Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

DOI Heft:
Heft 15 (1. Maiheft 1916)
DOI Artikel:
Die Frau und die Tracht von heute
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0138

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
unsre Antwort dazu. Einig sind wir, wie ausdrücklich sestgestellt sei,
darin, daß in Anbetracht des Wirtschaftskrieges die gegenwartige
Mode unverantwortlich ist. Angesochten wird, daß wir auch die
Frauen dafür verantwortlich machen. Wir betonen das „auch^, da von
vielen Leserinnen osfenbar übersehen wurde, daß sich der Aufsatz auch
gegen die Männer wandte, die von Geschäfts wegen die Mode beherrschen.

Also man macht geltend:

Erstens: „Der Kunstwart kommt zu spät. Er hätte arbeiten sollen,
ehe die Fabrikanten und Kaufleute sich auf die neue Mode eingestellt
hatten." Der Kunstwart hat schon seit vielen Iahren das Problem
der Mode, auch von der wirtschaftlichen Seite, in demselben Sinne wie
jetzt behandelt, obwohl er kein „Fachblatt^ für diese Dinge ist. Wäre
unsre Agitation auf diesem Gebiete unterstützt und angenommen worden,
so stände man heuer nicht so ratlos kopfschüttelnd vor dem Modejammer.
Einige Gedanken, die uns hier und da in den Einsendungen entgegen--
gehalten werden, sind vor Iahren gerade vom Kunstwart ausgegangen.
Ehe man uns tadelt, wolle man bitte von unsrer Arbeit Kenntnis nehmen.
Ferner: wie Hätten wir vom Kunstwart in diesem Sonderfall „rechtzeitig"
gegen die neue Mode „protestieren" sollen? Lrst muß doch wohl das
da sein, gegen das man „protestieren" kann. Wir konnten die neue
Mode nicht kennen, ehe sie uns auf den Straßen und in den Schaufenstern
entgegentrat. Wir haben aber auf Grund unsrer früheren Arbeit und
Haltung das Recht, nun das Verantwortungsgefühl der Geschäftsleute,
die die Mode machen, sowie der Frauen, die sie annehmen, anzurufen.
Endlich: was die „geschäftlichen Verluste" einer etwaigen „Umstellung
der Mode" anbetrifft, so meinen wir, daß es besser ist, eine Anzahl
Konfektionsfirmen hat Verluste, als daß die V o l k s wirtschaft unter der
Prosperität einzelner P r i v a t wirtschaften leide. Wenn vergeudeter Stoff
vergeudet bleibt, so ift das noch kein Grund, um immer weiter welchen
zu vergeuden.

Zweitens: „Wie sollen denn wir Frauen praktisch eingreisen? Sollen
unsre Verbände Abordnungen an die Konfektionsfirmen senden? Sie
würden nichts als ein LLcheln des Herrn Chefs bewirken." Wir haben
nicht verlangt, daß die Frauen die Fabrikanten und Grossisten überreden,
sondern daß sie sich gegen deren Erzeugnisse wehren. Dazu ist nötig,
erstens und vor allem, daß die große Masse der Frauen durch die Frauen
selbst ausgeklärt und erzogen werde. Freilich eine Aufgabe für viele Iahre!
Aber wann will man anfangen, wenn nicht in dieser Zeit? Dann:
warum bearbeiten die Frauen die Behörden nicht durch Eingaben und die
öffentliche Meinung durch öffentlichen Linspruch auf alle ihnen mög-
liche Weise gegen diese Geld- und Stofsverschwendung?

Drittens: „An all dem Modejammer sind vor allem auch die MLnner
schuld, da sie den Modetorheiten ihren Lauf lassen." Eine der Begrün-
dungen führt aus: „Es schmeichelte den MLnnern wahrscheinlich, wenn
die Frauen sich, um ihnen zu gesallen, den Atem wegschnürten oder in
lebensgefährlich engen Röckchen umhergingen. Ganz im Unterbewußt-
sein vielleicht hat der Mann den Instinkt, die Unselbständigkeit und die
Torheit der Frau zu züchten." Dies trifft vielleicht auf viele Männer zu.
Aber es trifst ganz bestimmt gerade auf die nicht zu, die gegen die Mode-
torheiten auftreten und die Frauen zur Selbständigkeit gegenüber der
Mode „scharfmachen" wollen. Solchen gegenüber darf man dergleichen
 
Annotationen