schien, daß in der Farbensreude ein gut Teil
von Lebensfreude überhaupt steckt. Wenn die Damen uns nicht
wenigstens durch ihre lichten, fröhlichen Ball- und Sommerkleider, die sich
nur ab und zu — zum Beispiel um s8^0 — zu greller Buntheit steigerten,
ausgeholfen HLtten, wäre das ganze s9. Iahrhundert, das ja auch die far-
bensrohen Volkstrachten ganz verschwinden ließ, die reinste Trauerver-
sammlung geworden. Wohin man blickt, sieht man nur dunkle Herren-
kleider in Grau und Braun, und im bunten Festgewühl herrscht als

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