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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

DOI Heft:
Heft 16 (2. Maiheft 1916)
DOI Artikel:
Schlaikjer, Erich: Der Dichter als Journalist
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https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0181

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ist in der Wahl seiner Stoffe nichtfrei. Er muß sehr oft schreiben, was
Markt hat. Es versnche jenrand einmal mit einem Feuilleton zum
Beispiel über Poeten zu kommen, wenn sie nicht grade Gedenktage haben.
Schmiegt ein Iournalist sich aber gehorsam den Bedürfnissen des Marktes
an, so wird er fehr leicht der Hans Dampf in allen Gassen, der sein Talent
nicht rettet, sondern vertut. Dabei ist nicht nur der Stoff, sondern leider
auch die journalistische Form dem Bedürfnis des Marktes unter-
worfen. Ein Berliner Klüngel hat in Deutschland das gallisierende Feuil-
leton zu großem Marktwert gebracht; man foll am liebsten „espritvoll
plandern" und wie der felige Schmock Brillanten schreiben. Wer in seinem
Stil so deutsch zu bleiben wünscht wie in seinem Denken, dessen Einnahmen
bekommen die Schwindsucht.

Schließlich: die literarischen R e d a k t e u r--Stellungen. Aber sie sind
so wenig zahlreich, daß wir ihre Licht- und Schattenseiten schon deshalb
nicht erst zu erörtern brauchen.

Niemand wird behaupten, daß ich ein übertrieben freundliches Bild
zeichnete. Und doch habe ich dabei nur an bescheidene Lebensmöglichkeiten
gedacht und unter Voraussetzung von Honoraren, wie sie in Deutschland
nur als Ausnahmen vorkommen. Wer für die Durchschnittshonorare
selbst der großen Provinzpresse schreiben muß, geht entweder geistig oder
wirtschaftlich zugrunde. „Gerettet" wäre der Dichter aber doch erst,
wenn er noch Freizeit zu dichterischen Arbeiten gewönne. Ist das über-
haupt möglich? Wenn er Iunggeselle ist und es zu guten Ausnahme-
honoraren bringt: j a. Wenn er eine Familie zu ernahren hat: nein.
Was bleibt also schließlich, wenn wir auf das Ganze der deutschen Lite-
ratur sehn, von der journalistischen Rettung übrig?

Wenn Dichter zur Presse gehn, so gewinnt die Presse einen Zufluß
an idealistischer Kraft und künstlerischem Sachverständnis, vorausgesetzt,
daß es sich um einen wirklichen Dichter handelt. Die andern inter-
essieren ja weder die Nation noch uns. Die Dichter selber aber er-
halten selbst im besten Fall nichts über die Versorgung ihrer Familie
hinaus. Wenn die Feuilletons eines Dichters Markt Haben und also
im Wege des Nachdrucks flott abgesetzt werden können, so hat er viel-
leicht etwas für seine dichterische Produktion übrig — ich möchte aber
niemand raten, auf diese Aussicht hin von poetischen Wunderschlössern
zu träumen. Das Brot des Iournalisten wird unter vielen geistigen Ge-
fahren schwer erworben, und man muß es schon zu einem sehr respektablen
Rang in der Presse bringen, damit es auch nur auskömmlich ist. Not
kennt kein Gebot. Es werden auch in Zukunst Dichter zur Presse gehn.
Aber glücklich werden sie nur selten werden.

Wer der wirtschaftlichen Not der Dichter wirklich zu Leibe will, muß
sich schon mit dem Vorschlag eines Arheberschatzes befreunden, der
von Avenarius ausgegangen ist. Vielleicht folgt dem gegenwärtigen Krieg
so viel geistiger Hochsinn, daß auch dieser groß angelegte Plan endlich
Wirklichkeit werden kann. Bis dahin wird die literarische Welt ihren
schiefen Gang weitergehen, wieviel kostbare Werte auch dabei zerstört
werden. Erich Schlaikjer
 
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