Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,4.1916

DOI Heft:
Heft 23 (1. Septemberheft 1916)
DOI Artikel:
Stapel, Wilhelm: Wohltätigkeit und Staat
DOI Artikel:
Hunzinger, August Wilhelm: Der Krieg und die Christusfrage
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14294#0222

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
schwinden, mit denen die private Fürsorge das nötige Geld für die un-
geheuren Aufgaben zusammenzubringen sucht, und der Mißbrauch der
Wohltätigkeit würde von selbst aufhören.

Freilich läßt sich eine solche Umorganisation nicht während eines Krieges
wie des gegenwärtigen vornehmen. Es stürmt bereits allzu Vieles auf
Lien Staat ein. Einstweilen müssen wir mit den alten, schlechten Mitteln
zu arbeiten suchen, so gut es geht. Aber wir wollen uns das Bewußtsein
für den eigentlichen Sinn der Ausgaben klar halten und uns die sittlichen
Begriffe nicht trüben lassen, indem wir die Erfüllung sozialen Rechtes
der Wohltätigkeit zuschieben und, da diese solche Aufgaben ihrem
Wesen nach nicht erfüllen kann, die echte Gesinnung des Wohltuns ver-
derben. Wir wollen in unserm Bewußtsein wenigstens die Grenzen
wahren.

Ls ist auch nicht gemeint, daß der Staat später auf die Mithilfe der
sittlichen Kräfte, die in den privaten Wohlfahrtsvereinigungen stecken, ver-
zichten solle. Das wäre unzweckmäßig, da es für die Durchführung sozialer
Aufgaben keine besseren Arbeiter gibt als diese freiwilligen Helfer. Aber
man soll sie von den Aufgaben, die ihnen im Grunde fremd sind, ent-
lasten: von der Beschaffung der Geldmittel. Der soziale tzelfer gibt sich,
vielleicht auch seine Mittel. Soll er aber erst von andern das Geld für
seine Tätigkeit zusammenholen, so werden hierdurch allzuleicht seine besten
Kräfte aufgsrieben, und zwar je mehr, je größer die Ansprüche werden.
Kein Wunder, daß manche immer wahlloser in den Mitteln werden, wenn
die Sorge um ihr Werk sie erfaßt! Darum wird man auf eine Trennung
der Mittelbeschaffung von der Mittelverwendung kommen müssen. Iene
ist allein Aufgabe des Staates, diese kann auch von zuverlässigen privaten
Kräften besorgt werden überall da, wo sie vorhanden sind, freilich unter
der Oberleitung des Staates.

tzier wachsen Zukunftsaufgaben heran, die wir von fern schon jetzt ins
Auge fassen müssen. sms Wilhelm Stapel

Der Krieg und die Christusfrage

^-^inige von uns Lheologen kommen immer mehr dahinter, wie oft
»V*in der Geschichte Theologie und Frömmigkeit in einem Mißverhält-
^»<nis, ja sogar im umgekehrten Verhältnis zueinander stehen. Wir
haben in der Theologie immer viel zu wenig die lebendige Religion
gesucht. Das hing mit dem zähen Intellektualismus zusammen, der uns
bis in die Gegenwart hinein verfolgt und immer wieder die Grenze
zwischen Theologie und Religion verwischt. Die theologisch stärksten und
bedeutendsten Perioden Ler Geschichte des Christentums erschienen uns
infolgedessen leicht auch als die religiös fruchtbarsten. In Wirklichkeit
ist es umgekehrt. Die Theologie verhält sich in der Geschichte zur Religion
wie das Epigonentum zur Genialität. Die Religion ist immer die Erst-
geburt, die Theologie der Spätling. Sie kommt in der Tat immer zu
spät, so wie es Schleiermacher in seinen Reden über die Religion be-
schrieben hat, und darum ist es ganz verständlich, ja sogar selbstverständlich,
daß die großen theologischen Zeitabschnitte tzand in tzand mit einer Er-
 
Annotationen