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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,2.1917

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Heft 10 (2. Februarheft 1917)
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Schumann, Wolfgang: Prosadichtung aus der Schweiz
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Meissner, E.: Typenbildung - eine nationale Notwendigkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.14296#0195

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rneist mit etwas Zagen heran. So prachtvoll ausgewogen, abgeklärt, mei-
sterlich im Außeren und innerlich erschütternd seine kleinen Geschichten
aus aller Welt und Zeit sind, so ungleichmäßig und unsicher durchgeführt
bieten sich seine eigentlich Schweizerischen Erzählungen zumeist dar. Ist
er trotz allen echtesten Schweizertums doch noch fester heimisch in jener
Welt der religiös-geistigen Erlebnisse, die ihm als katholischem Priester
naheliegt, denn in dem Lande, dem er als zeitliche Persönlichkeit angehört?
Sein neuer Roman ist die Geschichte eines Knaben von schwachem Körper,
aber regem Geist, der in der katholischen Schweiz aufwächst. Eine unüber«
sehbare Fülle entzückender, mit staunenswerLer Einfühlung und pracht«
voller Anschaulichkeit erzählter Kindheiterlebnisse wird da dargeboten;
fern aller Kritik muß man diesen Reichtum, diese Innerlichkeit bewundern.
Wir haben viele Dutzende von Kinderromanen — Federer stellt mit einem
Schlage die allermeisten davon in den Schatten. Mcht minder klar
und fesselnd gestaltet er aber auch die Amwelt des Kindes. So die Dorf«
jugend wie die erwachsenen Dörfler, das öffentliche wie das HLusliche Leben,
selbst ein Stück des staatlichen Betriebes wird dem Leser anschaubar bis
ins Innerste, das ganze Bolkstum der katholischen Schweiz mit seinen
erfreulichen und minder erfreulichen Seiten hat in diesem Werk seinen
Spiegel. Und Federer vermeidet nicht nur erziehliche Lehrhaftigkeit und
predigerhafte Volksermahnung, sondern erzählt überhaupt mit einem Fein«
gefühl, das auch den schwierigsten Problemen des Daseins, den gewagtesten
Auftritten gewachsen ist. Reich an Phantasie, läßt er sich oft von den
tausend Alltagereignissen scheinbar treiben, plötzlich aber erinnert ein
kluges, tiefes Wort an die geistige Äberlegenheit, eine machtvoll erschüt«
ternde Szene an die tzerzensgewalt des Dichters. So ist es die thema«
tische Dreiheit, die uns an dem Buch „interessiert^: Iugenddasein, Rr-
schweizerwesen, echt katholisches (übrigens breit ausgestaltetes) Bauern«
leben. Darüber hinaus greift es gelegentlich als Dichtung an jene Er«
lebnistiefen in uns, die sonst nur von den größten Meistern aufgerührt
werden. Wenn das 565 Seiten starke Büch trotzdem nicht ungemischte
Lustgefühle hinterläßt, so mag das der planlosen Art der Erzählung, dem
Abermaß an SLoff zugeschrieben werden, der unausgesetzt auf den Leser
eindringt, so daß man kaum sieht, was eigentlich Ziel und Absicht des
Kunstwerks ist. Ein Anzeichen dafür ist die völlige Verfehltheit des
Titels; das „Mätteliseppi" ist nichts als eine Nebengestalt, die nicht ein«
mal den besten Geist der Gestaltenwelt des Romans atmet nnd oft
recht unerfreulich und atembeklemmend wirkt. Indessen, dem „ästhetischen
Standpunkt" habe ich ja eingangs abgesagt, und „echt^ mag auch diese
steife, zurückgebliebene, erst im allerletzten tzerzensgrunde menschlich schöne
alte Iungfer sein. Als ganzes Werk aber gehört der Roman doch in
jene kleinste Wahl von Prosadichtungen, die literarisch und soziologisch
die Schweiz für uns am reinsten und stärksten vertreten. sm^j

Wolfgang Schumann

Typenbildung — eine nationale Notwendigkeit

^^edermann in Deutschland fühlt jetzt, daß wir die uns gebührende
^t Stellung in der Welt nur erhalten und weiter festigen können, wenn
^Dwir unsere gesamte nationale Arbeit zu dem höchsten nur erreich-
baren Leistungsgrade bringen. Aber die Wege zu diesem Ziel gehen

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