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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

DOI Heft:
Heft 17 (1. Juniheft 1916)
DOI Artikel:
Niebergall, Friedrich: Wiedergeburt: zu den Pfingsten 1916
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0228

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Wiedergeburt

Zu den Pfingsten 1916

Wort „Wiedergeburt" weckt wehmütige Erinnerungen. Wir ge-
Idenken der großen Hoffnungen, die wir auf die Folgen des Krieges
für unser Volk gesetzt hatten. Nicht nur von den Kanzeln, sondern
von manch andrer Stelle auch erscholl das Wort von der Wiedergeburt
des deutschen Volkes. Wir hatten uns durch die gewaltige Begeisterung
der ersten Wochen zu diesem Glauben emporreißen lassen. Es war auch
wirklich eine wundervolle Zeit, die wir um vieles nicht missen möchten!
Die Züge voll von singenden Truppen, die Bevölkerung voller Opferwillig--
keit und Zuversicht, und das alles unter dem sonnigsten Sommerhimmel —
dies Bild wird zu unsern liebsten Besitztümern gehören. Es war wie ein
Weihnachtsfest des ganzen Volkes. Kein Wunder, wenn sich die höchsten
Lrwartungen der Idealisten daran knüpften. Wir werden auch immer
wieder zu diesem Bilde zurückkehren, wenn wir uns darauf besinnen wollen,
zu welchen Höhen die Begeisterung unser Volk emporheben kann. Denn
wir sind alle menschlich genug geartet, um das Ideale nicht nur im Reich
der Träume, sondern auch einmal in dem der Wirklichkeit sehen zu wollen.
Darum können wir nicht los von manchen Personen und Zeiten, in denen
wir das Ideal verwirklicht schauen, indem wir sie idealisieren. Dieser
Trieb ist in allen Menschen so überaus stark und die Wurzel von vielem
Edlen in ihnen, aber auch von mancher tragischen Bitterkeit. Wir können
es nicht leugnen, daß wir im üblichen Rückschlag der Empfindungen seit-
dem manche entgegengesetzte Stimmung durchlebt haben^ wir brauchen
die Erscheinungen nicht anzudeuten, an die sie sich anknüpfen. Da will
uns unsere einstige Hosfnungseligkeit wie ein Traum oder eine üble Neckerei
und jene Zeit selbst wie ein Rausch vorkommen, auf den böses Erwachen
folgt. Aber es ist gut, wenn man solch aufgeregtes Gefühl, sei es das
des himmelhohen Iauchzens, sei es das der Betrübtheit, durch Gedanken
mäßigt, die aus Vergleichen ihre Nahrung ziehen. Da erbietet sich ganz
von selbst die Pfingstgeschichte, die „Ausgießung des heiligen Geistes", an.
Man glaubt jetzt zu wissen, was dieser seltsamen Geschichte zugrunde liegt.
Es war ein Enthusiasmus, wie er als Erscheinung der Religionsgeschichte
nicht selten ist. Der brach in dem merkwürdigen „Zungenreden" aus, das
in dem verzückten Lallen seltsamer Wörter bestand, die zu dem frommen
Sprachschatz der Gläubigen gehörten. Daher kam es, daß die Leute,
die als jüdische Proselyten aus aller Welt dem Vorgang beiwohnten, teils

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