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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,4.1917

DOI Heft:
Heft 20 (2. Juliheft 1917)
DOI Artikel:
Corbach, Otto: Produktionszwang im Kriege
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https://doi.org/10.11588/diglit.14298#0077

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sich äußeren Umständen angepaßt hat, die sich im großen und ganzen gleich
bleiben, jedenfalls keinen starken, plötzlichen Schwankungen mehr aus-
gesetzt sind. Andern sich aber die äußeren Amstände plötzlich und nach-
haltig) so empfinden zunächst nur Wenige die Notwendigkeit, daß sich
das ganze Wirtschaftsleben auf diese Amstände einstelle. Die große
Mehrheit der Volksgenossen jedoch kann nur durch Zwangsmaßnahmen
vor den herben Enttäuschungen, großen Opfern und Kraftvergeudungen
bewahrt werdeN) welche die Anpassung an die veränderten Lebens-
bedingungen mit sich bringt. Freilich kann auch unter normalen Ver-
hältnissen ein Gesetzgeber zu wirtschaftspolitischen Zwangsmaßnahmen be-
rechtigt sein, falls ein Volk nur durch diese zur Erfüllung von Forde-
rungen erzogen werden kann, die später plötzlich an dieses Volk heran-
treten mögen, wenn vielleicht keine Zeit mehr ist, sich daraus einzurichten.

Die Blockadepolitik unserer Feinde änderte plötzlich die gesamtenLebens-
bedingungen unserer Volkswirtschaft; sie lieferte die städtischen, auf Kauf
angewiesenen Verbraucher auf Gnade oder Ungnade dem Monopol der
heimischen Erzeuger von Lebensmitteln aus. Konnte man erwarten, daß
diese lediglich aus Eigeninteresse alles mögliche tun würden, um durch
Steigerung der Erträge ihrer Güter dem Volke einen möglichst großen
Teil des Ausfalls der ausländischen Einfuhr zu ersetzen, und vor allem
das zu erzeugen, was das Volk am dringendsten bedurfte? Man sagt
zwar: die ungehinderte Preisbildung bewirkt ganz von selbst eine schnelle
zweckmäßige Umschaltung der Lrzeugung auf die Kriegsverhältnisse; was
dringend gebraucht würde, dafür würde jeder beliebige Preis geboten —
also lag es im eigensten Interesse der Erzeuger, dieses dringend Gebrauchte
aus den Markt zu bringen. Iedoch, war es dann gerecht, die breiten
Massen der Bevölkerung zunächst schonungslos den Wucherpreisen aus-
zusetzen, die sich so geradezu ergeben mußten?

And überdies: hohe Preise brauchen die Erzeugung gar nicht unter
allen Amständen zu fördern. Wenn es in der Macht der Erzeuger liegt,
neuen Wettbewerb zu unterdrücken, so können die Erzeuger im Gegen-
teil bei hohem persönlichen Gewinn ein Interesse daran haben, die Er-
zeugung in engen Grenzen zu halten, damit die starke Spannung zwischen
Angebot und Nachfrage, die die Teuerung verursacht, nicht nachlasse.
Künstliche Wirtschaftsmonopole, wie die berüchtigten amerikanischen Truste,
wurzeln in solchem Eigeninteresse eines bestimmten Erzeugerringes, der
dem Angebot feste Schranken setzt und so die Nachfrage willig erhält,
hohe Preise zu zahlen. Da die Kriegsverhältnisse unsern Landwirten
plötzlich fast alle Vorteile eines Trustes einräumten, so wäre die erste
und hauptsächliche Aufgabe unserer maßgebenden Kreise ein starker Druck
auf die Landwirte gewesen, damit sie den Ausfall an Einfuhr möglichst
durch gesteigerte heimische Erzeugung wettmachte. Sie hätten die Land-
wirte einem Wirtschaftsplane unterwerfen und durch diesen den Amfang
des Anbaus der verschiedenen Früchte von den Erfordernissen der zweck-
mäßigsten Ernährungspolitik abhängig machen müssen. Statt dessen gingen
unsere Kriegsmaßnahmen vor allem auf einen Druck auf den Verbraucher
aus: er sollte sich nach einer im Vergleich zum Frieden überaus gekürzten
Nahrungsdecke strecken, ohne daß man versuchte, sie, wo es anging, den
Kriegsverhältnissen entsprechend zu vergrößern.

Daß unsere Landwirte vieles unterlassen haben, was sie zur Linderung
des Mangels und der Teuerung tun konnten, bestätigen, ohne es zu

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