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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,1.1917

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Heft 3 (1. Novemberheft 1917)
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Weinel, Heinrich: Das Erbe der Reformation
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Planck, Reinhold: Was sind wir Luther heute schuldig?
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https://doi.org/10.11588/diglit.14422#0132

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geschlossenen Ganzen vereinigt. Aller Kamps aber um die Lebensinhalte
und Weltanschauungen ist, um der Innerlichkeit dieser Dinge willen, ledig-
lich mit dem Mittel des Wortes zu führen.

5.

g^as ist das Erbe der Reformation für uns. Wir wollen uns freuen,
^daß es nicht bloß Gabe, sondern auch Aufgabe ist. Was uns der
Weltkrieg noch bringen mag, wissen wir nicht. Aber die Arbeitsziele,
die uns Luther hinterlassen hat, wird er uns nicht verrücken. Luthers Mut
und Luthers Kraft sollen das deutsche Volk auch in die neue Zukunft geleiten.

Iena. Heinrich Weinel

Was sind wir LuLher heute schuldig?

^m^ie vierhundertste Wiederkehr des 3s. Oktober stellt das dentsche Volk
>-H^im ganzen, die evangelische Kirche im besonderen vor die Frage,
ob das, was mit der grundlegenden Luthertat angebahnt war, in
der Folge und bis heute zu seinem wirklichen Ziel und zu seinem voll
entsprechenden Ausdruck gekommen ist.

Ein unbefangener Blick in die Geschichte überzeugt uns davon, daß
die mächtige Geisteswirkung jener Glaubenstat, wie sie sich bis zum
Reichstag von Worms weiter entfaltet hat, teils durch die Schuld der
Gegenmächte, teils durch die Schwäche der Helfer eine Verengnng er-
litten hat, die nicht nur Luthers Werk innerlich lähmte, sondern zunächst für
Deutschland, schließlich für ganz Enropa zum schwersten Verhängnis wurde.
^chon in der neuen evangelischen Kirche kam das evangelische Glau-
^bensprinzip Luthers nicht zum vollen Ausdruck. Der Aberglaube der
Masse, der in der römischen Kirche zum Ablaßhandel geführt hatte,
konnte in der neuen nicht mehr voll getroffen werden. Durch die gegne-
rische Polemik gezwungen, mußte der neue Glaube seinen Ausdruck im
Wortbekenntnis suchen, dessen Annahme dasselbe Verdienst begründete
wie der alte Ablaß. So wurde die Gemeinde Luthers aus einer grund-
sätzlich freien Glaubensgemeinschaft zu einer schwächlichen Konkurrenz
mit der römischen Großkirche, d. h. sie wurde wieder, was doch Luther
hatte treffen wollen, in den Augen ihrer Gläubigen eine Versicherungs-
anstalt fürs Ienseits. An dieser Richtung hat weder die gleichzeitige
deutsche Sektenbewegung, noch die spätere englische Freikirche etwas
geändert. Sie haben vielmehr nur die allgemeine Volksanffassung der
Kirchen und Sekten als der konkurrierenden Garantien für die ewige

Seligkeit unrettbar verhärtet. Durch die von England ausgehende Pro-
selytenmacherei und Massenbekehrung wurde vollends die religiöse Arbeit
der Kirche dem modernen Großgewerbebetrieb und seiner Technik (Evan-

gelisation) gleichgemacht. Nur daß man hier nicht bloß mit Geld, son-

dern auch mit Gläubigkeit zahlt.

Bleibt auf diesem Gebiet immerhin noch der Trost, daß durch die

lange deutsche Leidenszeit der religiöse Ausdruck selbst an Vertiefung
und Verinnerlichung gewonnen hat — was im Reste bleibt, ist doch
die volle Auseinandersetzung mit der ganzen Außenwelt, ja der Lebens-
wirklichkeit selbst, der gegenüber das Christentnm zur bloßen Bewußt-
seinsreligion zusammenschrumpft —, so ist gerade in dem, was welt-
geschichtlich mit Recht als eigentliche Großtat Luthers gilt, ein von Iahr-
hundert zu Iahrhundert sich steigerndes Versagen festzustellen. Luther
hat dcn natürlichen und bürgerlichen Beruf von dem mönchisch-kirch-
 
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