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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,4.1917

DOI Heft:
Heft 23 (1. Septemberheft 1917)
DOI Artikel:
Sigerus, Else: Von den Siebenbürger Sachsen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14298#0224

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ländischen und der deutschen Schulen eine Anzahl kostbare Originale von
Meistern wie Memling und Ian van Eyck. Das prächtige alte Palais des
Barons Brukenthal gehört jetzt mit all seinen Kostbarkeiten dem evangeli«
schen Gymnasium. Es enthält unter anderm noch eine wertvolle Münzen«
sammlung, eine neuere Sammlung von Antikenabgüssen und vor allem
eine herrliche Bücherei, die in prächtigen Einbänden die bedeutsamsten
Buchausgaben der Weltliteratur etwa bis zum Ende des ^8. Iahrhunderts
umfaßt) und die in Bezug auf deutsche wissenschaftliche Werke dauernd er-
gänzt wird. Es sind insgesamt rund ^OO OOO Bücher. Die zahlreichen
InkunabelN) die meisterhaften Malereien des unschätzbaren Breviariums
aus dem ^5. Iahrhundert, die köstlichen Lederbände, die Fülle der schön«
sten Illustrationen in Schnitt und Stich, ja selbst die reizvollen handgemal-
ten Vorsatzpapiere fesseln den Beschauer lange, bevor er sich in die sel«
tenen Pracht- und Erstausgaben vertiefen mag; auch eine Reihe schöner
Ex libris finden sich, darunter einige interessante Kupferstiche sieben«
bürgischer Zeichner. — Eine fast lückenlose Sammlung der irgendwie
wichtigeren modernen deutschen Literatur bietet eine zu diesem Zwecke ge-
gründete Vereinigung i.n der „Modernen Bücherei«. Alte und neue
deutsche Musik wird von den Musikvereinen gepflegt) von deren tüchtiger
Arbeit Kirchenkonzerte und andere öffentliche Aufführungen Zeugnis ab-
legen. And tzausmüsikeN) bei denen mit Vollendung Bach gespielt und
etwa Straußische Lieder gesungen werden, wie viele deutsche Städte
mögen sich deren rühmen können? Gibt es überhaupt viele Städte,
die, wie die sächsischen, ohne Universität und Akademien, ohne staat-
liche Förderung ihres Geisteslebens es mit weitgehenden Opfern an
Zeit, Mühen und Geldmitteln ganz aus sich selbst reich und blühend
erhalten? Wenn Hermannstadt auch als Mittelpunkt des sächsischen Gei-
steslebens gelten kann, so geben die andern, auch die kleineren Städte,
ihm in der Pflege von Kunst und Wissenschaft doch im Verhältnis nicht
viel nach. Beim Vergleich mit der Kultur reichsdeutscher Städte ist vor
allem auch in Betracht zu ziehen, daß in den sächsischen Städten deutsches
Proletariat einerseits ganz fehlt, anderseits eine überwiegend große Zahl
der Bürger abgeschlossene Gymnasialbildung und ebenfalls in höherem
Prozentsatz als in Deutschland akademische Bildung hat.

Die Sprache der Siebenbürger Sachsen kommt dem luxemburgischen
Dialekt sehr nahe. Mancherlei ungarische und rumänische Vokabeln haben
sich im Laufe der Zeiten Hineingemischt. Das „Sächsische" wird in den
Städten innerhalb der Familien, auf dem Lande allgemein gesprochen.

Das Kulturbild des sächsischen Dorflebens ist seit uralter Zeit
dasselbe geblieben. Das ganze Leben des Bauern ist von altererbten
Bräuchen begleitet, an denen unverändert festgehalten wird. Wem ein
Kind geboren wird, der geht zum „Wohlehrwürdigen tzerrn Vater", dem
Pfarrer, und bittet rhn, „das junge Ehezweiglein in das Buch des Lebens
einzutragen und aus dem tzeiden einen Christen zu machen". Die Mär-
chen des Rheinlandes und alte deutsche Spiele und Reime begleiten die
Kindheit. Nach der Schulzeit, die bei den Knaben mit bei den Mäd-
chen mit Iahren beendet ist, folgt die Aufnahme in die Bruder- und
Schwesterschaft, Vereinigungen zu gegenseitiger Lätiger tzilfe und morali-
scher Stütze. Sie ,wird nach der Verheiratung durch die entsprechende
Organisation der Alteren, die „Nachbarschaft", abgelöst. Diese Verbände
haben streng an den mittelalterlichen Vestimmungen und Formeln fest-

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