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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

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Heft 14 (2. Aprilheft 1916)
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Avenarius, Ferdinand: Abschied vom zweierlei Tuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0091

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dem Soldaten und seinen Freunden ist der Krieg ja auch kein Karneval
gewesen, ihnen schien da, wie dem Wallensteinischen Kürassier, „des Lebens
hellster Tag". Aber wir wollen Pazaurek nicht mißverstehen. Er meint:
sinnlich, rein fürs Auge, wird das Grau nicht schön sein. Da muß ich nun
doch das meist so blöde Wort „Geschmacksache" brauchen. Mir sind „die
leuchtende rote, blaue, grüne und gelbe Farbe", mir ist „der ganze Regen--
bogen mit den tausendsältigen Glanzlichtern von Gold und Silber" einer so-
genannten „strahlenden Versammlung", je „gemischter" sie war, desto häufiger
als ein unruhiges und unerquickliches Bunt erschienen. Was Wunder —
keine Uniform, also keine Gestalt konnte ja zum Nebenmann farbig gestimmt
erscheinen, wenn der nicht etwa dieselbe Uniform trug oder der Zufall
sonstwie half. Brauchte es denn nicht tatsächlich des übergoldenden Lam«
penlichtes oder der grauen Dämmerung oder aber — eines Meisterkünstlers
dazu, um solch eine Gesellschaft für feinere Augen „malbar" zu machen?
Wenn sie wirklich, wie Publikus meint, von sich aus malerisch war, so
müßten wir doch hunderttausend Bilder zum Zeugnisse dasür haben, daß
die Maler sich auf den Stoff „stürzten"? Malerisch, stofflich reizvoll, der
Gegenstand allgemein beliebt — was wollten sie mehr? Aber wo sind
denn diese Bilder? Malten unsere Maler nur aus Verblendung so er-
staunlich selten „gemischte Soldatengesellschaften" ?

Noch etwas viel Argerlicheres haftete unter den alten Unisormen gerade
denen an, welche am meisten „Farbe" in die Gesellschaften brachten, bei-
spielweise den roten Husarenuniformen. Sie machten sich zur Haupt- und
das Gesicht ihrer Träger zur Nebensache. Räumlich ist ja nun einmal
der Kopf kleiner als der Rumpf — welcher Lindruck, wenn nun der Rumpf
samt Armen und Beinen noch in weit auffälligerer Farbe erscheint, als
der Kopf, und obendrein mit Metallrabatten bepflanzt! Die Buntheit der
Aniformen drängte in solchen Gesellschaften das Geistige zurück. Ge-
rade ihre Buntheit, ihre Mannigsaltigkeit tat das. Bei einem Kreis
gleich Aniformierter war's nicht so schlimm. Bei Talaren, auch bei
stark, wenn nur einheitlich gefärbten, ist es noch weniger so. Farben-
schönheit an sich braucht natürlich den Eindruck der Köpfe als der Sitze
des Geistigen durchaus nicht herabzudrücken, sie muß nur ruhig sein.
Ich stimme Pazaurek ganz darin bei, daß die Männertrachten bei uns Zivi-
listen weit farbiger sein sollten, er und ich und wie viele mit uns be-
kämpfen ja schon so lange den Kellner-Frack als Edelgewand! Hilft der
Krieg nicht gegen ihn, so hilst vielleicht der Groll gegen England dazu, ihn
hinauszutun. Aber das wollen wir doch auch von den Zivilgewändern
verlangen, daß sie fürs Auge vom Ganzen den Kopf das Wichtigste
bleiben lassen, daß sie auch in der Geselligkeit nicht an Stelle desMen-
schen die Gabe seines Schneiders setzen.

Schließlich: mit all dem ist durchaus nicht gesagt, daß ich die neuen
feldgrauen Friedensunisormen nun „ideal" fände. Nur, daß sie feld-
grau sein sollen, scheint mir „ideal". Vielleicht hab ich mich auf die
erste Ankündigung hin, mangels von „Näherem", darüber voreilig z u sehr
gefreut. Gerade Offiziere weisen mich nun mit vollem Recht darauf hin,
daß farbige Ansätze und blanke Knöpfe die neuen Friedensuniformen zu
Kompromißtrachten aus zweierlei Prinzipien machen. Geht es denn wirk-
lich bei einem Manne, bei einem Krieger ohne das Bunte und Blanke
nicht? Auffälliger ist es, schöner nie, nur in kleinen Blitzpunkten hebt es
das, was darum rst, wie das selige Schönheitspflästerchen das Gesicht hob.

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