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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,2.1917

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Heft 12 (2. Märzheft 1917)
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Hoffmann, Paul Theodor: Goethe und der Tod: auch Passionsgedanken
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Heiß, Hanns: Stendhal
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https://doi.org/10.11588/diglit.14296#0299

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Moment: „Ich wüßte auch nichts mit der ewigen Seligkeit anzufangsn,
wenn sie mir nicht neue Aufgaben und Schwierigkeiten zu besiegen böte.
Aber dafür ist wohl gesorgt. Wir dürfen nur die Planeten und Sonnen
anblicken; da wird es auch Nüsse zu knacken geben." (An Kanzler Müller
26. (. (825.)

So wird Erlösung aus der Erdenschwere dem irrend Strebenden zuteil,
und „des Todes rührendes Bildnis steht nicht als Schrecken dem Weisen
und nicht als Ende dem Frommen".

Wohl erkennen wir den Kriegi der uns jetzt umtobt, als ein Irren, aber
zugleich auch als ein Streben. Das Irren gehört zu den Adelsrechten
aller strebenden Menschen und Völker. Aus ihnen beiden, Irren und
Streben, gebiert sich das tzöhere, und wenn es sich auch nicht auf unsrer
Erde vollenden sollte — wer Goethe folgt, der glaubt an sein „Stirb und
werde!". Und an seine Worte in der Erlösungssymphonie des Faust:

Steigt hinan zu höherm Kreise,

Wachset immer unvermerkt:

Wie nach ewig reiner Weise
Gottes Gegenwart verstärkt;

Denn das ist der Geister Nahrung,

Die im freisten Ather waltet,

Ewgen Liebens Offenbarung,

Die zur Seligkeit entfaltet. P. Lh. HofsManA

Stendhal

m 22. März (8H2 brach tzenrr Beyle — Stendhal, wie er sich nach
Winkelmanns Vaterstadt nannte — von einem Schlaganfall ge«
"^d rührt in Paris auf offener Straße zusammen. Man brachte ihn
in eine Apotheke, dann in seine Wohnung. Dort starb er in der folgen«
den Nacht; zwei Monate vorher war er neunundfünfzig Iahre alt ge^-
worden. Drei Freunde begleiteten seinen Sarg auf den Friedhof; es
gab keinen endlosen Leichenzug und keine endlosen Trauerreden. Sein
Tod hatte weder Europa noch Paris in Aufregung versetzt; kaum daß
die Zeitungen das Lreignis flüchtig erwähnten.

Die meisten, die überhaupt von Stendhal wußten, wußten ungefähr,
daß er ein paar Bücher geschrieben hatte, darunter keins von lautem
Erfolg, keins auch nur halb fo berühmt als das nächftbeste Buch von
tzugo oder Balzac oder Dumas. Einige wußten vielleicht noch, daß er
viel in Italien gelebt hatte, als Konsulatsbeamter, und daß er schon
unter dem Kaiserreich Beamter gewesen war, in der tzeeresverwaltung,
kurze Zeit auch Offizier. Manche kannten ihn persönlich von irgend
einem Salon her; die hatten ihn lebendiger in Erinnerung; aber wie,
das läßt sich annähernd ausmalen: er wird für sie eine leicht lächerliche
und reichlich unangenehme Lrscheinung gewesen sein. Ein sehr eitler
tzerr, der unentwegt den Lebemann spielt und sich gewaltsam v'erjüngt,
der über den Kahlkopf ein Perückchen stülpt, den Bartkranz um die
Wangen und unter dem Kinn dunkler färbt, als unauffällig wäre, und
durch gesucht modische Kleidung ausgleichen will, was seiner vierschrötigen
Geftalt mit dem apoplektisch geröteten Kopf auf kurzem tzals und dem
Spitzbauch an natürlicher Eleganz fehlt. Dabei ein sehr eingebildeter.

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