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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,4.1917

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Heft 24 (2. Septemberheft 1917)
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Schumann, Wolfgang: Österreichische Romane und Novellen
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Hoffmann, Paul Theodor: Theodor Storm: zu seinem hundertsten Geburtstage
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https://doi.org/10.11588/diglit.14298#0266

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solchen Werkes zu kritisieren. Wahrscheinlich gernacht wird sie durch die
schlichte, von Theater und Exotistik freie A.rt der Erzählung, die nur durch
Innerlichkeit und Menschlichkeit wirkt. Man kann sich kaum denken, daß
dieser feinfühlige und zarte Dichter dem Lande, wo er so lange gelebt hat,
nicht wirklich Innerlichstes sollte abgelauscht haben. Landschaft und Men«
schen, beides wirkt echt, wenn je in einer Dichtung etwas so gewirkt
hat. And darüber hinaus fühlt man einen seines Zieles bewußten, im
Können sicheren Dichter am Werk. — Otto Alschers „Zigeuner" (Langen,
München, geb. 3 M.) bilden eine Art Gegenstück dazu. Ungarns weites
Land breitet sich da vor dem Leser, unstäte, dem Boden fremde Menschen«
kinder erleben Anwahrscheinliches und tun Fremdartiges, und doch bliht
allenthalben durch das dichte Gewand der Annahbarkeiten ein Stück von
allgemein Menschlichem, unsäglich Sympathischem auf, Achtung, Mitleid,
Teilnahme heischend. Alschers Erzählungen sind schlicht, nicht immer durch«
gearbeitet, aber menschlich warm und reich. Man begreift manches Zeit-
geschichtliche, wenn man durch sie in verständnisvolle Berührung mit dem
östlichsten Wesen des Ostens gekommen ist. — „Lin jüdischer Kleinstadt-
roman" ist Oskar Baums Erzählung „Die böse Anschuld" zubenannt
(Rütten L Loening, Frankfurt a. M., geb. H,50 M.). Wenig wertvoll ist
Hier die Erfindung, eine „spannende", aber dürftige Geschichte. Dagegen
gibt Baum im Einzelnen viel, sehr viel echte Kleinstadtstimmung, viel über-
raschend sicher hingesetzte Einzelzüge, ein so rührendes wie packendes Bild
jener Mischkultur, an der Deutsche, Slawen und Iuden teilhaben, jenes
Provinzdaseins, das noch heute fern dem Strom der Welt sich abspielt und
seine eignen Gesetze) seine eignen tzoffnungen, seine eigne — tzoffnung-
losigkeit hat. Es ist ein bedeutsamer Teil Österreichs, der in dieser Ge-
schichte lebt.

And noch einmal: ist es nicht unrecht, Romane, Erzählungen, Dich«
tungen zu befragen, wieviel sie von einem Gegenstand aussagen, den doch
wohl besser die Wissenschaft darstellt? Ich glaube es nicht. Einmal —
die Wissenschaft stellt ihn so gut wie nie dar, wenn sie es aber tut, dann
tut sie es in Abstraktionen, die in Leben umzudenken weit über normale
Schaukraft hinausgeht. Dann aber — als Dichtung allein betrachtet,
wäre recht vieles, was wir zu beachten sonst alle Arsache haben, kaum
eines tzinweises wert. Nicht viel mehr als ein Vorurteil wäre es, den
ästhetischen Genuß darum voranzustellen, weil Worte wie „Roman", „No-
velle" als Etiketten verwendet werden. Am seinetwillen berauben wir
uns nicht einer Möglichkeit, das zu erkennen, was uns alle am tiefsten
angeht: Lebensordnungen unsrer Mitmenschen, Menschliches in allen For-
men, welche die bunte Erde aufweist. Wolfgang Schumann

Theodor Storm

Zu seinem hundertsten Geburtstage

^^eder unsrer Leser kennt den Reiz der Dämmerstunde. Wo die Schatten
^^wachsen und das Spielen des versinkenden Tageslichtes die harten
^FKonturen der Amwelt auflöst in Weichheit und lindernde Ruhe-
Wo das Alltagsgetriebe versinkt mit seinem Lärm und die Erinnerung
ihr Reich breitet, dich führend zu fernen frohen und leidvollen Tagen, dich
wiegend im abgeklärten Wiedererleben dessen, was dein tzerz bewegte.
Wo alte vertraute Geister aus vergessenen tzauswinkeln hervorhuschen,

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