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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

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Heft 18 (2. Juniheft 1916)
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Amerika als Vermittler?
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https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0283

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Bryan, ohne Zweifel ein redlicher Pazifrst, die Waffen- und Munitions-
lieferung an (Lngland und Alnerika bekälnpft, darnnr srird vrele voir den
besten Amerrkanern, trotz ihrer Nergung zur englrschen Auffassung voir
den Kriegsursachen, Gegner jener Lreferungen. Aber auch Wilsons Stel-
lung erklärt sich aus der gekennzerchneten Ideologre. Er fühlt als Ame-
rikaner „demokratisch" und pazifistisch. Nun empfindet er in der deut-
schen Staats- und Geistesverfassung Gegenkräfte gegen seine amerrkanr-
schen Ideale. Mag also Deutschland der Nrheber des Weltkrieges sern
oder nicht, gleichviel, für das Wrlsonsche Denken und Fühlen stecken rn
Deutschland die tieferen Gründe dafür, daß Europa nicht auf dre tzöhe
amerikanischer Zustände gelangen kann. Daher eine unwillkürlrche Ner-
gung, Deutschland zu dämpfen und niederzuhalten. Nun ist freilich, wenn
Amerika einmal den Frieden vermrtteln soll, auch Neutralität nötig.
Aber für die, welche weniger klar als Bryan das sittlich Verpflrchtende
erner solchen Aufgabe empfrnden, genügt die legale, formale Neutralität.
Wilsons Neutralrtät hält sich in den legalen Grenzen, das genügt
ihm. Im Untergrund des Bewußtserns spielt daber mit, erstens, daß
jene Ideologie bereits zu ungunsten Deutschlands entschieden hat, daß
also zwar nicht das deutsche Volk, aber der deutsche Militarismus, Mon-
archismus usw. — man beachte, wie Grey auf diesen Gedankengang ein-
geht! — niedergehalten werden muß, weil sonst eben die Vermittlung
rn amerikanischem Sinne schwierig, ja unmöglrch wird. Zweitens, daß
die Amerikaner, die wie Wilson denken, sich zugleich als Schiedsrich-
ter fühlen. Sie nehmen aus beiden Gründen die künftige Entscheidung
bereits irr ihrem gegenwärtigen Handeln ein wenig vorweg, indem sie
das Schicksal heut schon in die Richtung zu lenken suchen, in die sie es
durch ihre Vermittlung doch einmal lenken wollen. Sie geben sich also
mit der Wahrung des formalen Rechtes zufrieden, um wenigstens das
äußere Recht auf Vermittlung nicht zu verlieren. Das innere sittliche
Recht darauf können sie nämlich, wie sie in der Nnschuld ihrer Mei-
nung von der amerikanischen Herrlichkeit glauben, gar nicht verlieren:
das friedliche, geeinte Amerika ist ja besser als das kriegerische, entzweite
Luropa und bliebe es, auch wenn es Partei ergriffe, da es seinem ganzen
edeln Wesen nach ja selbstverständlich nur für das Recht und die Mensch-
lichkeit Partei ergreifen kann.

Wir Deutschen nehmen einem solchen Vermittler gegenüber an zweierlei
Anstoß, erstens an der fehlenden wahren Neutralität, zweitens an
der Oberflächlichkeit des Denkens und an der Unwissen-
heit über (Luropa, für die jene Ideologie ein glänzender Beweis ist.

Wir können keinen Vermittler anerkennen, der zwar nicht formal, aber
tatsächlich bereits Partei ergriffen hat. Amerika hat, wie Bryan ganz
richtig fühlte, in dem Augenblick sein inneres Recht auf die weltgeschicht-
liche Vermittlerrolle verloren, als es die „Verbündeten" mit Waffen
und Kriegsanleihen zu unterstützen begann. Wenn man sagt: wir Ame-
rikaner würden auch den Deutschen Munition und Geld geliefert haben,
wenn wir könnten, so wird damit die Tatsache nicht aus der Welt
geschafft. daß man einseitig die Feinde der Mittelmächte begünstigt.

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