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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,4.1916

DOI Heft:
Heft 19 (1. Juliheft 1916)
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Avenarius, Ferdinand: Neuer Photographen-Kunstdienst
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https://doi.org/10.11588/diglit.14294#0032

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Neuer PhotographeN'Kunstdienst

ls ich Student war, gehörte zu meiuen Bitternissen, daß man nur

it a lienis ch e Photographien zu erschwingbaren Preisen kaufen
^^konnte. Autotypien, überhaupt billigere Nachbildungen auf photo-
graphischer Grundlage gab es ja damals höchstens in ein paar Lichtdrucken,
wer Zuverlässiges wollte, mußte „echte Photographien" sammeln. Die be-
kam er in stattlichen Formaten zu vierzig Pfennigen das Stück jenseit
der Alpen, aber sie gaben eben auch nur, was es jenseit der Alpen gab.
Photographien nach alter deutscher Kunst waren entweder unerschwing-
lich oder gar nicht da, bei weitem zumeist waren sie nicht da. Ietzt freilich
haben wir's herrlich weit gebracht.-Oder doch nicht?

Darüber sollten wir die befragen, welche sich zum Zwecke von Studien
oder von Unternehmungen irgendwelcher Art ernstlich nach Photographien
alter deutscher Kunst umsehn. Es gibt heute mehr Sammelwerke als
damals und mehr Linzelphotographien. Im Wesentlichen aber hat
sich nichts geändert. Noch heute sind gute billige Einzelblätter nach alten
deutschen Kunstwerken Seltenheiten. Nicht einmal von allen bedeutenden
Werken in den Haupt-Museen gibt es welche. Und unsere alte deutsche
bildende Kunst, wie sie durchs ganze große Vaterland, besonders in den
Kirchen steht und hängt? Sie, verehrter Leser, wenn Sie nicht gerade
„Kunsthistoriker" sind, Sie frage ich aufs Gewissen: was kennen Sie
denn davon auch nur aus dem Bilde? Das Größte, was Deutsch-
land aus Dürers Zeiten an Monumentalmalereien besitzt, Grünewalds
Bilder in Kolmar, haben Sie vor Erscheinen der billigen Kunstwart-
Mappen auch nur die im Bild überhaupt zu sehen bekommen? Hätten die
Originale in irgendeinem Nest Italiens gehangen, dann hätten Sie wohl-
feile Photographien davon mitgebracht. In Deutschland gab es keine. Oder
die Skulpturen aus dem Naumburger Dom — wo gab es gute billige
Bilder in einigermaßen größerer Auswahl davon? Wo gibt es welche
über ein paar dürftige Ansichtspostkarten hinaus? Wo gibt es die den
italienischen entsprechenden billigen Photographien von all den alten deut-
schen Kunstherrlichkeiten sogar aus dem Nürnberger Nationalmuseum und
entsprechenden Sammlungen? Geschweige denn von den hunderttausend
verborgenen Schätzen in unsern Stadt- und, nicht zu vergessen, in unsern
Dorfkirchen? Von dieser Fülle edler Altäre mit Gemälden und Schnitze-
reien, von diesen Statuen allen in Stein, Bronze oder Holz, von diesen
Grabmälern und von diesen Grabplatten, die oft Kunstwerke höchsten
Ranges sind, wissen auch unsre Gebildeten trotz aller Pflege des Deutsch-
tums so gut wie nichts, weil sie nichts davon zu sehn bekommen.

Das mag stimmen, denkt der Skeptiker, sollen wir aber unsere übervollen
Köpfe auch damit noch belasten? Nein, nur mit dem Allerbesten daraus
erfreuen, erheben, leichter machen. Aber um das Allerbeste zu finden,
müssen wir sichten, also sehn. Wir können unsre alte Plastik und unsre
alte Malerei nicht eher auswerten fürs Gemeingut, als bis sie in guten
und billigen Bildern allgemein zugänglich ist.

Ein Viel-Photographieren, wie das italienische, ist besser als nichts,
würde aber unsern Bedürfnissen noch nicht genügen. Die südliche Kunst
in ihrer ganzen Art ist viel leichter als die nordische leidlich zu photogra-
phieren, und dennoch fehlen für tiefer dringende Ansprüche auch in Italien
die guten Aufnahmen häufig. Von Raumbildern, vom Architektonischen
 
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