DOI Heft:
Heft 7 (1. Januarheft 1917)
DOI Artikel:Avenarius, Ferdinand: Umlernen bei der Wirtschaft mit Geist!
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.14296#0016
Llmlernen bei der Wirtschaft mit Geist!
er Sonnenwagen rollt in ein neues Iahr. Reden wir so, so
sind wir uns dessen bewußt, daß er eine vorgezeichnete Bahn zu
laufen hat, wenn wir auch nicht wissen, woran sie vorbeiführt.
Aber solange wir obenhin denken, denken wir: das gilt nur vom Naume,
in dem sich die Dinge stoßen, für die Gedankenbah-en gibt's Freiwahl.
Denken wir nicht obenhin, so wird uns frelllch das Gegenteil schnell
bewußt. Da sind ja die ererbten, die anerzoge.len und die von einem
selbst zur Stunde bereits „zugelernten" Gedanken, da sind die „gewohnten"
und „angewöhnten" Gedanken und Gefühle, da sind die Erfahrungen,
die Linrichtungen, die Suggestionen der Umwelt, da ist all das, was
im Großen, Kleinen und Einzelnen aus dem Ehegestern das Gestern
gemacht hat und im tzeute für das Morgen unsern Gedankenzug schon
mit all seinen Wagen aus den Beständen aufs Geleise rollt. Kommt
seine Stunde, so fährt er fahrplangemäß an allen bezeichneten Stationen
hin. Du willst einen Gedanken-Extrazug? Aber von den Geleisen kann
der auch nicht. Das ganze Bild sei falsch, es handle sich nicht um ge«
legte Gleise? Dann also um ausgehöhlte Fahrtrinnen. Das Schwierige
sei, neue Wege zu finden? Das SHwierigfte ist, aus den eingefahrenen
Furchen herauszukommen.
Auch das vergessen wir immer wieder: wie jung unsre Menschen-
kultur noch ist. Ein paar Iahrhunderttausende mag der Mensch alt
sein — was ist das denn im Verhältnis zur Geschöpfgeschichte? — und
von diesen arbeitet er erst, sagen wir: fünf lumpige Iahrtausendchen
bewußt an seiner jetzt so genannten Kultur. Wären wir schon über
die Sexta hinaus, wären wir gar schon schulentlassene Studenten der
E^vigkeitsweisheit, könnte es dann noch Völker geben, sogar Europa-
völker solcher Sorte, wie sie diesen Weltbrand entzündet hat und immer
noch nachheizt? Das leichte Bilden, das leichte Zerstören, das ist vom
Kinde, erst des Neifen Art ist das Sichern und Bewahren, das tzaus«
halten, dos Vorsorgen, das Wirtschaften.
t- Ianuarheft ^9^7 (XXX, 7)
er Sonnenwagen rollt in ein neues Iahr. Reden wir so, so
sind wir uns dessen bewußt, daß er eine vorgezeichnete Bahn zu
laufen hat, wenn wir auch nicht wissen, woran sie vorbeiführt.
Aber solange wir obenhin denken, denken wir: das gilt nur vom Naume,
in dem sich die Dinge stoßen, für die Gedankenbah-en gibt's Freiwahl.
Denken wir nicht obenhin, so wird uns frelllch das Gegenteil schnell
bewußt. Da sind ja die ererbten, die anerzoge.len und die von einem
selbst zur Stunde bereits „zugelernten" Gedanken, da sind die „gewohnten"
und „angewöhnten" Gedanken und Gefühle, da sind die Erfahrungen,
die Linrichtungen, die Suggestionen der Umwelt, da ist all das, was
im Großen, Kleinen und Einzelnen aus dem Ehegestern das Gestern
gemacht hat und im tzeute für das Morgen unsern Gedankenzug schon
mit all seinen Wagen aus den Beständen aufs Geleise rollt. Kommt
seine Stunde, so fährt er fahrplangemäß an allen bezeichneten Stationen
hin. Du willst einen Gedanken-Extrazug? Aber von den Geleisen kann
der auch nicht. Das ganze Bild sei falsch, es handle sich nicht um ge«
legte Gleise? Dann also um ausgehöhlte Fahrtrinnen. Das Schwierige
sei, neue Wege zu finden? Das SHwierigfte ist, aus den eingefahrenen
Furchen herauszukommen.
Auch das vergessen wir immer wieder: wie jung unsre Menschen-
kultur noch ist. Ein paar Iahrhunderttausende mag der Mensch alt
sein — was ist das denn im Verhältnis zur Geschöpfgeschichte? — und
von diesen arbeitet er erst, sagen wir: fünf lumpige Iahrtausendchen
bewußt an seiner jetzt so genannten Kultur. Wären wir schon über
die Sexta hinaus, wären wir gar schon schulentlassene Studenten der
E^vigkeitsweisheit, könnte es dann noch Völker geben, sogar Europa-
völker solcher Sorte, wie sie diesen Weltbrand entzündet hat und immer
noch nachheizt? Das leichte Bilden, das leichte Zerstören, das ist vom
Kinde, erst des Neifen Art ist das Sichern und Bewahren, das tzaus«
halten, dos Vorsorgen, das Wirtschaften.
t- Ianuarheft ^9^7 (XXX, 7)