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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,1.1917

DOI Heft:
Heft 2 (2. Oktoberheft 1917)
DOI Artikel:
Heil, C. P.: Arbeitskultur
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https://doi.org/10.11588/diglit.14422#0084

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der Zukunft urcht leben ohne die Produktionstechnik und die Arbeitsteilung,
die allein ihnen auch in der Vergangenheit das Leben ermöglichten.

Grundlegendes aus den Beständen der alten Zeit wird also übernommen
werden in die neue. Viel mehr aber werden wir von den alten Grund-
lagen sozialer Organisation aus in dieser Aeit schaffen müssen an Neuem,
an neuen Inhalten des Wollens und Geschehens und an neuen Ausdrucks-
formen, die dem Wesen jener Inhalte als ihren Zweckformen entsprechen,
bevor wir wieder von einer Kultur werden reden können, in der ihr Inhalt
und Ausdruck zum wirklichen Einklang gekommen sind. Die Linzelheiten
dieser Kultur übersehen wir noch nicht. Aber soviel sehen wir aus den Zei-
chen unserer Zeit, daß die einzig mögliche Kultur der Zukunft Arbeits-
kultur sein wird. Diese Kultur wird nicht wie die jetzt noch anerkannte
nur die Lebensäußerungen voll erhabener Geistigkeit in ihren Bereich
ziehen, die allein den oberen Zehntausend zugänglich sind. In der bis-
herigen Kultur war die Instandhaltung des wirtschaftlichen Unterbaus der
Masse zugewiesen; der gekünstelten Vergeistigung der Kultur zuwider galt
dabei der materialistische Gedanke, daß die Tätigkeit des Wirtschaftens in
bloßer Beschaffung von Sachgütern sich erschöpfe und daß dem aus sozialen
Zusammenhängen und Verpflichtungen losgelösten Einzelnen das formale
Necht zustehe zur rücksichtslosen Wahrnehmung aller Möglichkeiten, um
sich durchzusetzen auf Grund seiner Macht und zum Zweck seines Gewinnes.
Das alles widerspricht dem Heut der Zukunft.

Arbeitskultur durchdringt vielmehr die Arbeit des Volkes, welcher Art
sie auch sei. Ihre Vertreter gehen aus vom Menschen mit seinem Ver-
langen nach Lust, seinem Streben und Sehnen nach deren Befriedigung,
aus dem alles wirtschaftliche Handeln hervorgeht, aber nicht vom Menschen
in seiner Vereinzelung, sondern von dem Menschen, der unentbehrliches
und unablösbares Glied des sozialen Organismus ist und im Hinblick auf
diesen Organismus sich die Richtung und zugleich die Begrenzung geben
läßt für die Sorge um sein Wohl und seinen Vorteil. Sie stellen in den
Mittelpunkt die Tat und Arbeit, die im Dienst des Ganzen der Einzelne
für sich leistet. Sie erkennen, daß Wirtschaften eine Tätigkeit ist, die aus
Gefühlsregungen und Willensentschlüssen des zum Glied der Gesamtheit
erzogenen und gebildeten, des sozialen Einzelnen entspringt, und erfassen
als Hauptaufgabe die möglichst ungehemmte Entfaltung der schöpferischen
Kräfte, die in der Millionenmasse dieser Einzelnen aufbewahrt sind und
der Besreiung von den heute noch vorhandenen Hemmungen harren.

Durch solche Arbeitskultur können auch erst voll erfüllt werden die heute
noch unerfüllten Verheißungen, die in dem Begriffe Volks wirtschaft ent-
halten sind. Sie erst knüpft zur Einheit das Alltagswirken der werktätigen
Masse und das gesunde, zukunftreiche Schaffen und Streben ihrer geistigen
Führer und bringt uns um eines sichtbaren Schrittes LLnge näher heran
an die Lösung der Frage nach dem Sinn unseres ganzen Kulturstrebens.
Sie erst läßt uns auch eine neue, befriedigende Stellung gewinnen zu einer
Frage, deren heutige, aus dem Geiste schrankenlos kapitalistischer Wirt-
schastsordnung geflossene Beantwortung zum Trübsten unserer sozialen
Lage gehört, zu der Frage nämlich, welche Stellung und Bewertung der
Leistung des Arbeiters im Produktionsprozeß zuzubilligen sei. Wohl
hat im Reichstage, wo so großer Nachdruck auf die Freiwilligkeit
des vaterländischen Hilfsdiensts gelegt wurde, der Abgeordnete Legien die
Folgerung gezogen: „Die Zeit ist vorüber, in der der Arbeiter nur ein

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