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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,4.1917

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Heft 23 (1. Septemberheft 1917)
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Jaroslaw, Benno: Politik der Kulturmittel
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https://doi.org/10.11588/diglit.14298#0207
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Mäuler stopft und die schreiendsten, aber nicht immer schmerzlichsten Äbel«
stände lindert.

Der Grund für diese unerfreuliche Äberspannung des Parteiprinzips
liegt unseres Lrachtens mit darin, daß die Wissenschaft die Behandlung
der Materie zu früh an die Praxis weitergibt. Unsre Gelehrten, ins-
besondere die Nationalökonomen, haben aus den verschiedensten, hier nicht
zu erörternden Gründen eine Abneigung gegen Politik bekommen. Alle
Politik setze höchste Ziele voraus, welche letzten Endes zurückzuführen seien
auf moralische „Sentiments", bestenfalls auf persönliche Ideale; und das
seien zu schwankende, subjektive Grundlagen für solide, objektive Forscher-
arbeit. — Ob der zweite Satz stimmt, lassen wir sehr dahingestellt, den
ersten aber bestreiten wir ganz. Nicht jede Politik verlangt eine letzte
ethische Orientierung; alle Kulturpolitik freilich, aber die „Politik der
Kultur m i t t e l" keineswegs! Wie ein Volk nach Berufen, Ständen, Ein-
kommen gegliedert sein müsse, und weiter, wie gegebene materielle Mittel
unter jene verteilt werden müssen, damit eine möglichst große Anzahl von
Volksgenossen für höheres Geistesleben empfänglich, reif und regsam
werde — das festzustellen ist gewiß eine ungeheuer schwere, aber keine
im Prinzip unlösbare Aufgabe. Ls ist, wie der Mathematiker sagt, eine
Maximumaufgabe. Keinesfalls trifft auf sie jener Einwurf der Wert-
scheuen zu; denn ihre Lösung kann in Angriff genommen werden, ohne
daß über die Besonderheit der Geisteskultur, über die Kulturrichtung
etwas entschieden sein müßte. Es gibt Normwissenschaften, die in ge-
wissem Sinne ethisch farblos sind; und die Sätze dieser praktischen Mathe-
matik können — im Prinzip — eine Exaktheit erlangen, vor der wider-
streitende Interessen sich beugen müßten wie vor dem reinen Einmaleins
der Tatsachen.

Unsre Betrachtung ging vom Berufe der Zeitung aus. Denn, so merk-
würdig es klingt: bei dem Versuche, die „Politik der Kulturmittel" dem
Parteigetriebe zu entziehen, kann gerade die politische Presse gar nicht
entbehrt werden. Mehr noch, als sie vorhandene Stimmungen zum Aus-
druck bringt, gibt sie, wir wiederholen es, der öffentlichen Meinung die
Richtung an. Sie zunächst müßte die Folgerung aus der Tatsache ziehen,
daß es weite Gebiete öffentlicher Betätigung gibt, in denen wir Arbeits-
genossen sein können, ohne Gesinnungsgenossen und Parteigenossen zu
sein. Richtungen ignorieren, das wäre die Richtung, welcher die Presse
hier zum Siege verhelfen sollte. Gewiß hat das seine Schwierigkeit.
Schon rein äußerliche! Denn solchen Arbeiten mangelt die Tendenzschärfe
des Leitartikels wie der hüpfende Esprit des Feuilletons. Man weiß nicht,
ob man sie überm oder unterm Strich bringen soll. Auch der Reiz des
Neuen und Sensationellen fehlt. Sachliche Normen sind nie aktuell, weil
sie immer aktuell sind. Reine Wissenschaft, über die gemeinverständlich
zu berichten wäre, sind sie auch nicht, vielmehr fordernde Wissenschaft, für
die man um Kampfgenossen wirbt. — Vielleicht wäre es das beste, wenn
man ganz getrennt ein neues „drittes Reich" einrichtete und von Män-
nern verwalten ließe, die weder ausgesprochene Parteileute, noch un-
tätige Astheten sind. Ist erst einmal in dem Kreise unsrer Gebildeten der

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