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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

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Heft 15 (1. Maiheft 1916)
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Lemke, Bruno: Freideutsche Jugend nach dem Kriege
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https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0135

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und rnachen srch Luft. Der Wandervogel beispielsweise hat jahrelang schon
diese Fülle der „Alten" als Belästigung empsunden und atmete beinahe
auf, als der Krieg ihn von dem Saftüberfluß befreite. Aber wie lange
wird er es aushalten, von dem aufgestapelten Erbe der Alten an Ideen
und Ersahrungen zu zehren? Stellt sich nicht wieder eine gemäße Ver-
bindung her, so ist eine innerliche Verarmung und Verkindung nicht un--
wahrscheinlich. Bedenklicher noch sieht es mit der darauffolgenden Stuse
aus. Eingereiht sind hier eigentlich nur die studentischen Kreise dieses
Alters. In den Anfängen steckend, noch ohne feste Aberlieserung, werden
sie durch den Krieg um so stärker mitgenommen, als ihr Gemeinschaftsleben
fast völlig unterbrochen ist. Nach dem Kriege werden die Alteren von
ihnen meist so schnell wie möglich ihren Beruf zu erreichen trachten, und
sich nicht mehr viel um ihre jüngeren Kameraden kümmern können. Und
doch waren es gerade diese Kreise, die dank ihrer geistigen Ausrüstung
und ihrer unabhängigen Stellung bei weitem am meisten in der Iugend-
bewegung leisteten. Iier gilt es nun erstens dafür zu sorgen, daß diese
Kräste nicht in alle Winde verweht werden, und zweitens, daß sie auch
in Zusammenhang mit der Iugendbewegung bleiben.

Das kann zunächst dadurch geschehen, daß die neuen studentischen Ver-
bindungen mehr als bisher Altherrenvereine ausbauen und sich so eine
Äberlieserung schafsen, um über das unsichere Schwanken und die Takt-
losigkeiten, die jeder neugegründeten Vereinigung anhaften, hinauszu-
kommen.

Ferner hätte der Verband der „Freideutschen Ingend" dafür zu sorgen,
daß mindestens das, was sich auf solche Weise nicht fassen läßt, durch
eine von ihm ausgehende Vereinigung sestgehalten wird. Es wird damit
durchaus nicht vorgeschlagen, den in den verschiedenen Städten aufkeimen-
den sreideutschen Ortsgemeinden das Wasser abzugraben, es soll nur
gehalten werden, was sonst versickern würde, es soll gerade darauf hin-
gewirkt werden, daß die Zusammensitzenden sich auch zu Gruppen zu--
sammenschließen.

Vor allem aber eins: möge der Wandervogel sich endlich an die Be-
seitigung des bisher gebräuchlichen Eltern- und Freundes-Rates machen.
Liner weiß ihn zwar als den „glänzenden Betrug der Iugend" nicht
genug zu rühmen, aber Betrug ist selbst in entsprechender Aufmachung
in diesen Kreisen keine „Konfitüre, von der man gerne ißt^, und jeden-
falls keine, von der zu essen gut tut. Man sollte ihn, wo immer möglich,
ersetzen durch Leute, die sich im Wandervogel bewährt haben, und es —
trotzdem — zu etwas gebracht haben. Ist das am Ort nicht zu haben,
so leistet es wohl der Gauverband.

Hier ist nicht der Platz, die Einzelbeispiele zu vermehren. Worauf es
ankommt, ist klar: möglichste Zusammenfassung und Nutzbarmachung aller
freideutschen Kräfte. Wir haben im Kriege haushalten gelernt mit den
stofflichen Vorräten, wir müssen lernen, auch mit den geistigen sorgsam
umzugehen und mit ihnen noch viel mehr. Nur bei fester Gliederung
der verfügbaren Kräfte ist ein gedeihliches Fortleben dieser hosfnungsvollen
Bewegung nach dem Kriege abzusehen. smj Bruno Lemke
 
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