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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

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Heft 18 (2. Juniheft 1916)
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Belgicus, ...: "Der Wiederaufbau Belgiens"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0305

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lich nicht. Auch die deutsche Verwaltung faßt ihre Mission nicht so auf.
Sie möchte nur dahin wirken, daß bei den Projekten, die jetzt ausgearbeitet
werden, alle die gesunden Grundsätze des Städtebaus, all die sozialen und
hygienischen Rücksichten, die hier mitsprechen, zur Geltung kommen. Die
architektonische Ansführung hängt ja dann immer von den jeweiligen
Künstlern ab und niemand denkt daran, daß etwa die Belgier wie die
Münchener oder die Dresdener bauen würden. Aber gerade jetzt in einer
Zeit, wo die heimischen Architektenorganisationen ausgeschaltet sind, wo
die belgische Verwaltung stockt, liegt die Gesahr vor, daß die Ausführung
eines gesunden, im städtebaulichen Sinne notwendigen Planes präjudiziert
wird dadurch, daß ein vorwitziger Bauherr, schlecht beraten von einem kurz-
sichtigeu Architekten, sein Haus aus einer alten Fluchtlinie in einer unge-
wöhnlichen Architektur ausführt und daß dadurch das ganze künftige Bild
verschandelt wird. Dies zu verhindern dürfte in der Tat eine Aufgabe
für die deutsche Verwaltung sein. Im übrigen handelt es sich darum, die
Projektenmacher vorläusig zurückzuhalten.

In manchen Architektenkreisen war in diesen letzten anderthalb Iahren
ein Raunen zu hören von den großen Aufgaben und Aufträgen, die sich
da draußen ergeben würden, die nur einigen zusielen, die ganz zufällig
an der Krippe ständen. Braucht man es wirklich erst zu sagen, daß dieser
Glaube falsch war? Ls ist ganz ausgeschlossen, daß sich zurzeit größere
Bauaufgaben für uns ergeben könnten. Es liegen keine Honorare aus
den belgischen Straßen. Sicherlich liegt auch nicht etwa hier der Grund,
weshalb die Architektenverbände sich dieser Sache angenommen haben. Auch
bei diesen Fragen des Wiederausbaus im großen Sinne würden dieselben
inneren Widerstände der Belgier in Frage kommen und sicher in noch viel
höherem Maße als bei der Wiederherstellung von Denkmälern. Der Bel-
gier hat einen andern Begrisf von architektonischer Schönheit, von Plan-
gestaltung, von Komsort. Wollte man etwa versuchen, ihn mit Vorschristen
hier zu binden, so würde er nur um so hartnäckiger sich zu seinem Pro-
gramm bekennen. Amd wenn wir statt mit unsern Menschen- mit Lngels-
zungen redeten, es wäre ihnen gegenüber auch alles verlorene Liebesmüh.
Wir glauben und wir wissen, daß unsere unter bester künstlerischer Leitung
entstandenen kleinen Gartenstädte von einem feineren Gefühl getragen sind,
als es die Vorstädte von Brüssel und Antwerpen zeigen. Aber das sind
Empfindungen, die sich nicht mitteilen lassen. In vielen jetzt von Wasfen-
lärm hallenden Städtchen Flanderns und in den Beguinagen ihrer großen
mittelalterlichen Hauptstädte können die Belgier genug lernen, wie ihre
Väter solche Aufgaben erfaßt haben; wir brauchen hier nicht die Lehrmeister
zu spielen. Wir sollten nns genügen lassen, Schlechtes und Schädliches zu
verhindern. Im übrigen ist es klüger nnd politischer, die Belgier selber sür
ihre Heimstätten sorgen zu lassen. Als Kolonisatoren wie als Verwalter
fremder Gebiete haben wir vielleicht die Neigung, eher zu viel als zu wenig
zu tun, zu vielerlei gleichzeitig anzufassen, auch die letzten Probleme schon
anzurühren. Lassen wir schlasen, was noch Zeit hat — es erledigt sich dann
von selbst! smj Belgicus
 
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