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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

DOI Heft:
Heft 18 (2. Juniheft 1916)
DOI Artikel:
Bekker, Paul: Max Reger
DOI Artikel:
Hermann, Alexander: Das Deutschtum in Rußland
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https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0295

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anhang, den er ungeachtet seiner sinnlich reizlosen Kunst gesunden hat.
Es war nicht der Zauber der Persönlichkeit, der ihm seine Schüler, seine
Freunde und auch einen großen Teil des Publikums gewann — es war
der Eindruck der starken, eigentümlichen und eigentlich ganz schlicht sach-
lichen Musikerschaft, wie er auch von dem Pianisten und dem
Dirigenten Reger ausging und die Lrfüllung einer Sehnsucht anzudeuten
schien, die unausgesprochen, aber doch mit lebhaftem Instinkt nach neuen
Formen drängte.

Aber es war Reger nicht gegeben, über diese Andeutung, über die trieb-
haste Kundgebung der Persönlichkeit hinaus diese neuen Formen wirklich
zu erkennen und zu gestalten. Er kam gar nicht zur Erkenntnis des
Wesens neuer Formen, sondern versiel einer spekulativen Auflösung der
alten Ausdrucksmittel, die ihn immer mehr dem ursprünglich Schöpfe-
rischen entfremdete, ihn der Manier zuführte und ihn schließlich da, wo
er zur Reise hätte gelangen sollen, der Kopie auslieferte. Wie er als
Pianist, als Dirigent über die Befreiung vom Virtuosentum nicht hinans,
nicht zu einer produktiven Verschmelzung der Persönlichkeit mit dem Stosf
gelangte, sondern alles, gleichviel ob Bach, Beethoven oder Brahms, unter
seinen Händen in die atomistische Vorstellungsweise seiner Empsindungs-
art zerfallen ließ, so vermochte er auch als Schaffender nicht zur Zu-
sammenfassung zu gelangen, und je stärker die Anregungen der Außen-
welt auf ihn eindrangen, desto weniger wußte er ihrem zersetzenden Lin-
fluß zu widerftehen, desto mehr zerblätterte diese Begabung, die in ihrer
Befähigung zur Aussprache zartester wie gewaltigster Empsindungen sich
zu wahrhafter Größe hätte entwickeln können, wenn sie sich aus ihrer Zeit
heraus eine Aufgabe zu ftellen vermocht und wenn diese Zeit überhaupt
die Möglichkeit geboten hätte, eine solche Aufgabe zu finden. Beides
war nicht der Fall. Auch Max Reger traf das Verhängnis, zwischen zwei
Zeitaltern leben zu müssen. Paul Bekker

Wie wir im vorigen Heft kurz mitteilten, wollten wir unsre Meinung über
Max Reger nicht unmittelbar am offenen Grabe znsammenfassen. Wir forderten
zunächst unsern ständigen Mitarbeiter, den akademischen Musikdirektor Protz
Dr. Friedrich Brandes, auf, über den Künstler zu schreiben. Brandes
entsprach dem, aber sein Aufsatz gewann in dem Bestreben nach Offenheit eine
Gestalt, die in diesen Tagen sicher mißdeutet wäre, wir verzichteten daher im
Einverständnis mit Brandes vorläufig auf den Abdruck. Nunmehr baten
wir den, welchen wir für die erste Autorität bei der Beurteilung Regers halten,
um seine Meinung, Prof. Dr. Hugo Riemann, dessen Beziehungen zum
Kunstwart ja auch alt sind. Riemann erklärte jedoch, er müsse deshalb ver-
zichten, weil ihm Reger jetzt nicht mehr antworten könne, nur für einen bestimm-
ten Fall behielt er sich das Wort im Kunstwart vor. Anter diesen Verhält-
nissen gaben wir es zunächst einmal einem „Außenstehenden", Paul Bekker,
indem wir seinen Aufsatz aus der „Frankfurter Zeitung^ wiedergeben. Bekkers
Auffassung berührt sich mit der unsrigen am nächsten. _

Das DeutschLum in Nußland

^^-^ußland ist dasjenige feindliche Land, in dem besonders viel wert-
^I-^volles deutsches Volkstum verzweifelt um sein Dasein ringt. Schon
^^seit vielen Geschlechtern leben dort Deutsche aller Stände und Be-
russarten als rnssische Staatsangehörige, früher von der Regierung hoch

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