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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

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Heft 14 (2. Aprilheft 1916)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0095

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Vom tzeute fürs Morgen

Neunverband! Nicht Vier-
verband

/QUgland, Rußland, Frankreich,
^Italien, Belgien, Serbien, Monte--
negro, Portngal, Iapan — das sind
ihrer neun. Wer weiß, ob's nicht
bald noch mehr werden, und auch
ohne das ist die Neun so ängstlich
gezählt, daß sie Indien, Australien,
Kanada L Co. nicht als Extranum-
mern nimmt, noch Amerika, dessen
Wafsen und Munition eine sechste
Großmacht aufwiegen. Wir könn-
ten ohne Aufschneiderei von einem
Dutzendverband unsrer Feinde reden.
Und reden in allen Zeitungen noch
von einem „Merverbande"! Groß-
mäulerei wollen wir nicht, aber die
Wahrheit dürfen wir sagen. Viel
Feind viel Ehr: gegen einen Neun«
verband verteidigen wir uns, und
so sollten wir auch von einem Neun-
verbande sprechen. ^ A

Opfer

ls ich in Friedenszeiten einmal
^ soziologische Bücher nach Ans-
einandersetzungen über das Wesen
des Opfers dnrchsuchte, ergaben sich
nur Lücken. Es schien, als sei das
Vorkommen des Opsers der Wissen--
schast nicht wichtig genug gewesen.
Nnd doch spielte es im alltäglichen
Sprachgebrauche eine große Rolle.
Fortwährend konnte man hören, wie
Ehegatten, Eltern, Kinder, Geschwi-
ster, Beamte vermeinten, ihre Le-
bensbeziehungen unter ständigen
„Opsern" zn regeln. Man verstand
aber das Wort seltsamerweise dahin,
daß es gleichsam eine Art Kapital-
anlage bedeutete. Eltern brachten
Kindern „Opfer", um später mit For-
derungen an sie heranzutreten, sei
es, daß sie im Alter gleichsam Rück-
zahlung erwarteten, sei es, daß sie

schon vorher an das Gesamtverhalten
der Kinder — nnter dem Titel „Dan-
kespflicht" — Forderungen stellten.
Lhegatten ertauschten untereinan-
der mit „Opfern" kleine Lebensvor-
teile, Beamte forderten Zulagen un-
ter Betonung ihrer dem Staat ge-
brachten „Opfer". Sehr selten ver-
stand man noch unter Opfer die
Hingabe eines Wertes rein um der
Sache willen, rein um der Förde-
rung einer Persönlichkeit willen,
ohne damit den Gedanken an künf-
tigen Gegengewinn, an künftigen
Linfluß auf die Sache oder die Per-
sönlichkeit zu verbinden.

Der Krieg hat plötzlich Opfer an-
derer Art gezeitigt. Es gibt wieder
Opsernde, die keine Orden, keine
Vorteile, keine Machtgewinne oder
Machtsteigerungen für ihre Opfer er-
warten. Vor allem eins der am
höchsten gewerteten Güter wird heute
geopsert ohne jeden derartigen Ge-
winn: das Leben. Da der Begriff
„Opfer" eine gewisse Freiwilligkeit
des Gebens verlangt, so mögen die
Dienst-P f l i ch t i g e n außer Acht
bleiben. Aber wir haben so
viele echte Kriegs-Freiwillige.
Stellen sie nicht glänzende Bei-
spiele von höchster Opferbereitschaft
dar?

A. H. Fried denkt anders. Der
Kriegsfreiwillige, meint er, denkt
gar nicht daran, sein Leben zu
opsern. Er ist nur bereit, ein Ri-
siko zu übernehmen, wobei er
sein Leben verlieren kann. Das ist
aber nicht dasselbe. — „Der Mensch,
der als Lotteriespieler den Geldein-
satz wagt, in der Hofsnung, einer
von einer Million zu sein, dem das
große Los zufällt, wird in der Hoff-
nung in den Krieg ziehen, daß er
zn den Neunzig von tzundert gehört,
die wieder lebend nach Hause kom-

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