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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,1.1917

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Heft 3 (1. Novemberheft 1917)
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Eucken, Rudolf: Zum Bilde Luthers
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Troeltsch, Ernst: Ernste Gedanken zum Reformations-Jubiläum
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https://doi.org/10.11588/diglit.14422#0124

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Ferner müssen wir darauf dringen, daß zwischen Vergänglichem und
Bleibendem bei Luther deutlicher geschieden wird. Es darf keine Unklar--
heit darüber walten, daß den meistcn von uns Luthers theologische Ge--
dankenwelt, seine Lehre von dem durch unsere Sünden erzürnten, nun
aber durch das Blutopfer seines Sohnes versöhnten Gott, schlechterdings
unhaltbar geworden ist. Das ruft notwendig die Frage hervor, ob nach
Erschütterung dieser Gedankenwslt etwas bei Luther bleibt, das uns heute
und auch der Zukunft von erheblichem Wert sein könnte. Diese Frage
aber ist zuversichtlich zu bejahen, sie ist das namentlich von der Erwägung
aus, daß jenes theologische Gedankengerüst bei Luther schließlich nur
Mittel und Werkzeug für die Erschließung eines neuen Lebens ist, daß
durch es hindurch sich ein neuer Lebenstypus von schwerem Ernst, aber
zugleich innerer Freudigkeit aufringt, daß im besonderen eine neue Reli--
giosität entsteht, die mit innerster Bewegung des Gsmütes und tiefer
Demut männlichste Tapferkeit, ein volles Aufrechtstehen verbindet. Mehr
als irgendwo anders wird hier die Grundlcgung eines eigentümlich deut--
schen Idealismus vollzogen. Die Lage der Gegenwart drängt zwingend
dahin, solche unvergänglichen Grundwahrheiten von der unzulänglich ge-
wordenen Fassung abzulösen und sie damit auch für unsere Zeit voll zur
Wirkung zu bringen. — Es bedarf keiner Darlegung, daß beide erörterten
Punkte in engem Zusammenhang stehen; hoffen wir, daß ihnen zusammen
die Lutherfeier sörderlich sei. Rudolf Eucken

Ernste Gedanken zum ReformaLions-Zubiläunr

^m^as Refonnationsjubiläum weckt in uns nicht bloß begeisternde und er--
Ihebende, sondern auch beklemmende und schmerzliche Gefühle. Die letz-
teren stammen nicht lediglich aus dem schneidenden Gegensatz, in dem
diese Gedenkfeier zu der gegenwärtigen Lage der europäischen, ja der Kultur-
welt überhaupt steht. Macchiavelli und Luther haben ungefähr zu gleicher
Zeit ihren Samen gesät, haben die verschiedenartigen Kräfte und Ten-
denzen der Zeit, die sich aus der bisherigen Einheitswelt des Mittel-
alters trennten und lösten, jeder in seinem Samenkorn verkörpert. Der
Same Macchiavellis ist unendlich viel stärker und reicher gewachsen als
der Luthers. Seine Saat steht heute in ihrer üppigsten und furchtbarsten
Blüte, und nur mit schwersten Sorgen kann man an die Früchte denken,
die dann im Frieden erst reifen und sichtbar sein werden. Und das
schlimmste ist die Mischung der Saaten, die wir als eine grauenvolle
Unwahrhaftigkeit überall durcheinander wachsen sehen. Auf der einen
Seite deckt man ein macchiavellistisches Handeln mit religiösen und hu-
manen Phrasen, die aus der Entwickelung der Reformation stammen,
und auf der anderen Seite decken macchiavellistische Phrasen ein im
Grunde doch stark ideell bestimmtes Handeln oder mischen sich gar mit
religiösen Phrasen zum rohesten Gemengsel. Gott sei Dank, daß neben
alledem in den Taten so viel Tüchtiges, Gesundes und Großes in der
Stille geleistet wird, daß daran der Glaube an die Menschheit wiedev
gesunden kann.

Aber daran denke ich gar nicht, wenn ich jetzt von bedrückenden Ge°
fühlen rede. Wir wollen den Krieg einen Augenblick vergessen und uns
für diesen Augenblick nur das Bild des gewaltigen, in Liebe und Zorn
gleich treuen und echten Luther vor die Augen stellen. Wir wollen
 
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